Ann-Kathrin Faber berichtet über Seenotrettung Resqship
Internationales Erasmus Projekt
Bad Bergzabern. Schülerinnen und Schüler, die am internationalen Erasmus-Austausch zum Thema „Für und wider Willkommenskultur in Europa. Warum gehen unsere Länder so unterschiedlich mit den Flüchtlingen um?“ teilnehmen, trafen eine ehemalige Schülerin des Gymnasiums im Alfred-Grosser-Schulzentrum, die ehrenamtlich bei der Seenotrettungsorganisation Resqship (https://www.resqship.org/) arbeitet.
Ein Kind wird von einem völlig überladenen Schlachboot ins Beiboot der Helfer gehievt. Schwimmwesten werden an die anderen ausgeteilt. Die Helfer rufen „come to me“ (komm zu mir) und auf Französisch „Tu vas bien?“ (Geht es dir gut?).
Das ist ein kleiner Ausschnitt aus einem Film, den die ehrenamtliche Mitarbeiterin der Seenotrettungsorganisation Resqship, Ann-Kathrin Faber aus Mainz, am vergangenen Freitag, 18. Januar, Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums im Alfred-Grosser-Schulzentrum Bad Bergzabern zeigte.
„Was schätzt ihr: Wir viele Geflüchtete kamen 2018 in Europa an?“, fragte Ann-Kathrin Faber die knapp 30 Schülerinnen und Schüler zwischen 16 und 19 Jahren. „1,5 Millionen“, sagte einer, andere nickten zustimmend. Viele waren überrascht, als die ehrenamtliche Helferin die tatsächliche Zahl nannte: „113.482“ Dafür ertranken 2262 Geflüchtete im Jahr 2018 im Mittelmeer– und das seien nur die offiziellen Zahlen. Rettungsaktionen wie die im Film gezeigte seien seit dem vergangenen Jahr kaum noch möglich.
„Zum Beispiel die sogenannte libysche Küstenwache behindert die Retter“, erzählte Ann-Kathrin Faber und zeigte später noch den Film „Mare Clausum“, der eine solche Behinderung, bei der Geflüchtete sterben, zeigt und der auch bei Youtube abrufbar ist.
Ann-Kathrin Faber, die 2011 in Bad Bergzabern Abitur gemacht hat, lernte im selben Jahr beim Jurastudium in Mainz jemand kennen, der auf der Seawatch, einem der Rettungsschiffe, war. Anschließend gründeten sie zur Unterstützung dieser Missionen die Organisation Resqhsip (aus englisch rescue = retten und ship = Schiff).
„Ich war selbst leider noch nicht bei einer Rettungsmission dabei, denn seit vergangenem Jahr sind die Missionen kaum noch möglich.“, sagte die 26-Jährige und erzählte davon, wie Italien seine Häfen geschlossen hat, wie Schiffe mit Geflüchteten tagelang umherfahren, bis sie endlich anlegen können.
„Ein geretteter Flüchtling hat bei so einem tagelangen Warten Panik bekommen und ist auf hoher See über Bord gegangen“, erzählte sie und verwies auf die Traumata durch die monate- oft jahrelange Flucht, nicht zuletzt auch durch die libyschen Foltergefängnisse. „Bloß nicht zurück nach Libyen“ höre man oft von Geflüchteten. Ihr Mitbewohner in Mainz ist selbst aus Eritrea geflohen. „Er redet kaum über seine Flucht“, erzählte Ann-Kathrin Faber.
Dann beschrieb sie, wie die Rettungsaktionen ablaufen: In erster Linie werde erstmal gesucht, und zwar nach rubber boats, also den typischen Schlauchbooten. „Bei der Kontaktaufnahme ist es wichtig, dass die Leute ruhig bleiben, denn wenn auf so einem überladenen Schlauchboot auf hoher See Panik ausbricht, kann es schnell untergehen“, so Ann-Kathrin Faber. Deshalb vermeide man seit einiger Zeit auch arabische Schriftzeichen auf den Schiffen. „Manche Geflüchtete denken dann, wir seien von der gefürchteten sogenannten libyschen Küstenwache.“
Seien die Geflüchteten dann sicher an Bord der Rettungsschiffe, gebe es an Bord eine Art kleines Krankenhaus. „Ganz wichtig: Versorgung für die Gäste an Bord, denn die meisten kommen aus libyschen Foltergefängnissen“, so Ann-Kathrin Faber. Deshalb gebe es erst einmal W
asser und Reis mit Bohnen, um den Bedarf an Kohlenhydraten zu decken. Die Rettungsschiffe haben aber auch ein Kühlhaus – für die, die umkommen bei dem Versuch, auf dem Seeweg Europa zu erreichen.
„Dass man zynisch über solche Menschen reden kann, zum Beispiel von Asyltouristen, das kann ich nicht verstehen“, sagte Ann-Kathrin Faber. „Die kommen auf diesen elf Meter langen Booten, da sitzen sie mit 160 oder mehr Leuten drauf. Das sind verzweifelte Menschen, die Schutz suchen“, sagte die ehrenamtliche Helferin.
Bis zu 50 Stunden hätten sie vor ihrer Rettung oft auf den Booten gesessen, meist gäben ihnen die Schlepper nur so viel Sprit mit, dass sie zwölf Meilen weit kämen – so weit gehen die Hoheitsgewässer. Die italienische Insel Lampedusa sei zum Beispiel 140 Meilen entfernt.
Ann-Kathrin Faber kritisierte auch die Europäische Union (EU). Die Seenotretter würden kriminalisiert, sagte sie. Sie wendete sich dabei gegen den Vorwurf, die Retter seien ein „Pull-Faktor“, würden also erst dafür sorgen, dass so viele Flüchtlinge sich aufs Meer wagten. Diesen Vorwurf widerlegte sie mit einer Studie der Universitäten Oxford und Florenz aus dem Jahr 2017. Diese sei zu dem Schluss gekommen: „Es fahren durch die Seenotrettung nicht mehr Flüchtlinge los, aber es überleben mehr.“ Ann-Kathrin Faber warf der EU vor, dass stark traumatisierte Menschen zum Spielball der europäischen Politik würden, weil die EU-Staaten sich in der Flüchtlingspolitik nicht einigen können. „Wir reden hier über Menschen, nicht über Zahlen“, sagtes Ann-Kathrin Faber. Die Schülerinnen und Schüler, die vor ihr saßen, erlebten dabei auch oft, was auch Ann-Kathrin Faber berichtete: Bei Infoständen werde sie immer wieder auch von Menschen angegangen, die kritisch eingestellt sind. Einer habe ihr gesagt, dass es zum Beispiel in Marokko doch gar keine Folter geben könne: „Das kann doch gar nicht sein, dorthin fahren wir ja im Urlaub“.
Die Schülerinnen und Schüler, zu denen sie sprach, beschäftigen sich selbst bereits seit anderthalb Jahren mit dem Thema der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa. Dieses Treffen am Freitag, 18. Januar, ist Teil des internationalen Jugendaustauschs „Erasmus plus“, der von der EU gefördert wird und in dessen Rahmen sich Jugendliche aus Polen, Litauen, Italien und Deutschland seit Mitte 2017 bis Mitte 2019 mit der Frage beschäftigen: „Für und wider die Willkommenskultur in Europa. Warum gehen unsere Länder so unterschiedlich mit den Flüchtlingen um?“ In den zwei Jahren haben internationale Begegnungen in Polen, Litauen und Italien stattgefunden. Dort wurde in verschiedenen Projekten erarbeitet, wie mit Menschen auf der Flucht umgegangen wird. Die Schülerinnen und Schüler haben zum Beispiel Flüchtlinge aus vielen verschiedenen Ländern interviewt, mit Bürgermeistern gesprochen, Passanten befragt und die Ergebnisse in vielfältigen Projekten dokumentiert.
An dem Projekt nehmen rund 30 Schülerinnen und Schüler der zehnten, elften und zwölften Klasse teil. Das Lehrerteam besteht aus Kirsten Andres, Eleonore Beinghaus, Annette Kliewer, Lukas Stass und Markus Vollstedt.
Die Abschlusswoche, in der die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrerinnen und Lehrer aus Polen, Litauen und Italien nach Bad Bergzabern kommen, findet vom 8. bis 16. Juni statt. ps
Weitere Informationen
www.resqship.org
Autor:Britta Bender aus Annweiler |
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