Interessantes von und mit Volker Schläfer
1973: Ein ereignisreiches Jahr in Kommunalpolitik, Schule, Kultur, Sport und Gewerbe

Der Lokalbahnhof 1971 | Foto: Gemeindearchiv Mutterstadt
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  • Der Lokalbahnhof 1971
  • Foto: Gemeindearchiv Mutterstadt
  • hochgeladen von Michael Hemberger

Blickt man fünfzig Jahre zurück in die Mutterstadter Ortsgeschichte, in das Jahr 1973, stellt man fest, dass es ein ereignisreiches Jahr in den verschiedensten Bereichen des örtlichen Gemeindelebens war.

Die wichtigste Entscheidung war dabei zweifelsohne die Wahl eines neuen Bürgermeisters, nachdem der damalige Amtsinhaber (und SPD-Landtagsabgeordnete) Hermann Belzner nach 13-jähriger Tätigkeit als hauptamtlicher Geschäftsführer zum Städtetag Rheinland-Pfalz nach Mainz wechselte. Am 30. Oktober fand die Wahl seines Nachfolgers im vollbesetzten Saal im Johann-Wilhelm-Emmerich-Haus statt (damals gab es noch keine Urwahl). Die SPD-Fraktion (10 Sitze) schlug dafür den Postoberamtmann Herbert Bartels aus Speyer vor, von der CDU-Fraktion (9 Sitze) wurde der geschäftsleitende Beamte der Verwaltung, Amtsrat Herbert Maurer, vorgeschlagen. Das für viele dann (nicht für Insider) überraschende Ergebnis: Mit 10 zu 9 Stimmen gewann der 44-jährige Maurer (bei der Wahl noch SPD-Mitglied) die Abstimmung und war somit für 10 Jahre zum neuen Bürgermeister gewählt. Seine Amtseinführung fand am 06. November 1973 im Pfarrer-Fuchs-Haus statt.

Ende des Jahres trafen sich kommunalpolitisch interessierte Bürger um über die Gründung einer Wählergruppe zu beraten, auch als Folge der Ereignisse rund um diese Bürgermeisterwahl. Das Ergebnis: Die Wählergruppe Arenz (später dann FWG) trat 1974 als neue politische Gruppe zur Gemeinderatswahl an. Auch der neue Bürgermeister schloss sich der Wählergruppe an.

Das Jahr 1973 brachte aber auch in vielen anderen Bereichen neues und wegweisendes für die Zukunft Mutterstadts: Im November wurde mit einer Sportschau von Gemeinde und Kreis die neue Rundsporthalle, eine von wenigen Sporthallen dieses Typs in Deutschland, am Schulzentrum eingeweiht; der Kreis entscheidet, dass beim Kreishallenbad ein Freibad gebaut wird und in der neuen DRK-Leitstelle in der Speyerer Straße wird der erste Rettungswagen im Landkreis stationiert. Die Landwirte begrüßen die Entscheidung, dass die Gemarkung jetzt auch an die Großberegnung angeschlossen wird (Aufgabe der Brunnenberegnung). Der Wasserzweckverband nimmt sein neues Wasserwerk, gegenüber dem Hallenbad, in Betrieb und sichert so die Trinkwasserversorgung des Verbandes, insbesondere für Mutterstadt. Die Kreissparkasse begeht ihr 120-jähriges Bestehen, die 1853 als „Hülfskasse“ in Mutterstadt gegründet wurde. Der MGV „Frohsinn“, seinerzeit einer der größten Männerchöre im Landkreis, feiert sein 100-jähriges Jubiläum, der Geflügelzucht- und Vogelschutzverein wird 50 und der CVJM 25 Jahre alt und das Postamt in der Ludwigshafener Straße besteht seit 125 Jahren. Raiffeisen-Direktor Erich Bechberger wird 60. und ist seit 25 Jahre Leiter der Mutterstadter Bank, die in dieser Zeit die Bilanzsumme von 3 auf 60 Millionen gesteigert hat. Die protestantische. Kirchengemeinde beschließt den Bau eines Gemeindezentrums im Neubaugebiet Blockfeld mit mit Kindergarten und Pfarrhaus.

In der Ortspolitik wird in öffentlichen Diskussionen die Frage erörtert, ob und wenn ja wie, der Jugend eine Freizeit-(Begegnungsstätte) angeboten werden kann (kommt 1977 in die Neue Pforte) und Nahverkehrsexperten erörtern die Möglichkeit

der Realisierung einer Stadtbahnverbindung von Ludwigshafen über Mutterstadt nach Neustadt, ähnlich der Rhein-Haardt-Bahn, (jetzt, fünfzig Jahre später, wieder aktuell mit einer Machbarkeitsstudie für eine Straßenbahnverbindung). Die frühere Lokalbahn (von 1890 bis 1955) „verschwindet“ jetzt endgültig aus dem Ortsbild, nachdem beschlossen wurde, das Gebäude des ehemaligen Lokalbahnhofs in Ortsmitte (zuletzt als Gemeindebücherei genutzt) abzureißen für den geplanten Neubau des Gemeindezentrums (seit 1977 Neue Pforte). Für das Gelände in Ortsmitte gibt es einen Architektenwettbewerb „für ein Gebäude der öffentlichen Einrichtungen“ (Neue Pforte) und es fällt die Entscheidung, dass die ehemalige Mälzerei Bürgerbräu abgerissen und eine Gewerbe-/Wohnanlage gebaut wird. Auf dem Segelflugplatz in Dannstadt wird ein Flugzeug auf den Namen „Mutterstadt“ getauft, Gemeinde und Gartenbauverein führen die Aktion „Ortsverschönerung“ durch und der Aussiedlerhof von Richard Biebinger erhält bei der landesweiten Aktion „Unser Dorf soll schöner werden“ für sein Vorgarten-/Freizeitgelände an der Ruchheimer Straße den Ehrenpreis des Landkreises. Sportlich sind die Gewichtheber mal wieder die besten Deutschlands mit dem 9. Titelgewinn als Mannschaftsmeister und, rechnet man die Titel und Rekorde von Jugend bis Aktive, 1973 bundesweit einer der erfolgreichsten Sportvereine überhaupt. In der Gastwirtschaft „Zum Feldschlößchen“ in der Speyerer Straße werden zwei neue Kegelbahnen eingeweiht und die FG 08 feiert den Aufstieg in die 2. Amateurliga. Im Alhambra-Kino in der Fußgönheimer Straße werden wöchentlich abwechselnde Filme gezeigt und das örtliche Volksbildungswerk bietet für Eltern Kurse an, um sich über das neue Mathematikangebot „Mengenlehre“zu informieren. Die Realschule im Blockfeld begründet eine Partnerschaft mit der CEG im französischen Pacy-Sur-Eure. Der Gewerbeverein übergibt der Gemeinde einen Betrag von 5.070 DM für soziale Zwecke aus dem Erlös der Aktion „Wir helfen“, die in den 8 Jahren ihres Bestehens 34.560 DM eingebracht hat.

Die Gemeinde wirbt im „Echo“ für die Mutterstadter Kerwe im August mit „gut besetzter Messplatz, Tanzveranstaltungen in Gaststätten, bürgerliche Lokalitäten, zahlreiche Frühschoppen“. Aus dem Bereich Gewerbe und Handel gibt es interessante Informationen über heute nicht mehr bestehende Betriebe: Im Gewerbegebiet erweitert die Firma Esbella (später real) ihre Verkaufsfläche auf 15.000 m², die Bananenreiferei Bohland und die Schreinerei Schigiol suchen Arbeitskräfte. Werbeanzeigen liest man auch von örtlichen Geschäften, die nicht mehr existieren: u.a. von den Einkaufsläden co-op und Schreiber, dem Raiffeisen-Lagerhaus, von Früchtehaus Müller, Textilhaus Hellmann, Spielwaren-Weinacht, Goldwaren Verba, Handarbeitsladen Butterfass, Bäckereien Meyder, Rothaug und Hammel, Elektrogeschäft Böspflug & Müller, Farbengeschäft Flamuco, Textilhaus Lutz, Uhren Riesterer, Elektro Nicklas, Buchhandlung Reiger, Möbelhaus Defren, Fliesenleger Pirwitz, Gipsergeschäft Römer, Spenglerei Husman, Autowerkstatt Langenwalter, die Gaststätten „Pfälzer Hof“, „Harmonie“, „Zum Löwen“ und von der Tanzschule Richter. Das Notariat gibt die Diensträume in der Friedrich-Ebert-Straße auf (werden von dem Kinderarzt Dr. W. Küstermann übernommen) und zieht in einen Neubau in der Neustadter Straße.

Während der Frühkartoffel-Kampagne der Mutterstadter Landwirte werden auf dem Messplatz täglich bis zu 5.000 Zentner Frühkartoffeln verladen und Sortiermaschinen, Förderbänder, Traktoren und LKW´s beherrschen die Szene. Die Lieferungen gehen in die gesamte Republik, aber auch nach Westberlin.

Das alles steht in der Mutterstadter Wochenzeitung „das Echo“, herausgegeben vom Verlag-Druckerei Emil Hartmann in der Ludwigshafener Str. 14; die Schriftleitung und Redaktion lag bei Rektor Dieter Birke, damals waren auch Ewald Ledig, Volker Schläfer und Walter Storck freie Mitarbeiter für die Zeitung, in der auch die amtlichen Bekanntmachungen der Gemeinde veröffentlicht wurden (bis 1975, dann gibt die Gemeinde das AMTSBLATT heraus).

Text: Volker Schläfer

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Autor:

Michael Hemberger aus Mutterstadt

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