Die Zukunft der Adipositasbehandlung
Interview mit Dr. Peter Jung - Infoveranstaltung im Januar

Dr. Peter Jung  Foto: Walter

Von Stepanie Walter

Landstuhl. Seit Anfang 2019 gibt es das Adipositaszentrum im Medizinischen Versorgungszentrum Westpfalz (MVZ). Dr. Peter Jung, Chefarzt am MVZ Westpfalz, hat mit dem Wochenblatt über die bisherige Arbeit des Zentrums und künftige Ziele gesprochen.

???: Ein Jahr ist nun vorbei. Wie wird das Adipositaszentrum von Betroffenen angenommen?

Jung: Die Nachfrage ist ungebrochen. Seit der Gründung unseres Adipositaszentrums haben wir 125 Patienten behandelt. Davon wurden 50 Betroffene operiert, 70 weitere befinden sich in Vorbehandlung oder werden konservativ betreut.

???: Gehört die konservative Therapie zu allen Behandlungen dazu?

Jung: Ja, absolut. Wir operieren nicht nur, sondern stellen die konservative Therapie, die sich aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie zusammensetzt, immer in den Vordergrund. Es ist wichtig, dass alle Patienten diese Therapie durchlaufen und auch nach der Operation intensiv betreut werden.

???: Wie sieht der Behandlungserfolg aus und wie schnell sind Patienten nach der Operation wieder fit?

Jung: Wir hatten seit der Gründung des Adipositaszentrums keine einzige Komplikation nach der Operation. In der Regel sind die Patienten bereits am vierten Tag nach der OP relativ beschwerdefrei und sehr glücklich mit dem Eingriff. Vor allem die Lebensqualität steigt enorm.

???: Wie lange wird ein Patient nach einer Operation betreut?

Jung: Dieser Prozess dauert ein Leben lang. Zwar nehmen die Patienten sofort ab und Begleiterkrankungen wie Diabetes, Herz- Kreislaufprobleme oder Schlaf-apnoe verringern sich, aber das Halten des Gewichtes ist nicht garantiert. Im Leben der Patienten ändert sich plötzlich sehr viel, da man das eigene Verhalten dauerhaft umstellen muss. Auch, wenn das im Körper schnell passiert, hängt der Kopf oft nach. Daher ist die Nachsorge mit psychologischer Betreuung und Verhaltensbegleitung auch so wichtig.

???: Zu dieser Nachsorge gehört ja auch die Adipositas-Selbsthilfegruppe, die kürzlich gegründet wurde. Wie hat sich diese entwickelt?

Jung: Die Selbsthilfegruppe hat sich sehr gut entwickelt und wird nun von einer betroffenen Patientin übernommen, die selbst operiert wurde. Es war uns sehr wichtig, dass die Selbsthilfegruppe unabhängig von unserer Praxis läuft. So sind die Betroffenen unter sich und haben die Freiheit, ihre Sitzungen selbst zu gestalten. Die Gruppe trifft sich jeden dritten Donnerstag im Monat um 18 Uhr im Konferenzraum im MVZ Westpfalz.

???: Derzeit bemerkt man, dass auch immer mehr junge Menschen ein Problem mit starkem Übergewicht haben. Trügt dieser Eindruck?

Jung: Nein, leider ist das Übergewicht bei Kindern ein ganz großes Problem. Das liegt in unserer Gesellschaft begründet, die viel sitzt und einen Überfluss an Lebensmitteln zur Verfügung hat, die dazu noch sehr günstig sind. In Deutschland sind zwei Millionen Kinder übergewichtig, davon leiden 800.000 an einer Adipositas. Genau hier wollen wir ansetzen und es ist eines unserer großen Ziele für das kommende Jahr, das Thema anzugehen, um dem Übergewicht bei Kindern entgegenzuwirken.

???: Wie kann hier der Weg aussehen?

Jung: Die Idee ist, eine Kooperation mit Kinderärzten, Schulen oder Kitas anzuregen und die Themen Ernährung und Bewegung für Kinder attraktiv zu machen. Dazu müssen viele Fachbereiche ins Boot geholt werden, ich denke hier auch an Vereine oder Ernährungstherapeuten. Auch die Eltern müssen unbedingt miteinbezogen werden, so setzen wir bei den Kindern früh an und erreichen auch übergewichtige Eltern. Ich glaube, so können wir in Landstuhl viel bewegen.

???: Gibt es noch weitere Neuerungen oder Ziele in der Adipositastherapie?

Jung: Die gibt es. Zum einen werden nun alle OPs zur Qualitätssicherung in das StuDoQ-Register der  Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie  (DGAV)  eingetragen. Ziel des Netzwerkes ist die qualitativ hochwertige Behandlung und Nachbehandlung für die Patienten, denn für das MVZ wird so auch die Qualität der eigenen Behandlung ersichtlich. Außerdem bilden wir derzeit eine Adipositaskoordinatorin aus.
Darüber hinaus möchten wir uns bis zum Jahr 2021 vom DGAV als Adipositas Kompetenzzentrum zertifizieren lassen. Damit wären wir erst das zweite in ganz Rheinland-Pfalz, da die Hürden für die Zertifizierung relativ hoch sind.

Infoveranstaltung für Patienten mit Übergewicht:

Am 13. Januar findet um 18 Uhr eine Infoveranstaltung für Patienten mit Übergewicht statt. Zum Einstieg wird Dr. Peter Jung über das Programm BMI 40+ sprechen. Im Anschluss widmet sich Ökotrophologin Eva Schmidt-Zöllner dem Bereich Ernährungstherapie und Adipositas-Chirurgie. Abschließend wird Dr. Mark Newman über die Bewegungstherapie und das Thema „Erfolgreich trainieren mit Übergewicht“ informieren.

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Autor:

Stephanie Walter aus Wochenblatt Kaiserslautern

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