Fast täglich ein Femizid in Deutschland: Der 25. November ist Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen und Kindern
Ratgeber. Der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen wurde 1981 von lateinamerikanischen Frauenrechtlerinnen ins Leben gerufen. Sie wählten den 25. November, um an die Ermordung der Mirabal-Schwestern 1960 in der Dominikanischen Republik zu erinnern, die als Symbol für den Kampf gegen Gewalt an Frauen gelten. Im Jahr 1999 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen diesen Tag offiziell zum International Day for the Elimination of Violence against Women, um weltweit das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Gewalt zu stärken und Maßnahmen zu deren Bekämpfung zu fördern.
Auch in Deutschland beteiligen sich zahlreiche Organisationen und Einrichtungen an dem Gedenktag. Der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen und ihren Kindern, der jährlich am 25. November begangen wird, soll das Bewusstsein für geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt stärken. Dieser Aktionstag erinnert daran, dass weltweit Millionen Frauen und Kinder Opfer physischer, psychischer und sexueller Gewalt sind. Häufig bleibt diese Gewalt im Verborgenen, da viele Betroffene aus Angst, Scham oder fehlendem Zugang zu Unterstützung schweigen.
Ein zentrales Anliegen ist, auf die vielfältigen Formen von Gewalt hinzuweisen, von häuslicher Gewalt und sexueller Belästigung bis hin zu systematischer Gewalt in Konfliktgebieten, wo sexuelle Übergriffe als Kriegstaktik eingesetzt werden. Organisationen und Initiativen nutzen den Tag, um auf Unterstützungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen und Forderungen nach einem besseren Schutz der Betroffenen zu unterstreichen. In Deutschland bildet die Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) eine rechtliche Grundlage, um Gewalt zu bekämpfen und Präventionsmaßnahmen zu stärken, doch die Umsetzung bleibt eine Herausforderung angesichts begrenzter Ressourcen in Frauenhäusern und Beratungsstellen.
Der 25. November - Tag gegen Gewalt an Frauen und Kindern - im Kreis Germersheim
„Keine Frau muss Gewalt hinnehmen. Für Gewalt gibt es keine Entschuldigung. Und es gibt Hilfe für Frauen und Mädchen. Diese Anlaufstellen wollen wir bekannter machen“, berichtet die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Germersheim, Lisa-Marie Trog. Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und ihren Kindern ist sie zusammen mit ihrer Kollegin, Evi Julier, und Vertreterinnen des Frauennotrufs „Aradia“ und der Opfer-Hilfsorganisation „Weißer Ring“ in den großen Pausen in der Berufsbildenden Schule in Germersheim. Sie informieren über Unterstützungs- und Hilfsmöglichkeiten für betroffene Frauen und deren Angehörige in der Region.
Hilfe gibt es auch unter 08000 116016, dem Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, und unter 110 bei der Polizei. Nach Zahlen des Bundesministeriums für Familie, Senioren und Jugend wird in Deutschland immer noch jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt. Dabei hat Gewalt viele Facetten – häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, sexualisierte Gewalt, digitale Gewalt, Stalking, Mobbing, Gewalt im Namen der `Ehre´, Genitalverstümmelung, Menschenhandel oder auch die Zwangsheirat. Bei jeder vierten Frau ist der Täter der aktuelle Partner. „Keine, keiner sollte Gewalt hinnehmen. Es gibt Rat, es gibt Hilfe, bittet vertraut Euch anderen an. Selbst wenn man nicht persönlich betroffen ist, kann ein Hinweis auf Anlaufstellen eine große Hilfe sein!“, ruft Lisa-Marie Trog auf.
Neue Statistik zeigt: Straftaten gegen Frauen und Mädchen steigen in allen Bereichen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesfrauenministerin Lisa Paus haben mit dem Vizepräsidenten des Bundeskriminalamts, Michael Kretschmer, in Berlin das erste Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ vorgestellt. Es stellt zum ersten Mal Zahlen aus unterschiedlichen Datenquellen zusammen und stellt umfassend dar, dass Frauen und Mädchen in vielerlei Hinsicht Opfer von Straftaten und Gewalt werden, weil sie Frauen und Mädchen sind.
Das Lagebild ist wichtig, um den Schutz von Frauen vor Gewalt und anderen Straftaten weiter zu verstärken. Das Lagebild umfasst Daten zu Gewalttaten ebenso wie zu frauenfeindlichen Straftaten als Teil der Politisch motivierten Kriminalität und Straftaten, die generell überwiegend zum Nachteil von Frauen begangen werden. In allen diesen Bereichen sind die Zahlen 2023 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Bundesfrauenministerin Lisa Paus: „Die Zahlen dieses ersten Lagebilds zeigen: Gewalt gehört zum Alltag von Frauen. Das ist beschämend. Und den bedrohten, geschlagenen und um ihr Leben fürchtenden Frauen ist es vollkommen egal, wer regiert. Sie benötigen niedrigschwelligen Schutz und Beratung. Das Gewalthilfegesetz wird Leben retten – es lässt sich nicht durch einzelne Maßnahmen ersetzen. Der Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für von Gewalt bedrohte Frauen muss mit einem Ausbau der Infrastruktur für Beratung und Schutzeinrichtungen einhergehen. Den Entwurf dieses Gesetzes habe ich seit langem und sehr genau mit Ländern und Verbänden am Runden Tisch vorbereitet. Ich appelliere an alle Demokratinnen und Demokraten im Deutschen Bundestag dafür zu sorgen, dass Frauen besser geschützt werden.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Wir stellen uns Gewalt gegen Frauen entschieden entgegen. Wir brauchen mehr Härte gegen die Täter und mehr Aufmerksamkeit und Hilfe für die Opfer. Neben harten Strafen brauchen wir verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings und elektronische Fußfesseln, damit die Täter ihr Verhalten tatsächlich ändern und sich betroffenen Frauen nicht mehr unbemerkt nähern können. Fast jeden Tag sehen wir einen Femizid in Deutschland. Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. Jeden Tag werden mehr als 140 Frauen und Mädchen in Deutschland Opfer einer Sexualstraftat. Sie werden Opfer, weil sie Frauen sind. Das ist unerträglich – und verlangt konsequentes Handeln.“
BKA-Vizepräsident Michael Kretschmer: „Die Zahlen und Fakten zeigen, dass Hass und Gewalt gegen Frauen ein zunehmendes gesellschaftliches Problem sind. In allen Bereichen der geschlechtsspezifisch gegen Frauen begangenen Straftaten sehen wir einen Anstieg. Zudem müssen wir davon ausgehen, dass es weiterhin ein großes Dunkelfeld in diesem Phänomenbereich gibt und die tatsächlichen Zahlen, insbesondere in den Bereichen Häusliche und Digitale Gewalt, noch wesentlich höher sind. Es gilt daher auf Seiten der Sicherheitsbehörden, die Entwicklung der Zahlen weiterhin zu beobachten, derartigen Straftaten sensibel und aufmerksam zu begegnen, sowie deren Tathintergründe zu erkennen und aufzuklären. Es gilt aber auch, aktiv Themen zu erkennen und konsequent gegen Täter vorzugehen. Für uns gilt: Null Toleranz für Gewalt und Hass gegenüber Frauen, egal ob im analogen oder digitalen Raum.“
Mit dem Lagebild kommt Deutschland einer zentralen Forderung der Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, zur Sammlung und Bereitstellung von Daten nach.
Wesentliche Erkenntnisse aus dem Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“
- Femizide: 2023 wurden 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten (+1,0 Prozent, 2022: 929). Dies entspricht einem Anteil von 32,3 Prozent aller Opfer von Tötungsdelikten. Der Anteil an weiblichen Opfern, die im Zusammenhang mit partnerschaftlichen Beziehungen Opfer von Tötungsdelikten wurden, liegt bei 80,6 Prozent. Insgesamt wurden 360 Mädchen und Frauen Opfer vollendeter Taten. Demnach gab es 2023 beinahe jeden Tag einen Femizid in Deutschland.
- Im Berichtsjahr 2023 wurden 52.330 Frauen und Mädchen Opfer von Sexualstraftaten (2022: 49.284 Opfer, +6,2 Prozent), hiervon war über die Hälfte unter 18 Jahre alt.
- Auch die Delikte im Bereich der Digitalen Gewalt nehmen zu. Über 17.193 Frauen und Mädchen wurden im vergangenen Jahr Opfer Digitaler Gewalt, zum Beispiel von „Cyberstalking“ oder anderen Delikten, die beispielsweise mittels Nutzung von Sozialen Medien begangen werden. Hier ist mit 25 Prozent ein deutlicher Anstieg der weiblichen Opferzahlen im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen (2022: 13.749 weibliche Opfer).
- Mit 70,5 Prozent sind die weit überwiegende Zahl der Opfer Häuslicher Gewalt Frauen und Mädchen. Im Berichtsjahr stieg die Zahl der weiblichen Opfer um 5,6 Prozent auf 180.715 an (2022: 171.076). Die Häusliche Gewalt gliedert sich in Partnerschaftsgewalt und innerfamiliäre Gewalt. Bei Partnerschaftsgewalt sind mit 79,2 Prozent mehr weibliche Opfer betroffen als bei innerfamiliärer Gewalt (54,0 Prozent Frauen und Mädchen).
- Auch beim Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, Zuhälterei und das Veranlassen zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder zu sexuellen Handlungen, durch die eine Person ausgebeutet wird, steigen die Zahlen weiter an. 591 Frauen und Mädchen fielen diesen Delikten zum Opfer. Das ist ein Anstieg von 6,9 Prozent zum Vorjahr (2022: 553). Frauen und Mädchen unter 21 Jahren machen mit 31,5 Prozent beinahe ein Drittel der weiblichen Opfer aus.
- Besonders hoch ist der Anstieg bei frauenfeindlichen Straftaten als Teil der Politisch motivierten Kriminalität. Mit 322 Straftaten im Berichtsjahr 2023 wird ein Anstieg um 56,3 Prozent zum Vorjahr verzeichnet (2022: 206).
- Die überwiegende Zahl der Opfer und Tatverdächtigen ist deutscher Staatsangehörigkeit. Lediglich in der Fallgruppe Menschenhandel ist der Anteil an nichtdeutschen Staatsangehörigen bei Opfern sowie Tatverdächtigen höher.
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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