Gastronomie und Einzelhandel in der Corona-Krise
Zwischen Ärger, Frust und Hoffnung
Von Tim Altschuck
Landstuhl/Ramstein-Miesenbach. Elf Wochen des zweiten Lockdowns sind inzwischen vergangen − elf Wochen, in denen Gastronomie und Einzelhandel erneut um ihre Existenz kämpfen mussten. Und das, obwohl im Sommer umfassende Hygienekonzepte entwickelt wurden, um den Betrieb zumindest etwas aufrechtzuerhalten. Dies wurde nicht belohnt, die Geschäfte wurden erneut geschlossen. Hinzu kommen bürokratische Probleme bei der Beantragung und Auszahlungen der Coronahilfen. Ärger und Frust machen sich breit. Einzig die Solidarität und Treue vieler Kunden lässt die meisten Inhaber nach vorne schauen.
„Die Gastronomie machte als erstes zu und als letztes wieder auf. Wir fallen durchs Raster“, ärgert sich Jürgen Schuff vom „Bistro Maxi“ in Ramstein. Seit elf Wochen ist sein Restaurant geschlossen.
„Bürokratischer Drahtseilakt mit großem Aufwand“
„Wir haben uns gegen einen Lieferservice entschieden“, erklärt Jürgen Schuff. Es gebe in Ramstein so viele Betriebe, die sich seit Jahrzehnten auf Homeservice spezialisiert hätten. Dagegen anzukämpfen habe wenig Sinn. „Zumal der Kuchen bei dem Angebot ohnehin schon klein ist. Die Stücke würden so noch kleiner“, findet Schuff. Seine Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Das Problem: die Beantragung und Auszahlung der Coronahilfen. „Das ist ein bürokratischer Drahtseilakt mit großem Aufwand, bei dem vieles nur über den Steuerberater läuft. Andere profitieren also mehr“, erzählt er.
Genau das ärgert auch Salvatore Cali, den Inhaber der „Trattoria da Salvatore“ in Landstuhl. Für die erste beantragte Hilfe sei nur die Hälfte dessen ausgezahlt worden, was eigentlich hätte ausgezahlt werden sollen. Warum das Geld noch nicht da ist, wurde bislang nicht mitgeteilt „Für Januar und Februar kam noch gar nichts“, klagt er. Zumindest auf seine Stammkundschaft ist Verlass. Sein Heimservice mit Abhol- und Lieferdienst werde gut angenommen. „Danke an alle, die uns seit drei Monaten unterstützen“, sagt Cali.
Hilfe ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein
Auch im Einzelhandel macht sich der Frust breit. „La Donna Dessous“ in Ramstein feiert im Oktober eigentlich 30. Geburtstag. Doch Inhaberin Manuela Keller ist sauer: „Nebenan dürfen bis zu 64 Leute in die Drogerie, während wir auf 440 Quadratmetern nicht mal eine Person reinlassen durften. Das ist deprimierend.“ Besonders ärgerlich für sie: „In Lebensmittelmärkten oder Drogeriegeschäften gibt es mittlerweile Kleidung aller Art im Angebot. Für Einzelhändler ist das der blanke Hohn.“ Während der vergangenen Wochen bot sie einen Bestellservice über E-Mail, Facebook, Instagram und Whatsapp an, auch eine telefonische Beratung war möglich: „Ich sitze täglich morgens bis abends im Laden und versuche das so abzufangen.“
Im ersten Shutdown, erzählt sie, habe sie noch private Ersparnisse gehabt. Deshalb habe es damals keine Hilfe vom Staat gegeben. Über Sommer habe sie mit ihrem Team dann alles getan, um das Geschäft zu öffnen: „Spuckschutz, markierte Wege, Desinfektionsmittel – das war mehr als manch anderer gemacht hat“, ärgert sich Manuela Keller. Jetzt habe sie das Überbrückungsgeld II beantragt und wartet ab, was dabei herauskommt. „Egal wie viel kommt, es wird ein Tropfen auf den heißen Stein“, denkt sie. Sie stellt sich vor allem aber die Frage, wie es nach der Pandemie weitergehen soll. Denn ob die Kaufkraft bei den Kunden dann noch gegeben ist, sei für sie fraglich.
„Die Luft ist aktuellganz dünn“
„Der Laden ist mein Leben, hier bin ich aufgewachsen“, erzählt Christian Nikl, der Inhaber der Goldschmiede Nikl in Ramstein. Das sei es, was ihn umtreibt. „Was wäre, wenn? Was passiert mit den Angestellten? Was mache ich? Die Luft ist aktuell ganz dünn“, sagt er. Im Vergleich zu anderen sei es bei ihm zwar mit den Hilfen vom Staat bislang reibungslos abgelaufen, doch auch er sorgt sich um sein Geschäft. Durch Reparatur- und Werkstattbetrieb sei es „noch erträglich“, dafür liege der Verkauf bei null.
Auch seine Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Er denke schon länger über einen Onlinehandel nach, doch gerade in seiner Branche sei das schwierig. „Wir würden dafür sogar finanzielle Hilfe bekommen, das ist ja das Paradoxe. Sie wäre woanders viel angebrachter“, findet Christian Nikl. Er ist froh, dass er wieder öffnen darf, gleichzeitig aber auch skeptisch über die Termingestaltung: „Ein Trauring-Gespräch ist ja nicht so planbar wie ein Friseurtermin. Da weiß ich im Vorfeld nicht, wie lange es ungefähr dauert.“
Durch „click & collect“ mit "blauem Auge" davon gekommen
Dass zumindest nach Termin eingekauft werden darf, macht Ursula Hellriegel Hoffnung. Aufgrund der fehlenden Reisen war das Koffergeschäft bei „Trend Lederwaren Landstuhl“ schon im vergangenen Sommer schlecht. Allerdings habe sie nun schon 20 Terminanfragen in nächster Zeit, hauptsächlich für Schulranzen. Die Schulranzen seien auch über ihr Online-Angebot am besten per „click & collect“ gegangen. „Dadurch könnte man sagen, ich bin mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt sie. Für 2020 konnte sie keine Hilfe beantragen, für die vergangenen Monate Dezember, Januar und Februar aber schon. Nun schaut Ursula Hellriegel hoffnungsvoll nach vorne: „Es ist schön, wenn einem das Vertrauen weiterhin von den Kunden entgegengebracht wird. Sie wollen das Einkaufserlebnis, einen Tapetenwechsel, nach dieser langen Zeit. Wir freuen uns.“ Sie ist aber auch ihrem Vermieter dankbar: „Er kam uns bei der Miete entgegen, das ist bei vielen nicht selbstverständlich.“
„Sehr solidarische und treue Kunden“
Ähnlich geht es Anja Gute von „Anjas Kreativwelt“ in Landstuhl. Zum einen konnte sie auf eine „tolle Stammkundschaft“ vertrauen, zum anderen kam auch hier der Vermieter entgegen. Sie musste bislang keinen Antrag auf Coronahilfe stellen und will erst einmal abwarten. „Der Antrag kann ja bis Juni gestellt werden“, sagt sie und ergänzt: „Ich hätte den Verlust jetzt schon von Januar bis Juni angeben müssen und das ist nicht möglich.“ Sie setzte täglich neue Artikel auf Facebook und konnte so einiges über die Abholstation verkaufen. Dennoch werde es auch für sie Zeit, dass die Normalität wieder Einzug hält. „Ich weiß von jemandem, der nach den Berechnungen der Coronahilfe 300 Euro im Monat bekam. Man hat die ganze Zeit keine Misswirtschaft betrieben und mit maximalem Aufwand sein Geschäft am Laufen gehalten, und dann das“, ärgert sich Anja Gute.
„Zum Glück war ich nicht in der Situation gewesen, dass ich solche Hilfen hätte beantragen müssen“, sagt Doris Koch. In dieser Zeit habe sie mit ihrer Buchhandlung in Ramstein auf „sehr solidarische und treue Kunden“ zählen können. Das sei sehr wohltuend gewesen und sie sei froh und dankbar dafür. „Wir haben auch Einbußen, klar. Aber wenn ich mir die Restaurantbranche anschaue, frage ich mich, wie manche Gastronomen im Moment noch ruhig schlafen können“, bedauert sie. uck
Autor:Tim Altschuck aus Kaiserslautern |
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