BriMel unterwegs
Turmfalke in der Küche
Böhl-Iggelheim, OT Böhl. Am 30. Juni besuchte ich Jürgen Pfleger (59 Jahre), weil mir eine ganz tolle Geschichte zu Ohren gekommen war. Im April hat Familie Pfleger das erste Mal bemerkt, dass bei ihnen in der eingebuchteten Hausfassade unter dem Giebel ein Greifvogel eingezogen war. Normalerweise hatte man früher bei den älteren Häusern diese Aussparung, damit man eine Flagge raushängen konnte. Bisher kamen immer Tauben, die es sich dort gemütlich machten und plötzlich wurde das tägliche Gurren durch Greifvogelschreie abgelöst. Die Tauben suchten schnell das Weite, weil sie ziemlichen Respekt vor den großen Vögeln mit dem krummen scharfen Schnabel hatten. Sie beobachteten dann von der gegenüberliegenden sicheren Straßenseite das Geschehen unter dem Dach weiter. Pfleger sahen die Raubvögel nur, wenn sie angeflogen kamen und mit Schreien auf sich aufmerksam machten.
Aus dem einen Greifvogel wurden es dann sehr schnell vier Vögel, denn sie bekamen zwei Junge. Man hatte sie von der Straße aus bis auf einmal nie gesehen, so weit hinten versteckt war das Nest. Sie wuchsen rasch, denn die Versorgung durch die Eltern funktionierte prima. Sie bekamen Mäuse und andere Kleintiere zu fressen. Aber dann passierte es. Pfleger vermutet, dass der Platz in der kleinen Nische für die größer werdenden Greifvögel wohl zu eng geworden war, es einen Kampf ums Futter gegeben hatte und einer dabei aus dem Nest purzelte. Der Bruder bekam dann die Mahlzeiten alleine und wuchs prächtig. Er machte sich immer, wenn der kleine Hunger kam, mit einem ohrenbetäubenden Geschrei bemerkbar, das die ganze Straße mitbekam.
Eines Tages kam Pfleger nach Hause und entdeckte ein Junges direkt vor der Haustür (er muss unter dem Hoftor durchgekrabbelt sein). Er machte einen Bogen, ging durch die zweite Haustür und ließ ihn sitzen. Wahrscheinlich war dem Junior langweilig und er trippelte und flatterte aufgeregt auf die Terrasse. In der Zwischenzeit hatte Pfleger zu tun gehabt und den Kleinen aus den Augen verloren. Der Abend kam und auch der Morgen und Pflegers setzten sich, um die Tageszeitung zu studieren. Seine Frau stutzte als in die morgendliche Stille fremde Geräusche zu vernehmen waren. Der kleine Strolch hatte doch tatsächlich In einer Ecke der Küche übernachtet, „Zeugen“ hierfür waren herumfliegende Federn und die Verdauungshinterlassenschaften. Als Pflegers auf ihn zugingen flog er auf den Zeitungsständer, um einen besseren Überblick zu haben. Hiervon machte Herr Pfleger ein Erinnerungsfoto.
Sie überlegten nun, was sie machen sollten und bekamen den Hinweis, dass es im benachbarten Haßloch den Nabu gibt, der sich um allerlei verlassene und verletzte Vögel kümmern würde und speziell mit ihrer Greifvogelauffangstation bekannt sind. Sie rieten ihm, den kleinen Greifvogel vorbeizubringen. Gesagt, getan, und schon hatte Pfleger dicke Arbeitshandschuhe an und eine große Kiste herausgesucht, in die der Vogel dann zur Überführung kam. Das war kein leichtes Unterfangen, denn der schon kräftige und fast flugfähige Greifvogel wehrte sich mit Krallen und Schnabel aufs Heftigste. In der Auffangstation angekommen, brachte ihn der Falkner in ein Gehege mit ca. 20 anderen Artgenossen. Während sich Pfleger dort aufhielt kamen auch andere Leute und brachten Eulen, Uhus, Hühner und Wanderfalken mit. Und erst hier erfuhr er, um welche Vogelart es sich bei dem „Mitbringsel“ handelte, nämlich um einen Turmfalken. Die Tiere, die ausgewildert werden können, kommen dann in eine Voliere, in der im oberen Bereich eine Klappe einen Abflug ermöglicht und sie wieder in der gewohnten Natur leben können.
Jetzt ist wieder Ruhe eingekehrt bei Pflegers. Alle Raubvögel sind weg und der Gehsteig wieder fast ganz sauber; der Regen tut sein Übriges. Ob die Turmfalken nächstes Jahr wieder einziehen dürfen ist noch nicht ganz sicher, aber eine Attraktion wäre es allemal. (mel)
Autor:Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim |
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