Otterberg: Ute Cherdron hat als Friedhofswärterin ihren Mann gestanden
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- Es gibt immer etwas zu tun: Ute Cherdron besucht regelmäßig das Grab ihrer Mutter und ihres Bruders auf dem Otterberger Friedhof
- Foto: Monika Klein
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Otterberg. Wer die Bezeichnung "Totengräber" hört, der sieht sofort eine in Schwarz gehüllte Gestalt vor sich. Da hört sich doch "Friedhofswärter" oder "Friedhofsarbeiter" gleich viel freundlicher an. All diese Begriffe beschreiben das Tätigkeitsfeld, das Ute Cherdron aus Otterberg fast 40 Jahre lang mit Hingabe ausgeübt hat. Trotz Widerständen hat sie es geschafft, in eine Männerdomäne vorzudringen.
Von Monika Klein
"Ich habe alles gemacht", meint Ute Cherdron und beginnt einen Großteil ihrer Aufgaben aufzuzählen: "Das Reinigen der Wege, die Leichenhalle, die Pflege der Grünflächen, das Ausheben der Gräber und ich war auch Sargträgerin." Zuständig war sie für den Friedhof in Otterberg, der mit seinem alten Baumbestand einem weitläufigen Park gleicht, und für den kleineren Friedhof im Otterberger Ortsteil Drehenthalerhof. Von 1980 an hat sie als gestandene Frau von 28 Jahren bis 2014 all diese körperlich anstrengenden Tätigkeiten eines Friedhofswärters alleine gewuppt. Dann kam ein weiterer Mitarbeiter hinzu, drei Jahre später ging sie in Rente.
"Anfangs ist mir das schwer gefallen", sagt die heute 73-Jährige über diesen neuen Lebensabschnitt, der so gar nicht zu ihrem Naturell passen will. Genauso wenig wie ihr Beruf, den sie auf Drängen der Eltern in ihrer Jugend erlernt hatte: Herrenschneiderin. Mit ihrer Heirat 1978 kam sie in die Wallonenstadt und von da an spielten ihr Zufälle in die Karten. Zum Beispiel, dass ihr Schwiegervater, der damals Friedhofsarbeiter war, sie mit dem Putzen der Leichenhalle und dem Herrichten der Wege für die Beerdigung einer wichtigen Persönlichkeit beauftragte. Eine Aufgabe, die ihr so viel Freude bereitete, dass sie sie über zwei Jahre hinweg an jedem Morgen drei Stunden unentgeltlich fortsetzte.
Einzige Friedhofswärterin Deutschlands
Als dann ihr Schwiegervater in Rente ging, war die Stelle vakant. Von den Entscheidern bekam sie mehr als einmal nur zu hören: "Du weißt ja, dass wir keine Frau auf dem Friedhof wollen." Doch erneut kamen ihr Zufälle zu Hilfe und ihre Hartnäckigkeit. Da waren die Begegnung mit Finanzbeamten, die die Augenbrauen angesichts ihrer unbezahlten Arbeit hochzogen, und der Tipp eines Bauhofmitarbeiters, die ihr schließlich die Tür zu einer Anstellung als Friedhofswärterin aufstießen. "Als einzige in Deutschland", wie Cherdron schon mit etwas Stolz in der Stimme herausstellt. Ein Schmunzeln blitzt durch, wenn sie sich daran erinnert, dass sie beim Ausheben von Gräbern so manchem Mann etwas vorgemacht und als Sargträgerin die dummen Sprüche des anderen Geschlechts Lügen gestraft habe.
Cherdron sitzt auf der Couch in ihrem Wohnzimmer. Griffbereit liegen Dinge, die ihr wichtig sind. Zum Beispiel die Notizbücher. "Ich habe alles aufgeschrieben", sagt sie und greift nach einem. Blättern muss sie kaum, um ein Datum oder einen Namen zu finden. "Ich könnte Geschichten erzählen noch und noch", meint sie und winkt ab. Beispielsweise, dass sie bei nicht wenigen Sektionen der Amtsärzte anwesend war, in denen es darum ging, die Todesursache der Verstorbenen festzustellen. Ihr wacher Blick habe so manches Mal für einen Aha-Effekt gesorgt.
Die Würde der Verstorbenen gewahrt
Ein Teilbereich ihrer Arbeit bestand auch darin, Bestattern zur Hand zu gehen. Sie half beim Herrichten und Waschen der Leichen, beim Anziehen und Einsargen mit – und manches Mal wurden ihr auch diese Aufgaben vertrauensvoll übertragen. "Ich habe immer mit den Toten geredet, immer, und ihnen gesagt, was gerade passiert. Das ist meine Art", erzählt sie. "Mir war ihre Würde immer wichtig." Aber auch der einfühlsame Umgang mit den Hinterbliebenen, für die sie sich immer viel Zeit nahm, lag ihr am Herzen, insbesondere, wenn Kinder verstorben waren.
Den Schmerz der Angehörigen über einen solchen Verlust konnte sie in diesen Fällen nicht immer wie sonst abschütteln, wenn sie sich auf den Nachhauseweg machte. Aber sie fand für sich einen Weg, damit umzugehen. "Mein Glaube hat mir viel Halt und Stärke gegeben." Das ist auch heute noch so, wenn sie an dem Gesprächskreis "Lebendige Gemeinde" der katholischen Pfarrei in Otterberg teilnimmt, beim Offenen Singen der protestantischen Kirchengemeinde mitmacht, sich seit 2008 als Mitbegründerin der Otterberger Stube engagiert und zweimal im Monat am Friedensgebet teilnimmt.
Cherdron ist in ihrer Arbeit als Friedhofswärterin aufgegangen. "Mich hat das alles fasziniert", meint sie, "es hat mir Spaß gemacht und ich konnte gut mit den Leuten und den Trauernden umgehen." Noch heute geht sie gerne auf den Friedhof, besucht das Grab ihrer Mutter und ihres Bruders. Hier und da zupft sie Unkraut, recht oder gießt. Wenn sie ihren Blick über das Areal schweifen lässt, atmet sie tief durch und sagt: "Das hat jetzt richtig gut getan."
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Autor:Monika Klein aus Kaiserslautern |
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