BriMel trifft
Christoph Zehfuß zur Frostberegnung

Christoph Zehfuß mal schnell zwischendurch interviewt | Foto: Brigitte Melder
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  • Christoph Zehfuß mal schnell zwischendurch interviewt
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Böhl-Iggelheim. Am 11. April traf ich mich mit dem Böhler Landwirt Christoph Zehfuß. Bereits vor 2 Jahren hatte ich über die Frostberegnung kurz geschrieben, da ich es jedoch Anfang April mit eigenen Augen gesehen habe und immer noch ganz fasziniert von dem Anblick bin, wollte ich „tiefer graben“. Unzählige Fotos von der Frostberegnung der Obstbäume wurden in den frühen Morgenstunden gemacht und es blieben ein paar Fragezeichen zurück.

??? Herr Zehfuß, ich freue mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um mir ein paar Fragen zur Frostberegnung zu beantworten, obwohl Sie gerade ziemlich viel zu tun haben. Ich habe ja nur die Beregnung der Obstbäume gesehen, Ihre Frau Marinka sagte mir, dass Sie jedoch die Kartoffelpflanzen beregnen. Sie haben also nur Kartoffeln und keine Obstbäume?
Zehfuß: Ja, das stimmt, wir haben nur Kartoffeln.

??? Welche Unterschiede gibt es bei der Frostberegnung zwischen Obstbäumen und Kartoffeln? Höhenunterschiede der Wasserstrahlen? Temperaturunterschiede, wann es von Nöten ist?
Zehfuß: Also es gibt ein paar kleine Unterschiede zwischen Kartoffeln und Obst, aber beide sind frostempfindlich. Beim Obst wird zum Beispiel unterschieden zwischen Unterkronenberegnung - das ist, wenn man nur unter den Bäumen Frostberegnung macht - oder wenn man über den Kronen, das heißt, wenn man die kompletten Bäume mit Wasser beregnet. Wenn man die kompletten Bäume beregnet, kann es passieren, dass die Bäume durch das Eis zu schwer werden und zusammenbrechen oder die Äste und Blüten abbrechen. Die Unterkronenberegnung ist halt einfacher, weil dann nur der Boden und die Stämme vereist sind und trotzdem Frostschutzwirkung da ist. Der Baum hängt dann nicht so schwer mit Wasser und Eis voll. Dasselbe Problem haben wir bei den Kartoffeln. Bei der Kartoffel geht es einfach nur über Kopfberegnung, und wenn die Staude zu groß ist und man eine zu lange Frostnacht hat, dann ist der Eispanzer so massiv und schwer, dass die Kartoffelstaude zusammenbricht. Ich kann mich erinnern, dass wir am 20. April 2017 nochmal einen extremen Frost bekamen und da waren die Kartoffeln schon extrem groß. Was passierte? Die Kartoffeln sind komplett mit dem Eispanzer zusammengebrochen.

Obstbäume sind zum Teil noch empfindlicher. Da sehe ich unseren Kollegen Jürgen Hass, der muss bei seinen Pfirsichbäumen sogar fast noch ein bisschen über Null Grad seine Frostberegnung einschalten. Bei den frostempfindlichen Kartoffeln müssen wir dann auch ab Null Grad die Frostberegnung einschalten. Aber die Pfirsiche sind dann halt noch ein bisschen sensibler.

??? Wurde das seit jeher schon immer gemacht oder gab es diesbezüglich in der Landwirtschaft einen Umbruch?
Zehfuß: Nein, Frostschutz wurde eigentlich schon immer gemacht. Bei den Kartoffeln mit der Frostschutzberegnung, aber bei Obst wurde das früher anders gehandhabt. Als ich noch ein kleines Kind war hat mich mein Vater manchmal nachts mitgenommen, weil dann Fackeln „in die Obstbäume“ reingestellt wurden. Das war wirklich herrlich anzusehen - wie ein riesiger Flächenbrand. Alle zwei Meter stand da zwischen den Bäumen ein Bitumeneimer, in den eine Fackel gesteckt und angezündet wurde. Durch die Wärme und die Rauchentwicklung hatte man dann eine Hülle obendrüber, die die Obstbäume dadurch schützte. Das ging aber nur bei Obst, bei Kartoffeln nicht. Beim Wein zum Beispiel haben die Winzerkollegen damals versucht, mit Riesenventilatoren und mit Hubschrauber die Luftmasse zu mischen.

Aber eine typische Frostnacht haben wir aktuell nicht. Wir haben momentan Nordostluft und da ist es einfach nur kalt, halt Winter. Eine typische Frostnacht sieht so aus, dass tagsüber Sonnenschein herrscht, herrliches Wetter, Temperatur wirklich warm, so um die 20 Grad Celsius, und nachts wird es windstill und dann trennen sich die Luftschichten. Das heißt die kalte Luft sinkt auf den Boden, in zwei Meter Höhe haben wir dann Plus-Grade, aber am Boden haben wir Minusgrade. Die Weinbau-Kollegen hatten da also versucht, die Temperatur durch die Luftbewegung des Hubschraubers zu mischen, was dann auch zum Teil reichte. Das merken wir auch in der Frostnacht. Wenn es windstill ist, haben wir wirklich Frost, und wenn ein bisschen Wind aufkommt, steigt die Temperatur wieder um eins oder zwei Grad locker an. Das kann dann schon reichen, nicht mehr einschalten zu müssen oder abschalten zu können. Aber jedes Jahr und jede Frostnacht ist anders. Gerade von Ostersonntag auf Ostermontag hatten wir den Fall, dass es relativ warm war und trotzdem hatte die Folie angefangen Eis zu bekommen. Wir haben dann halt wieder eingeschaltet. Aber bei der Kartoffel ist es Standard, dass es mit der Frostberegnung gemacht wird.

??? Wenn man diese eingefrorenen Blüten sieht, denkt man zuerst einmal „Oh je, alles erfroren“, dabei ist es ja zum Schutz. Gab es schon Jahre, in denen es in der Blütezeit keinen Frost gab? Beregnen Sie aufgrund der Wettervorhersage oder haben Sie da Ihre eigenen „Bauernregeln“?
Zehfuß: Es gab immer wieder Jahre ohne Frost, aber auch Jahre mit extremem Frost. Mein Vater erzählte, dass sie 1976 vom 1. April bis 1. Mai jede Nacht draußen waren zur Frostberegnung. Und ich erlebte 2018 oder 2019 auch einmal 11 Frostnächte am Stück und dann hatten wir wieder ein Jahr ohne. Also das kommt und geht wie das Wetter. Wir schauen jetzt natürlich, wo die Kartoffeln schon aus der Erde heraus sind, extrem genau nach dem Wetterbericht, schauen auch vorher, wie sich das Wetter entwickelt. Also ich schau nicht wie ist das Wetter heute oder morgen, sondern über die ganze Woche, wie ist der Trend?
Es gibt vom DLR in Neustadt Warnmeldungen „Hey Achtung, die nächsten Tage ist Bodenfrostgefahr!“ Da kann man sich danach richten, aber nachts muss man dann selbst danach gucken. Es gibt dann Frostwächter, das heißt mein Handy rappelt dann ab einer vorab programmierten Temperatur, dann gebe ich noch die entsprechenden Daten ein und wann der Weckruf erfolgen soll. Wenn der Schwellenwert erreicht ist, fährt man raus ins Feld und vergewissert sich dann nochmal vor Ort. Jede Fläche ist eben auch anders. Wir haben Flächen in Mußbach, Schifferstadt und Böhl. Es kann sein, dass es in Mußbach schon gefroren ist und in Böhl noch nicht und in Schifferstadt hat es 5 Grad plus. So ist es am besten, wenn man eine kleine Rundfahrt macht mit dem Thermometer in der Hand und guckt an der Folie, ob sich hier Eis gebildet hat.

??? Wird dieser Vorgang in ganz Deutschland oder sogar über die Grenzen hinaus angewandt?
Zehfuß: Ja.

??? Sie müssen für diese Aktion ja mitten in der Nacht aufstehen und raus in die Kälte oder ist das automatisiert und Sie drücken zuhause einfach nur auf einen Knopf? Wie viele Stunden wir beregnet?
Zehfuß: Also so einen Knopf hätte ich gerne, weil es schon anstrengend ist. Wir fangen dann an zu beregnen, wenn der Frost da ist und das ist völlig unterschiedlich. In der ersten Frostnacht war es nachts um 3 Uhr, in der zweiten um 1 Uhr und in der dritten schon abends um 10 Uhr. Und dann heißt es „raus aus den Federn“. So ein Knopf wäre natürlich schön, wenn ich in der heutigen Zeit der Digitalisierung einfach draufdrücken könnte, funktioniert aber noch nicht ganz. Es steht dann auch zu viel auf dem Spiel, weil es um unsere Existenz geht. Wenn unsere Kartoffeln erfrieren, haben wir ein riesiges Problem in unserem Betrieb. Deswegen vertraue ich der Technik noch nicht ganz; ok die Technik machts dann, aber man fährt trotzdem herum und kontrolliert. Es ist immer wieder mal was, entweder ist ein Rohr auf oder ein Regner hängt und es kommt auch vor, dass er während des Laufens eingefroren ist, d. h. wir müssen ihn mit dem Hammer freiklopfen. Das muss man dann schon überwachen, weil es einfach um zu viel geht.

Wir beregnen immer durchgängig ab Frostbeginn bis Frostende, sonst funktioniert das Prinzip nicht. Das Prinzip ist ja, dass immer wieder frisches Wasser aufgetragen wird und sich in Eis verwandelt. Beim Wechsel vom flüssigen zum festen Aggregatszustand setzt sich Energie frei. Das hört sich komisch an und jeder Mensch denkt „Ach du lieber Gott, ich frier und kalt Wasser noch usw.“ Das Wasser hat bis zu 9 Grad Celsius, das ist das erste an Energie, was auf die Pflanzen kommt, und dann der Übergang von flüssig zu fest, wenn das Wasser gefriert, so wird Energie frei und die brauchen wir, um die Pflanzen zu schützen. Das funktioniert aber nur, wenn stetig Wasser aufgebracht wird. Das heißt, ich kann nicht abends um 22 Uhr einschalten und um 23 Uhr sagen „Gut, ist fertig, ist genug Eispanzer drauf“, sondern es muss durchlaufen bis morgens und dann ist morgens, wenn die Sonne aufgeht nochmal der kälteste Punkt von der Nacht, da fällt die Temperatur nochmal. Um 8 Uhr herum schaue ich dann nochmal aufs Thermometer und wenn die Sonne dann mit Plusgraden draußen ist kann man abschalten. Aber so lange Minus ist muss durchgängig beregnet werden. Für das haben wir aber auch spezielle Düsen, die nur geringste Mengen an Wasser ausstoßen. Wir wollen ja nicht bewässern zum Wachsen, sondern nur zum Frostschutz. Und das sind Düsen mit ganz kleinem Durchmesser, die dann nur extrem wenig Wasser aufbringen, aber das reicht, um sie vor Frost zu schützen, aber nicht dass die Kartoffel am Schluss „ertrinkt“. Würde man von abends um 22 Uhr bis morgens um 8 Uhr mit normalen Düsen beregnen, würden die Kartoffeln nach der zweiten Nacht fortschwimmen.

??? Gibt es Unterschiede bei den Kartoffelsorten mit der Beregnung? Also nur bestimmte Sorten?
Zehfuß: Alle Kartoffelsorten

??? In der wievielten Generation pflanzen Sie Kartoffeln in Böhl an?
Zehfuß: In der vierten Generation. Wir hatten 2022 unser 100-jähriges Betriebsjubiläum.

??? Und die nächste Generation steht schon in den Startlöchern?
Zehfuß: Ja, zumindest ist der Nachwuchs begeistert und hilft immer mit so wie er kann. Unser Sohn ist 3 Jahre alt und der Sohn meiner Schwester ebenfalls drei, nur 14 Tage auseinander, eigentlich wie Zwillingsbrüder.

???
Vielen lieben Dank für dieses informative Gespräch. (mel)

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Autor:

Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim

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