Ist das Waldhof oder kann das weg?
Die Pauluskirche

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Ist das Waldhof oder kann das weg? – Die Pauluskirche
(BT) Das Interesse war groß, größer als erwartet, als sich an diesem lauen Abend zum Frühlingsanfang ca. 100 Personen in der Pauluskirche einfanden, viele aus Politik, aus Kultur und Kirchenleben, Gemeindemitglieder und Freunde der Pauluskirche, um sich gemeinsam auf die Suche nach einer verantwortlichen, für alle Beteiligten tragbaren Entwicklung für die Pauluskirche und für den Standort am Taunusplatz Mannheim-Waldhof zu machen. Gegensätzlicher konnten die Positionen an diesem Abend nicht sein. Auf der einen Seite standen Ralf Hartmann, Dekan der evangelischen Kirche in Mannheim (EKMA) und Daniel Koch, Leiter der Abteilung Bau und Instandsetzung der EKMA. Auf der anderen Seite saß der neue gegründete Förderverein Pauluskirche und die betroffenen zum Teil zutiefst traurigen Gemeindemitglieder, denen die Schließung ihrer spirituellen Heimat droht.
Fakt ist, so Hartmann, dass durch Synodenbeschluss im Jahre 2019 ein Masterplan für die 32 bestehenden evangelischen Kirchen in Mannheim erstellt wurde, der aufgrund kontinuierlicher sinkender Mitgliederzahlen und damit einhergehender sinkender Steuereinnahmen und gleichzeitig zusätzlich steigender Kosten in Bau-, Erhaltungs- und Bewirtungskosten über immer begrenzteren finanziellen Spielraum verfüge. Auch aufgrund gleichzeitiger Ablehnung von neuen Schulden als unanständige Alternative folgenden Generationen gegenüber, erfolgte seinerzeit eine Priorisierung der Kirchengebäude in erhaltenswert (12 Kirchen), bedingt erhaltenswert (7 Kirchen) und nicht erhaltenswert (13 Kirchen), um die noch vorhandenen finanziellen Mittel zielgerichtet für den langfristigen Erhalt der verbleibenden 12 Kirchen einsetzen zu können, so hart wie dieser Schritt auch sei. Punkt! Für die Pauluskirche gelte, dass für sie von allen betroffenen Kirchen der größte Sanierungsstau bestehe und sie deshalb ganz oben auf der Liste stehe. Daniel Koch untermauerte mit anschaulichen Bildern die von Weitem nicht sichtbare marode Bausubstanz, ausgeschwemmten Baufugen im Bundsandstein, entstandene Setzungsrisse am Dach durch Schwankungsbewegungen, deren Beseitigung (nur Dach und Fach, also nur Außenfassade) nicht wegzudiskutierende Sanierungskosten in Höhe von ca. 2 Mio. Euro verursachen würden, die einfach nicht vorhanden seien. Wegen der stark gestiegenen Baukosten der letzten Jahre, so ergänzte Koch, seien die im Jahre 2019 veranschlagten Kosten seit Synodenbeschluss 2019 bis heute um fast 40% gestiegen.
Gleichzeitig ist es jedoch auch der Wunsch der EKMA, so Hartmann, das Gebäude in irgendeiner Weise erhalten zu können, damit es auch weiterhin zum Nutzen der Stadtgesellschaft und des Stadtteils diene. Angedacht sei hier sowieso auch die mögliche Überlassung des Grundstückes in Erbpacht. Soweit die Sichtweise der EKMA.
Auf der anderen Seite wurde jedoch sehr stark deutlich, dass dieser angekündigte „harte Schritt“ für manche Gläubigen aber auch ein Hieb in die Magengrube bedeutete, wie an diesem emotionalen Abend sehr deutlich wurde, bedeutet er doch nicht zuletzt der drohende Verlust der spirituellen Heimat und eines intakten Gemeindelebens. Alleine in der Aussage „Ist das Waldhof, oder kann das weg?“ ballte sich die ganze Bitterkeit und Verärgerung in der Präsentation des Fördervereins, der gemeinsam mit den anderen Förderkreismitgliedern, zusammensetzt aus Mitgliedern verschiedener gesellschaftlicher Kreise, die große Bedeutung der Pauluskirche für den gesamten Stadtteil sowie Visionen für eine weitere sinnerhaltende Nutzung ausgearbeitet hatte.
Mitglieder des Fördervereins sind neben Frank Mayer (Mitglied des Ältestenkreises), der durch die Präsentation führte, auch Waltraud Esser (Vorsitzende und seit 40 Jahren im Ältestenkreis), Stefan Wolf und Rainer Eder (beide im Senatsvorstand des unmittelbar benachbarten Fasnachtsvereines (CCW), Christl Hörr-Nusselt von der Geschichtswerkstatt Käfertal- Gartenstadt, Klaus Schillinger (Waldhofurgestein, Stadtteilexperte und Gemeindemitglied) sowie Barbara Waldkirch (Buchverlegerin aus Feudenheim, vielfach ausgezeichnete Ordensträgerin und seinerzeit engagiert für den Erhalt der Feudenheimer Epiphanias Kirche durch eine Umwandlung in einen vereinsgetragene Kulturkirche).
Alleine die bewegende Geschichte der Pauluskirche von der Umsiedelung von ihrem ursprünglichen Standplatz in der Neckarstadt-West (heute Lutherkirche) an den Taunusplatz, nur wenige Schritte von der katholischen Schwesterkirche St. Franziskus schräg gegenüber entfernt, und mitten in ein von den dort angesiedelten Industrien geprägten Arbeitermilieu, über die Zerstörung durch einen verheerenden Bombenangriff im Jahre 1943 und hingenommene bauliche Abstriche beim Wiederaufbau, die über Jahrzehnte intensive Nutzung als gutbesuchte Pfarrgemeinde, bis zum gebrochenen Versprechen der EKMA auf Sanierung der bereits damals bekannten maroden äußeren Bausubstanz im Schicksalsjahr 2005, als die Pauluskirche zur vielversprechenden „Jugendkirche“ umfunktioniert wurde und Heimat wurde für zahllose bunte Jugendevents, macht die Kirche zu etwas Besonderem.
Die Pauluskirche am Taunusplatz ist allein durch seine Lage absolut stadtbildprägend, eine extra berücksichtigte Sichtachse vom Hanauer Platz aus mit freiem Blick zur Pauluskirche macht sie zum sakralen Wahrzeichen von Waldhof-Ost und gehört damit wahrlich zur Identitätsbildung dieses Stadtteils. Selbst die in den Wintermonaten Nutzung als Kindervesperkirche für bedürftige Kinder, übrigens ein absolutes Leuchtturmprojekt der EKMA über viele Jahre hinweg, gar mit überregionalem Interesse, ist es der EKMA nicht wert, über einen Erhalt dieser Kirche auch nur nachzudenken. Ein weiterer Vorwurf des Fördervereins gerichtet an die EKMA ist die eindeutige Benachteiligung des Stadtteils Waldhof bei der synodalen Entscheidung, wurde doch die unweit gelegene Gethsemanekirche erst September 2024 geschlossen und auch der Erhalt der Gnadenkirche steht auf wackligen Füßen. Eine eigentlich von einer christlichen Kirche zu erwartenden Rücksichtnahme im Entscheidungsfindungsprozess auf mobilitätseingeschränkte Gemeindemitglieder oder Familien – Fehlanzeige.
Neben dem Vorschlag des Fördervereines, wenigstens auf die veranschlagte Erbpacht zu verzichten oder den Vorschlag, die Möglichkeit, die entstehenden Sanierungen und dadurch entstehenden Sanierungskosten auf mehrere Jahre zu verteilen, in Erwägung zu ziehen, wurden von Herrn Hartmann abgelehnt. Aber auch die Möglichkeit der Akquisition von Denkmalschutzmitteln, die etwaige Möglichkeit, sich Unterstützung aus der Politik zu holen oder die Suche nach anderweitiger Unterstützung durch etwaige Großspender wurden angedacht, um eine eventuelle Sanierung aus eigener Macht stemmen zu können.
Neben der Betonung des Fördervereins, dass der sakrale Raumcharakter mit Kreuz und Altar für die weitere Durchführung von Gottesdienste erhalten bleiben müsse, war die vorgeschlagene Bandbreite der weiteren profanen Nutzung des Raumes sehr breit angelegt, sei es als Kulturkirche offen für Konzerte, Tanzveranstaltungen, Theater, Lesungen oder ähnliches oder gar auch die Nutzung als Übungsraum des CCW, der die totale Überbelegung des hinter der Pauluskirche gelegenen Kulturhauses anmahnte.
Weitere Wortmeldungen aus dem Publikum wiesen auf eine eventuelle, jedoch von Hartmann eindeutig negierte, Hilfestellung und Zusammenarbeit mit der Stiftung „Pflege Schönau“ hin, weiterhin wurde ein Besucher, der sich auf das „Maulbronner Mandat“ des ev.Kirchbautages 2005, das Kirchengebäude als „Seelen, Gedächtnis und Gewissen und damit als unaufgebbares Kulturgut der Allgemeinheit“ deklarierte, berief, von Hartmann noch einmal unmissverständlich auf die unverrückbare Notwendigkeit der vorgesehenen Schließung verwiesen . Ein Wortbeitrag brachte auch eine etwaige Kooperation mit der benachbarten Franziskuskirche ins Gespräch wie gerade in Käfertal-Süd praktiziert zwischen der von katholischer Seite aufgegebenen Kirche St. Hildegard mit der benachbarten ev. Philippuskirche.
Bevor Herr Hartmann den Informationsabend mit Verweis auf die vorgerückte Stunde schloss mit seinem Fazit, man solle sich überlegen, wie viel Energie man noch in das „Festhalten“ stecken wolle, brachte es Barbara Waldkirch noch einmal auf den Punkt, dass Kirchen mit ihrem Kreuz als prägendes Symbol Zeugnisse christlicher Kultur sein und dass wir zusammen uns auf dieser Grundlage darauf besinnen sollten, dass nur durch das gemeinsame Suchen und Finden von Kompromissen, was eventuell auch weh tun kann, eine für alle tragbare Lösung gefunden werden könne.
Text und Bilder : Beate Tilg
Autor:Wolfgang Neuberth aus Mannheim-Nord |
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