BriMel trifft
Theaterdirektor und Comedian Boris Stijelja in Nöten

Boris Stijelja vor seinem Theater | Foto: Brigitte Melder
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Deidesheim. Einen interessanten Gesprächspartner versprach ich mir mit dem Leiter des Boulevardtheaters Deidesheim bei einem „date“ am 22. Oktober vor seinem Theater in Deidesheim, schön an der frischen Luft. Er wurde laut seiner Vita im Jahre 1982 in Mannheim geboren, um kurz darauf mit seinen Eltern (aus Serbien/Kroatien) nach Kroatien auszuwandern. Bereits im zarten Kindesalter hatte er den Hang zu einer Schauspielrolle, die sich vom Ochsen zu Maria steigerte. Logisch, dass er in der Schule an der Theater AG teilnahm und sogar am Staatstheater in Sibenik sein Können unter Beweis stellen durfte. Er begann ein Schauspielstudium in Zagreb und Belgrad, das er nach einem Jobangebot abbrach. Im Jahre 2004 kam er ohne seine Familie wieder zurück nach Deutschland, diesmal in die Pfalz nach Ludwigshafen. Es folgten etliche „Schnupperstunden“ an diversen Theatern mit ernsthaften und komödiantischen Rollen. Im Jahre 2015 feierte er mit seinem ersten Stand-Up-Soloprogramm „Cevapcici to go“ Premiere, um im Jahre 2017 das Boulevardtheater in Deidesheim als Direktor zu übernehmen. Das ist seine interessante Vorgeschichte bis ich vor einem Monat das erste Mal einem Theaterstück beiwohnen durfte. Seitdem bin ich infiziert mit dem Lachsyndrom.

??? Hallo Boris, es freut mich sehr, dass wir uns mal außerhalb des Theaters treffen. Da die aufgeführten Stücke großen Beifall finden, hat sich mittlerweile ein Stammpublikum gebildet. Ist doch so oder?
Stijelja: Genau. Ein sehr großes sogar, das heißt vor Corona haben wir allein in Deidesheim ca. 160 Auftritte pro Jahr gehabt und die waren über 90 % ausverkauft. Und das ist ein Indiz, dass wir ein sehr großes Stammpublikum haben. Früher, das Theater ist jetzt 23 Jahre alt, kamen die Leute aus der Region und bissel bis Mannheim/Ludwigshafen und fertig. Und mittlerweile haben wir viele Gäste bis Frankfurt und Stuttgart, Karlsruhe und sehr viele Einheimische. Das freut mich sehr, dass der eigene Prophet im Dorf geschätzt wird; also das war für mich der größte Ritterschlag.

??? Was und wo war Dein größter Auftritt bisher?
Stijelja: Ich hatte viele große Auftritte. Der größte publikumsmäßig war in Hannover vor 1200 Leuten. Und das war sehr interessant, denn im Publikum saß viel Prominenz, wie zum Beispiel Bastian Pastewka, Anke Engelke usw. Ich war sehr sehr aufgeregt. Und fernsehmäßig hatte ich schon einige Sachen. Das Größte war das SWR3-Comedy-Festival in Bad Dürkheim, bei dem ich dabei sein durfte.

??? Vermisst du bestimmt in diesem denkwürdigen Jahr 2020, gell?
Stijelja: Jawohl. Ich vermisse in der Tat die Weinfeste. Also, dass man merkt, wie integriert ich bin. Mein Vater ist ja Serbe und meine Mutter Kroatin. Ich bin mittlerweile so eingepfälzert, dass mir das mittlerweile fehlt. Und das ist einfach diese Lebensfreue, auf Weinfesten zu sitzen, sich auszutauschen. Das fehlt mir sehr dieses Jahr. Das ist einfach Lebensstil, Lebenseinstellung, einfach in der Pfalz weggehen, Worschtmarkt, das gehört einfach dazu. Und man muss dazu sagen, auf den Weinfesten höre ich meine Geschichten für Shows, also viele lustige Sachen.

??? Wie viele Schützlinge sind beim Boulevardtheater beschäftigt, also im Schnitt, wechselt ja immer?
Stijelja: Genau. Wir haben ja zwei Boulevardtheater, eins in Deidesheim und eins in Maikammer, und haben auch hier Tourneen. Wir sind zurzeit 38 Personen.

??? Sind das Laienschauspieler oder alles berufliche Schauspieler?
Stijelja: Also das Theater hat damals vor 23 Jahren angefangen mit überwiegend Laienschauspielern. Der Leiter war ein Profi. Und jetzt haben wir mittlerweile gar keine Laien. Wir haben entweder Profis oder Semiprofessionelle. Semiprofessionelle sind Leute, die eine gute schauspielerische Qualität haben, aber noch einen Job nebenbei. Und dann haben wir Profis, die nichts anderes machen, sondern nur von der Kunst zu leben.

??? Nun bist du ja nicht nur selber Akteur sondern auch Leiter. Du musst wahrscheinlich in ganz Deutschland Kontakte knüpfen und Kollegen für Deine Bühne gewinnen. Wie kann man sich so einen Tagesablauf normalerweise vorstellen und wie im Extremfall?
Stijelja: Leider bin ich ein Langschläfer. Also wenn ich keine Termine habe, kann ich bis 11.00 Uhr schlafen. Ich liebe es. Aber dadurch, dass ich ein Theater leite und viele Aufgaben habe, stehe ich vom Wecker geweckt zwischen 6.00 und 7.00 Uhr auf. Dann folgt der Kaffee; Kaffee ist das Wichtigste. Und während der Kaffee läuft, ist mein erster Griff zum Handy, um die sozialen Medien zu kontrollieren. Das ist nicht nur Hobby, sondern auch Beruf und Arbeit. Soziale Medien wir sind sehr präsent. Man muss immer über den Tag berichten usw. etwas posten und dann geht’s los. Dann ist Planung des Tages, Kontrolle der Mails, Ankunft im Theaterbüro, Planung für die ganze Woche, Proben, zwischendurch schreibe ich Texte für meine Kollegen, organisiere Auftritte, auch Auftritte für Tim Poschmann, unseren Pälzer Bu, mache sehr viele Interviews, irgendwann stehe ich abends auf der Bühne und nachts bin ich dann wieder zuhause und platt.

??? Tu telefonierst ja täglich mit Deinen Eltern in Kroatien und postest allerlei lustige Dialoge mit ihnen. Das wäre ein pointenreiches Stück. Hast du diesbezüglich etwas in Planung?
Stijelja: Ja, also diese Dialoge mit meinen Eltern, wo jeder fragt „Ist das wirklich so passiert?“, sage ich „Ja“. Eine Komödie wird das nicht, aber das kommt in mein neues Programm. Der Titel meines neuen Programmes ist „Viagra hält die Blumen frisch - Lebensweisheiten meiner kroatischen Familie“, Premiere ist im April 2021 hier in Deidesheim. Der Vorverkauf ist schon gestartet und da kommen sehr viele wahre Geschichten mit ins Programm, ein bissel überspitzt, aber wahr.

??? Ich kann mir vorstellen, dass du vor jeder Theatervorstellung aufgeregt bist und das wird auch immer so bleiben. Gibt es ein Ritual, um Dich zu beruhigen?
Stijelja: Ja, in der Tat. Ich bin immer aufgeregt, egal wie oft wir eine Komödie spielen. Wir haben zum Beispiel die Komödie „Ein Käfig voller Deppen“ über 130 Mal gespielt und beim 130sten Mal war ich genau so aufgeregt wie bei der Premiere. Es ist immer dieser Respekt. Wenn wir mehrere Tage hintereinander „Klaus und Günter werden Mutter“ spielen, weißt du nicht, wie das Publikum reagiert. Heute lachen die Leute, aber wie ist es am nächsten Tag? Du musst immer die Leute neu gewinnen. Und es gibt tatsächlich Rituale. Ich versuche eine Stunde vor der Vorstellung in der Garderobe zu sein. Ich mache mir immer einen Kaffee, breite meine Schminke aus, hab so einen Strumpf über den Haaren und dann schminke ich mich. Und das ist mein Ritual und da darf mich in der Regel auch keiner stören. Dann murmle ich meinen Text und verwandle mich langsam in die Rolle und komme auf Betriebstemperatur, damit ich arbeiten kann. Der Unterschied zum normalen Büroalltag ist halt: Ich komm ins Büro, trink einen Kaffee und irgendwann werde ich warm. Auf der Bühne hast du keine Vorlaufzeit. Es ist 20.00 Uhr, viel Spaß, gute Unterhaltung, Vorhang geht auf und du musst sofort funktionieren. Das heißt, es ist wie bei einem Sportler, der sich vorher aufwärmt, so ist es auch bei mir. Ich mach meine Stimmübungen mit „Brrrrrrrr, baaaaaa, brrrrrrrr, babababububu“, damit die Muskulatur locker ist und dann kann ich loslegen.

??? Gibt es nach der Vorstellung und dem Abbau immer noch einen Absacker oder geht es gleich wieder nach Hause?
Stijelja: Traditionell immer. Immer ein kleines Gläschen oder so, das gehört einfach zur Pfalz dazu. In der Regel sind wir im Theater und manchmal gehen wir in die naheliegenden Weinstuben oder wenn wir sonntags früher fertig sind, gehen wir noch ein Schnitzel essen und so, das machen wir sehr gerne.

??? Ich glaube, du bist der einzige kroatische Stand-Up-Comedian. Gelingt dir der Spagat zwischen Pfälzisch und Kroatisch? Da kommen doch bestimmt manchmal lustige Dinge heraus. Kannst Du Dich an solche Fälle erinnern?
Stijelja: Tausende *lacht* sehr viele, vor allem am Anfang. Ich rede ja sehr viel Mundart. Am Anfang hab ich die Leute nicht verstanden. Meine legendäre Geschichte erzähle ich seit 5 Jahren, als meine beste Freundin Birgit zu mir nach Ludwigshafen kam. Ich habe damals so gesprochen (ahmt seinen damaligen Dialekt nach) und habe die Worte in die Länge gezogen. Und dann kommt das Pälzer Mädel - durch und durch - und ich hab nur die Hälfte verstanden. Dann meint sie sowas wie „Ich brauch Karotten für die Pferde heute“, und was sagt sie tatsächlich? „Ich brauch Gelleriewe fer die Geil heit“. Ich sag ganz erschrocken „Was?“ Das ist meine Geschichte, die geht mittlerweile überall herum. Das erzähle ich immer wieder sehr gerne. (Lachflash unterbricht kurz die Unterhaltung)

??? Wie viele Auftritte hast du im Schnitt pro Jahr? Kommt das Privatleben dabei nicht ein bisschen kurz?
Stijelja: In der Tat schon. Mein Leben ist komplett anders als das was man normal kennt. Das heißt es ist auch schwierig, Freundschaften im Privatleben zu pflegen. Tagsüber bin ich im Büro und abends auf der Bühne, also null Zeit. Aber wenn ich Zeit habe, arbeiten ja meine Freunde. Und nachts, wenn ich auf Tournee bin, komme ich um ca. 1.00 Uhr ins Hotel. Dann bin ich voller Tatendrang, dann beginnt meine Freizeit, aber da hab ich niemand, mit dem ich telefonieren kann, weil die dann schlafen. Und ich arbeite viel. Ich habe zwischen 180 bis 200 Auftritte pro Jahr. Aber ich freu mich, das ist eine Bestätigung, dass Leute das mögen und schätzen, was du machst. Da heißt es „net pienze“, sondern einfach weiterschaffen und das ist ja schön. Es gibt so viele Leute, die nichts zu schaffen haben.

??? Letzte Frage - für die Damenwelt interessant. Bist Du verheiratet?
Stijelja: Das ist die meist gestellte Frage in Interviews und ich bin in Interviews immer sehr offen, aber das ist die einzige Frage, wo ich sag „Die beantworte ich nicht. Wer das wissen will, muss zwei Karten für meine Show kaufen, denn da wird’s verraten.“ Meine Live-Show „Viagra hälft die Blumen frisch“ ist ja meine Biografie. Und da lernst du schon alles über mich kennen. Und das ist ein Lockmittel, denn die Leute sagen sich „Menschenskinder, das will ich jetzt wissen. Was ist hinter dem Bu?“ Das find ich immer sehr witzig und führt seit Jahren zu Irritationen.

??? Ich wünsche Dir und Deinem Theater, dass es 2021 wieder aufwärts geht und Dir persönlich, dass Du gesund bleibst. Unterhalte uns bitte weiterhin mit Deiner positiven lustigen Art! Danke für das Gespräch.

Vorschau: VIAGRA hält die Blumen frisch - Lebensweisheiten meiner kroatischen Familie,
Premiere am FR 23.04.2021 20 Uhr, am SA 24,04.2021 17 Uhr und 20 Uhr,
Karten unter www.boulevard-deidesheim.de
(mel)

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Boris Stijelja vor seinem Theater | Foto: Brigitte Melder
Ein wenig nachdenklich, der gute Boris | Foto: Brigitte Melder
Autor:

Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim

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