Sänger bleiben nach 66 Jahren still

1989 nimmt der gemischte Chor am Bundesleistungssingen teil.  | Foto: Thorsten Backes
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Hauptstuhl. Wieder gibt ein Chor auf: Diesmal ist es der Gesangverein Hauptstuhl, der sich am kommenden Sonntag, 19. Januar, auflösen wird. Schriftführer Thorsten Backes hat die verbliebenen 43 Mitglieder zur Versammlung in das Gasthaus „Zum Ochsen“ eingeladen, wo ab 16 Uhr das Ende des 1959 gegründeten Vereins beschlossen wird. „Uns bleibt leider keine andere Wahl, unsere Sängerinnen und Sänger sterben weg – junge Leute sind nicht in Sicht“, berichtet Backes im Gespräch mit Wochenblatt-Redakteur Erik Stegner.

Neben dem hohen Altersdurchschnitt von über 80 Jahren ist es vor allem der fehlende Nachwuchs, der eine Liquidation des Gesangvereins unumgänglich macht. „Seit mehr als 20 Jahren sind keine neuen Leute mehr dazu gestoßen, stattdessen haben wir nur noch altersbedingte Abgänge zu verzeichnen“, berichtet Backes. Seit 2017 finden aus Altersgründen keine öffentlichen Auftritte mehr statt, bis zur Corona-Pandemie wurde aber weiter intern geübt. Danach sind neben der vierköpfigen Vorstandschaft, um den mittlerweile fast 90-jährigen Vorsitzenden Anton Heinz, nur noch vier Sänger zurückgekommen – zu wenig, um weiterzumachen.

Keiner will Verantwortung übernehmen

Backes selbst gehört mit 65 Jahren zu den jüngeren Semestern. 36 Jahre lang war er als Chorleiter beim GVH engagiert. Dem allgemeinen deutschen „Vereinsverdruss“ konnte auch er nicht trotzen: „Nicht nur die Chöre sterben in ganz Rheinland-Pfalz aus, weil sie keine Sänger und Mitglieder finden. Das gleiche Schicksal ereilt mittlerweile selbst die großen Sportvereine im ganzen Land, in der Vereinsführung will niemand mehr mit anpacken. "Auch bei uns hat sich dafür niemand gefunden“, weiß er.

In den 1960er, 1970er und 1980er Jahren seien die jungen Menschen den Vereinen noch beigetreten, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und sich in ihrem Dorf einzubringen. Dieses Verhalten und auch die Verwurzelung zur Region lassen seit Jahrzehnten Stück für Stück nach. „Die Interessen haben sich grundlegend gewandelt – das ist eine ganz traurige Entwicklung“, stellt Backes fest.

Mit 80 Sängern beim Bundesleistungssingen

Zu Hoch-Zeiten des Gesangvereins Hauptstuhl Mitte bis Ende der 1980er Jahre sah das noch anders aus. Mit mehr als 80 Frauen und Männern präsentierte sich der gemischte Chor 1989 beispielsweise beim Bundesleistungssingen. Die Mitgliederzahl betrug zu diesem Zeitpunkt weit über 100 Mitglieder, die Sänger waren in Hauptstuhl eine Institution. Es wurde bei Konzerten und Liederabenden im Landkreis und über die Region hinaus gesungen und im Schulhaus, Gaststätten und am Schluss in einem Raum des ehemaligen katholischen Pfarrheims fleißig geprobt. 1959 fand im ersten Schritt die Gründung eines Männerchors statt, dem in den 1960er Jahren ein Frauenchor und 1970 der Zusammenschluss beider Chöre zu einem gemischten Chor folgte, erklärt Backes.

Dass es nun zur Vereinsauflösung kommt, sei eine logische Konsequenz der Überalterung, aber auch der Vereinssatzung geschuldet. Diese sehe vor, dass, wenn der Vereinszweck mit öffentlichen Auftritten nicht erfüllt werden kann, auch keine Mitgliedsbeiträge verlangt werden dürfen.

Versammlung trifft Auflösungsbeschluss

Um aufgrund der fortlaufenden und anstehenden Kosten nicht in eine Insolvenz zu geraten, muss laut Satzung bei der Mitgliederversammlung ein Auflösungsbeschluss erfolgen, der die Wahl und Bestellung von Liquidatoren beinhaltet - "also Personen, die die Auflösung organisieren", erklärt Backes. Zudem sieht die Satzung vor, dass alle noch vorhandenen finanziellen und Sachmittel der Gemeinde Hauptstuhl zufließen und dort für kulturelle Zwecke eingesetzt werden. "So wie es aussieht, werden das so 3000 Euro und das vereinseigene Klavier sein, je nachdem, was noch an nicht vorhersehbaren Kosten an dem finanziellen Betrag abgeht", berichtet Backes.

Nicht zu vergessen sei auch noch das wertvollste Exemplar, das der Verein besitzt: nämlich die Vereinsfahne, die aus dem Jahr 1909 stammt und vor nicht allzu langer Zeit rundumerneuert wurde. Also genau genommen reichen die Wurzeln der Hauptstuhler Sänger sogar 116 Jahre zurück, deren Engagement ab 1933 - nach der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler und den dadurch folgenden gesellschaftlichen Veränderungen sowie den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) - bis zur Neugründung 1959 rund 26 Jahre lang unterbrochen wurde. est

Autor:

Erik Stegner aus Landstuhl

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