BriMel trifft
Böhl-Iggelheimer Schauspieler Markus Schultz
Böhl-Iggelheim. Am 5. Juli traf ich mich als erste Besucherin in dem neuen Zuhause mit dem 34-jährigen freischaffenden Künstler Markus Schultz in Haßloch, um mit ihm ein wenig über sein Leben als Künstler während der Corona-Auszeit zu erfahren. Extra für mich zauberte er noch ein paar Kunstprojekte unter anderem aus der Coronazeit #stayathome hervor.
??? Markus, du hattest jetzt am 21. Juni das erste Mal wieder in einem Musicalmärchen „Zwerg Nase“ einen Auftritt in Düren. Wie war das für dich nach so langer Zeit?
Markus: Anfangs ging mir, neben der Freude darüber, endlich wieder vor Publikum zu „arbeiten“, ehrlich gesagt ganz schön die Muffe. Heißt es doch in dieser Zeit aufzutreten auch, dass man viele Dinge beachten und befolgen muss. Bei diesem Stück „Zwerg Nase“, mit dem das Theater Düren quasi wiedereröffnet wurde, bedeutet Corona-regelkonform spielen, konkret: Immer mindestens 1,50 Meter Abstand zwischen uns Darstellern, wenn gesungen wird sogar ca. 6 Meter. Wir mussten das ganze Stück auf diese Hygiene- und Abstandsregeln hin untersuchen und viele Szenen uminszenieren. Einige Wege, Verabredungen und Ideen, die sich fast 70 Mal bewährt haben, mussten gänzlich verändert werden. Ich spiele das Stück bei der Musikbühne Mannheim seit 2018. Eine Gans einfangen, ohne sie zu berühren, ein Liebesduett singen, ohne sich zu berühren, und mit extrem großem Abstand, da ja gesungen wird, war eine sehr interessante Erfahrung. Ich spürte eine große Dankbarkeit. Nicht nur die Künstler sind dankbar wieder zu spielen; es ist ja schließlich unser Brotberuf, von dem man wirklich leben kann, wenn man uns lässt und wenn wir Glück haben. Auch die Menschen, die sich in dieser schwierigen Zeit trauen ins Theater zu gehen sind dankbar und freuen sich. Und letztlich weiß jeder im Publikum, warum wir immer Abstände einhalten und warum es mitunter mal unfreiwillig komisch ist.
??? Du probst wieder seit Ende Mai. Für welches Stück?
Markus: Ich probe für ein Stück, das gerade zu diesem Jahr aus zweierlei Gründen passt. Dazu darf ich noch nicht so viel verraten. Es lohnt sich aber, die Homepage der Wanderbühne Theater Carnivore im Auge zu behalten (www.wanderbuehne.com). Als Corona Anfang März alles jäh unterbrochen hat, probten wir erst eine Woche das Stück „Liebe oder Leben!“ von Ingeborg von Zadow, eine Uraufführung eines Wanderbühnenstückes, das extra für uns geschrieben wurde. Wir waren alle so euphorisch, da eine Uraufführung immer etwas sehr Besonderes ist und professionelle Wanderbühnen gibt es fast gar nicht mehr. Deshalb schmissen wir uns in die Arbeit. Wir improvisierten, hatten schon früh Kostüme, Ideen, etc. Also wir probten gerade eine Woche und dann hieß es: Es ist Schluss! Ein Weiterproben muss auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Ob und wann Premiere sein wird, ungewiss. Ein Schock. Florian Kaiser, der Gründer der Bühne, der Regisseur fast aller Stücke, die Seele von Carnivore bemühte sich unglaublich, den Überblick zu behalten. Er stellte Anträge, informierte die ganzen Veranstaltungsorte. Wir wollten ja wieder touren. Auch wieder in meinem Heimatort spielen. Fördergelder waren beantragt, die zu bekommen ist leider auch unfassbar schwierig. Nun ja. Diese Uraufführung wurde nun auf nächstes Jahr verschoben. Für dieses Jahr haben wir aus der Not eine Tugend gemacht. Ein anderer Heidelberger Autor, Marcus Imbsweiler, schrieb für unsere Bühne ein Monologstück für eine Frau. Aber wer Florian Kaiser und Carnivore ein bisschen kennt, ahnt, dass es bei diesem Monolog für eine Frau auch hoch her geht. Auch bei einem Ein-Personenstück können drei Darsteller mitmischen. Und wie. Es lohnt sich also neugierig zu sein. Ich sag nur so viel: Beethovenjahr, Premiere: 24.07.2020, in Heidelberg. Aktuelle Infos stehen auf der Homepage. Übrigens hatte ich bei „Zwerg Nase“ immer wenigstens einen Nasenschutz (lacht).
Es existiert ein in tiefster Coronazeit entstandenes YouTube-Video von mir, in dem ich als Zwerg Nase an die Maskenpflicht erinnert habe.
??? Neben Deiner Schauspielerei hast du ja auch diverse Sprechrollen? Für TV-Produktionen und/oder Hörspiele?
Markus: Jaaaa. Das ist meine mehr oder minder heimliche Leidenschaft. Leider wohne ich nicht in Berlin, München oder Hamburg. Somit ist es mit den Sprechrollen etwas schwieriger. Berlin ist das Zentrum für Synchronisation. Hamburg und München haben auch wichtige Studios. Um an gute, dauerhafte Rollen zu kommen müsste man schon in Berlin wohnen. Talent, Kontakte und Glück natürlich vorausgesetzt. Da ich hier in dieser, unserer schönen Region, viele Verpflichtungen habe, viel Theater spiele und auch hin und wieder als Theaterpädagoge arbeite, hab ich nach Möglichkeiten gesucht, mich als Sprecher weiterzubilden und diese Leidenschaft in mein Berufsportfolio mit aufzunehmen. Ich arbeite mittlerweile bundesweit und in allen deutschsprachigen Ländern. Durch Theatertourneen und der immens wichtigen theaterpädagogischen Arbeit mit Tobias Gerstner und seinem „Mensch: Theater!“ komme ich sehr viel herum. Aber der Ausgangspunkt ist eben immer hier in der Region um Mannheim, Heidelberg, Ortenau, etc. Ich wohne eben in der Pfalz und von hier aus auch als Sprecher zu arbeiten ist nicht ganz einfach. Angefangen als Sprecher habe ich vor knapp 10 Jahren als Schauspielschüler für den Klett-Verlag. Das mache ich bis heute in unregelmäßigen Abständen. Da vertone ich Texte und Szenen für Deutschlernende unterschiedlichster Niveaustufen. Auch Hörspiele durfte ich schon machen. Gerade wird eine tolle Hörspielserie mit 12 Folgen nach und nach veröffentlicht. „Anomalia“ heißt die. Ich bin auf der Suche nach Kontakten, Studios und Möglichkeiten. Hörbuch will ich auch irgendwann mal ausprobieren. Das ist, glaube ich, eine der anspruchsvollsten Tätigkeiten als Sprecher. So und so, ich liebe das Sprechen, die Sprechkunst. Die menschliche Stimme ist faszinierend.
???: Ich kann mir vorstellen, dass du auch zu etlichen Castings musst, um an Rollen jeglicher Art zu kommen. Ist es arg frustrierend, wenn man eine Absage bekommt oder bist du eher der Typ, der „abhakt“ und weitermacht?
Markus: Den Begriff Casting benutzt man hauptsächlich beim Film und so viele Castings hatte ich bisher nicht. Ein Filmcasting in Berlin und mehrere sogenannte E-Castings, das sind elektronische Castings, macht man meist zuhause vor der Webcam oder filmt sich selbst irgendwo und schickt diese Videos via e-mail an den Caster, der die Rollen beim Film besetzt. Allein in eine gute Schauspiel-Agentur zu kommen ist sehr schwierig. Ich bin seit knapp 10 Jahren als Theaterschauspieler unterwegs und froh, wenn ich mich damit und mit den anderen Tätigkeiten mal besser, mal schlechter über Wasser halten kann. Bei Ablehnung und Absagen leide ich immer fürchterlich. Einerseits muss und soll man sensibel und durchlässig sein, andererseits sollte man sich ein dickes Fell wachsen lassen. Das wird immer empfohlen, wenn man Schauspieler werden will. Aber das ist eine Charaktersache. Die einen kommen besser mit Kritik, Ablehnung, Meinungen, etc. Klar, andere haben damit ihre Schwierigkeiten, wieder andere zerbrechen gar daran. Depressionen und Drogensucht ist in diesem Beruf leider keine Seltenheit.
??? Um auf deine künstlerische Kreativität zurückzukommen. Ich konnte schon deine Gemälde bei der Ausstellung im Kreativhaus k6 bewundern und Skulpturen hast du ja auch mit Pappmaché und anderen Materialien einfach mal so entstehen lassen. Mit was beschäftigst du dich am liebsten, um abzuschalten? Kommt es auch vor, dass du mal einfach gar nichts tust?
Markus: Gar nichts tun. Mmh? Geht das, außer beim Meditieren, wo man den Zustand des „Nicht-Denkens“ erreichen möchte? Es ist eine schöne Utopie für mich. Ich muss immer irgendwie meine Hände beschäftigen und bin, so glaube ich ein eher nervöser Typ. Meine Hände wollen, mein Kopf muss immer beschäftigt werden. Ich begann vor Jahren mit dem Häkeln. Das ist witzig, ich weiß. Während des Lockdowns hab ich nach Monaten wieder angefangen. Wenn ich mehr Muse hab, greife ich eben zum Pinsel. Die Aquarellmalerei ist die Technik, bei der ich am besten abschalten kann. Sie ist zwar sehr anspruchsvoll, aber man muss die Pinsel hinterher nicht aufwändig reinigen. Acryl macht Spaß, weil die Möglichkeiten sehr vielfältig sind und bei der Ölmalerei brauch ich sehr viel Lust, Zeit, Ruhe und Platz. In den letzten Monaten versuchte ich mich an für mich neuen Techniken. Ich fand heraus, wie man aus leeren Flaschen (Glas oder Plastik) Figuren basteln kann. Ich baute Theatermasken aus Zeitungspapier, Kleber, Ton. Ich verbrauchte immens viel Alufolie und Kreppband. Ich baute kleine Corona-Handschmeichler aus Ton und alten Schrauben und Muttern. Das hat mich durch diese Monate gebracht ohne gänzlich zu versumpfen. Die bildende Kunst ist ohnehin ein probates Ventil für darstellende Künstler.
??? Ich erinnere mich sehr gerne an die Vorstellung im Kreativhaus in Iggelheim mit der Wanderbühne Theater Carnivore. Da hattest du die Hauptrolle in der Komödie „Traumfrau verzweifelt gesucht“. Wie hat es dir gefallen, vor heimischem Publikum zu spielen?
Markus: Das war irgendwie ambivalent. Einerseits freute ich mich tierisch. Ich hab in fast 10 Jahren Schauspielersein noch nie in meinem Wohnort gespielt. Das musste doch mal möglich sein. Und dann war es so weit. Dank Tina Krauß, die dies Wagnis eingegangen ist. Andererseits, hatte ich Bedenken. Kommen denn Menschen? Interessiert es jemanden. Mundarttheater und Laienspielgruppen, die kommen in den Dörfern ja ganz wunderbar an, weil es etwas Besonderes ist, wenn Theater zu den Menschen kommt. Aber ein professionelles Theater, also im Sinne von Theater mit Berufsschauspielern, die auf Hochdeutsch spielen, und dann noch Freilicht? Letztlich war es ein wunderbarer Abend für uns und für mich persönlich natürlich umso mehr. Wir spielten eine Zwei-Personen Komödie, die die Zuschauer glaube ich ganz wunderbar amüsierte. Dazu das wunderschöne Ambiente des Kreativhauses h6. Einige mir bekannte Menschen saßen im Publikum. In Böhl-Iggelheim kennt man mich ja nicht wirklich. Die, die bei unserer Vorstellung waren, wissen nun, dass es einen Schauspieler gibt, der aus Iggelheim kommt, aber bekannt wird man dadurch ja nicht. Es waren vielleicht knapp 80 Menschen da. Immerhin. Leider ist der Aufwand der Wanderbühne enorm. Ich wünsch mir daher für alle Vorstellungen von Theater Carnivore einen größeren Zulauf. Wir, vor allem Florian Kaiser, steckt so viel Herzblut, Geld, Liebe, Idealismus und Arbeit, auch Muskelkraft in seine Bühne, dass er es und wir es verdient hätten, wenn diese ursprüngliche Theaterform, bekannter würde.
??? Danke für das interessante Gespräch, das einen Einblick in Dein Schauspielerleben gewähren ließ. Ich wünsche Dir für die Zukunft viel Erfolg auf den Brettern, die die Welt bedeuten. (mel)
Autor:Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim |
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