Die neue Nummer 636 in Deutschland
Mutterstadt ist Fairtrade Gemeinde
„My fair Ladies & Gentleman“, so begrüßte Fairtrade Ehrenbotschafter Manfred Holz von TransFair e.V./Köln die Mutterstadter Bürger bei der feierlichen Übergabe der Anerkennungsurkunde, durch die Mutterstadt am 24.9. ganz offiziell zur Fairtrade-Gemeinde wurde. Diesen Titel bekommt man, wie Herr Holz betonte, aber auf keinen Fall geschenkt. Weltweit gelten die gleichen fünf Kriterien, die als Voraussetzung erfüllt sein müssen.
Mutterstadt machte sich 2016 durch einen Impuls der örtlichen Initiative „Eine Welt“ auf den Weg. Die erste Hürde war ein Ratsbeschluss, der am 24.10.2017 gefasst wurde. Als nächstes folgte die Gründung einer Steuerungsgruppe. Dieser gehören Vertreter aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in Mutterstadt an (derzeitig Christa Scheid, Weltladen- und Gruppensprecherin; Klaus Lenz, 2. Beigeordneter der Gemeinde; Rüdiger Geib, Vertreter der Gemeindeverwaltung; Elke Nies, prot. Kirchengemeinde, Bernd Mikoteit, ev. Freikirche e.V.; Eva Heyder, kath. Kirchengemeinde; Andreas Wittig, IGS; Esma Schneider, Gewerbeverein; Walter Altvater, Bündnis 90/Grüne; Thomas Magin, interessierter Bürger).
Weitere Aufgaben bestanden drin, Produkte aus fairem Handel bei örtlichen Einzelhändlern und Gastronomiebetrieben zu etablieren. Im Weltladen selbst, sowie bei real, Rewe, Aldi und Lidl befindet sich mittlerweile eine breite Auswahl fair gehandelter Produkte im Sortiment, einige ausgewählte auf der Speisekarte des Palatinum-Restaurants, im La Bohème und im Jägerhof. Die evangelische, katholische und ev. freie Gemeinde, die IGS Mutterstadt und die Blaskapelle Mutterstadt (vertreten durch Peter Reinartz) haben sich ebenso wie die Gemeinde Mutterstadt zum Ausschank von fair gehandeltem Kaffee verpflichtet, weiterhin zu regelmäßigen Bildungsaktivitäten innerhalb der Bevölkerung.
Eine begleitende Berichterstattung über das Bewerbungsverfahren in den verschiedensten Medien vervollständigte schließlich das Anforderungsprofil. Mutterstadt meisterte es mit Bravour. Doch ein solches Siegel bedeutet auch darüber hinaus gehende Verantwortung. Wichtige Ziele sollten beispielsweise sein, weltweit verfassungs- und menschenrechtlich vorgesehene gleiche und angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen und die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten.
„Mit dieser Auszeichnung als Fairtrade-Gemeinde wollen wir uns ausdrücklich dazu bekennen und unsere Verantwortung als Kommune wahrnehmen“ verspricht Bürgermeister Hans-Dieter Schneider in seiner Rede anlässlich der Feierlichkeiten. Seit dem 14. Mai dieses Jahres besteht auch der Beschluss zur Einhaltung der Inhalte ILO- Konvention, das heißt, keine Produkte aus Kinderarbeit zu akzeptieren. „Mit offiziellem Rückhalt gehen wir damit den Weg weiter, als Kommune Verantwortung für die Lebensbedingungen der Menschen, gerade auch der nachfolgenden Generationen, zu zeigen“, betonte Schneider und zeigte auch auf, was der Einzelne dafür tun kann: Fair, saisonal, regional und nach Möglichkeit auch biologisch einkaufen!
Das schließt natürlich auch die vor der Haustür erzeugten Produkte mit ein. Nur so lassen sich langfristig soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und ökologische Nachhaltigkeit gewährleisten. Da in zwei Jahren eine Neuzertifizierung ansteht, muss die Urkunde als Motivation und Verpflichtung angesehen werden, sich auch weiterhin dem Thema „Fairer Handel“ zu verschreiben und auch zukünftig konkrete Aktionen durchzuführen, die die Welt ein Stück weit menschlicher und gerechter machen.
„Ohne Aktionen bleiben nämlich Visionen Illusionen“, gibt auch Fairtrade-Botschafter Manfred Holz zu bedenken. Vom Engagement in Mutterstadt war er jedoch sehr beeindruckt. Seine Aussage „Es tut gut zu wissen, dass zahlreiche Menschen die Idee des fairen Handels so tatkräftig umsetzen“ bestätigte dies.
Auch das Sortiment und die Präsentation des Weltladens im Foyer des Rathauses fanden sein Lob. Dort gab es nicht nur Kaffee, Tee, Schokolade, Nüsse und Snacks, sondern auch Kleidung und Accessoires zum Kaufen, Anschauen und Probieren. „Jede gute Eine Welt Arbeit kann zu einem festen Bestandteil des Profils und Image einer Kommune werden. Mutterstadt ist da richtig gut dabei“, so Holz‘ abschließendes Urteil.
Als 34. Gemeinde in Rheinland-Pfalz und Nummer 636 in Deutschland ist Mutterstadt nun in der Champions League der „Fairtrade Towns“ zusammen mit Amsterdam, Brüssel, London, Madrid, Paris, Rom, Dortmund und München. Daran, dass man nur in dieser Liga bleibt, wenn man seine Spiele gewinnt, erinnerte Landrat Clemens Körner in seinem Grußwort und äußert seinen Wunsch, dass Mutterstadt auch in zwei Jahren noch ganz oben mit-spielen wird.
Musikalisch feierlich untermalt wurde die Urkundenübergabe durch die Beiträge zweier junger Damen des 1. Handharmonikaclubs Mutterstadt, Saskia Langohr und Katharina Köpp.
Außerdem rundete eine Modenschau durch die Boutique „Outtfit“ das Programm ab. Betreiberin Esma Schneider zeigte, dass bekannte Modelabels durch Anteile fair gehandelter Baumwolle in ihren Kollektionen Schritte in die richtige Richtung machen.
Jeder kleine Schritt zählt, um das Bewusstsein in der Bevölkerung zu verankern. Damit auch die kommunale Beschaffung in Zukunft nachhaltiger und fairer gestaltet werden kann, wurden Mitglieder der Gemeindespitze und des Gemeinderates durch Dr. Stefan Dietrich von ELAN (Entwicklungspolitisches Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz) in einem Vortrag über „Nachhaltig ökosoziale Beschaffung in den Kommunen“ informiert.
Eingebettet war die Anerkennungsfeier in eine Reihe von Veranstaltungen anlässlich der Fairen Woche.
Schon am Montag, den 23.9. hieß es ab 18 Uhr auf dem neugestalteten Rathausvorplatz „Fair in den Abend“.
Es wurden eigens zubereitete Häppchen geboten, leckere Aufstriche auf frischem Brot, sowie faire Knabbereien. Verwöhnt wurden die zahlreichen Gäste ebenfalls mit einem erfrischenden Cocktail und Secco und Wein der Lebenshilfe Bad Dürkheim.
Zu einer runden Sache wurde der Auftakt in die faire Woche durch die Auftritte der Schülerrinnen Sarah Manderscheid, Pauline Bellmann und Alisa Frank (IGS Mutterstadt) mit Interpretationen bekannter Popsongs und des Jugendorchesters der Blaskapelle Mutterstadt unter der Leitung von Thomas Zelt. In geselliger Runde und interessanten Gesprächen wurde so der Fairtrade-Gedanke an diesem Abend schon einmal einen großen Schritt vorangebracht.
Weiterhin gab es in Zusammenarbeit mit den Mutterstadter Landfrauen das Angebot „Faires Kochen“ am Mittwoch- und „Faires Backen“ am Donnerstagabend im Haus der Vereine. Köchin Ulrike Meisel zeigte, wie mit fairen, regionalen und saisonalen Produkten köstliche Speisen und Kuchen zubereitet werden können. Hauptdarsteller bei der herzhaften Küche war Quinoa, die als Taboulesalat, als Salat-Bowl, als Grundlage für einen Zucchini-Auflauf oder als Quisotto zubereitet wurde. Genauso köstlich auch die Herbstliche Linsensuppe, die durch die zugefügte Kokosmilch einen schmackhaft exotischen Touch bekam.
Die Überraschungs-Stars der Süßspeisen waren Linsen und schwarze Bohnen, die die Grundlage für Waffeln und Brownies boten. Fruchtige Komponenten steuerte die Mango bei, die in getrockneter Form in Kuchen eingebacken oder ins Tiramisu eingeschichtet wurde. Außerdem verriet Meisel den ein oder anderen Trick zur effizienteren und leichteren Küchenarbeit. Die zahlreichen Koch- und Backinteressierten waren begeistert von den neuen Geschmackserfahrungen.
Satt und äußerst zufrieden durften sie mit den Rezeptheften nach Hause gehen. „Dies war unser Beitrag an die Gemeinde“, erklärt Andrea Liebhardt, Sprecherin der Landfrauen ihre Bereitschaft, diese Abende für die Teilnehmer kostenfrei zu gestalten.
Ergänzend fanden im Haus der Vereine eine Informationsveranstaltung zum fairen Handel beziehungsweise zur Geschichte und Entstehung des Weltladens (durch Christa Scheid und Ramona Schilde) sowie ein Vortrag zum Thema „Gemeinwohlökonomie“ statt. Referent war Joachim Langer, tätig als selbstständiger Berater.
Den Abschluss bildete am Freitag, den 27.9 ein Überblick über faire Geschenkmöglichkeiten im Mutterstadter Weltladen. Ramona Schilde, stellvertretende Vorsitzende und das an diesem Tag diensthabende Team gaben Empfehlungen, womit man je nach Geschlecht dem zu Beschenkenden eine Freude machen kann. Dazu bietet sich eine Vielzahl von Kerzen, Seifen, Tees, Tässchen, Küchenutensilien, Schmuck, Schals, Taschen oder Auswahl fairer Leckereien an. Verpackt werden können sie ganz im Sinne von Nachhaltigkeit in hübschen Taschen oder Körbchen. Einige davon gab es auch schon praktisch als Geschenksets zusammengestellt.
Die ganze Woche über sah man sowohl bei den Akteuren als auch bei den Gästen der unterschiedlichen Veranstaltungen viele fröhliche Gesichter, die dadurch der fairen Gemeinde Mutterstadt auch das passende Antlitz gaben.
Text: Eva Heyder
Autor:Michael Hemberger aus Mutterstadt |
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