Dr. Jon Leefmann von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hält am Donnerstag, 20. Juni, um 16.30 Uhr an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe einen öffentlichen Gastvortrag zum Thema „Sind wir dafür verantwortlich, wem wir vertrauen?“. Die Teilnahme ist kostenfrei. Der Vortrag findet in PHKA-Gebäude 2, Raum A123, Bismarckstraße 10, 76133 Karlsruhe, statt.
Zum Vortrag
Dr. Jon Leefmann: „Manchmal sieht es so aus, als könnten wir entscheiden, wem wir vertrauen. Wir machen uns Vorwürfe, wenn wir den falschen Personen vertraut haben, und unterstellen damit, dass wir uns hätten anders entscheiden können. Und manchmal vertrauen wir anderen in der Hoffnung, sie dadurch zu einem bestimmten Verhalten motivieren zu können, obgleich wir starke Zweifel haben, ob sie sich wirklich so verhalten werden. Wenn wir also entscheiden können, wem wir vertrauen, dann scheinen wir prinzipiell auch für unser Vertrauen verantwortlich sein zu können.
Andererseits können wir uns manchmal selbst dann nicht dazu bringen, anderen zu vertrauen, wenn wir eigentlich gute Gründe haben zu glauben, dass sie vertrauenswürdig sind. Auch bewegt uns die Zusicherung einer anderen Person, unser Vertrauen nicht zu missbrauchen, nicht unbedingt dazu ihr zu vertrauen. Offenbar können wir uns nicht einfach so entscheiden, jemandem zu vertrauen, sondern sind darauf angewiesen, dass unser Vertrauen mit der Zeit reift. Wenn wir aber nicht entscheiden können zu vertrauen, wie können wir dann verantwortlich dafür sein, ob wir vertrauen?
In diesem Vortrag möchte ich argumentieren, dass diese widersprüchlichen Befunde weniger problematisch sind, als gemeinhin angenommen wird. Wenn wir davon ausgehen, dass die Funktion des Vertrauensbegriffs darin besteht, in einer Vielfalt unterschiedlicher Kooperationsbeziehungen diejenigen Einstellungen zu identifizieren, mit denen sich Akteure beim Handeln auf andere verlassen, dann können je nach Art der Kooperationsbeziehung mit „Vertrauen“ ganz unterschiedliche Einstellungen gemeint sein. Was die Einstellung des Vertrauens ist, lässt sich nicht unabhängig von der Kooperationsbeziehung verstehen, deren Bestandteil sie ist. Inwiefern wir dafür verantwortlich sein können, ob wir (und wem wir) vertrauen, hängt deshalb davon ab, welche konkrete Form die Einstellung des Sich-Verlassens vor dem Hintergrund der Ziele annimmt, die in einer Kooperationsbeziehung realisiert werden sollen. Ich werde diese Überlegungen mit einigen Beispielen aus der wissenschaftsphilosophischen Debatte über das Vertrauen zwischen „Wissenschaft“ und „Öffentlichkeit“ illustrieren, und die Frage aufwerfen unter welchen Voraussetzungen es möglich ist, jemanden dafür verantwortlich zu machen nicht zu vertrauen. Abschließend wende ich mich der Frage zu, welche Konsequenzen sich daraus für die Einstellung des Misstrauens ergeben."
Zur Person
Jon Leefmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am FAU Kompetenzzentrum für interdisziplinäre Wissenschaftsreflexion (ZIWIS), Arbeitsbereich Wissenschaftsreflexion. Bis Juni 2021 forschte er im Rahmen einer „Eigenen Stelle“ im DFG-Projekt „Wissen durch Vertrauen?“ zur Epistemologie von Zeugnissen wissenschaftlicher Experten. Er studierte Biologie und Philosophie in Tübingen, Heidelberg und Pavia, war Stipendiat des DFG-Graduiertenkollegs „Bioethik“ an der Universität Tübingen und wurde dort im Fach Philosophie mit einer Arbeit über personale Autonomie und Authentizität in der Ethik des Neuroenhancement promoviert. Bevor er ans ZIWIS kam, war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Seminar der Universität Mainz und am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Sozialen Erkenntnistheorie (insbesondere Testimony Debatte), der Ethik (Vertrauen, personale Autonomie), sowie der Wissenschaftstheorie und Ethik der Neurowissenschaften.
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