Interessantes von und mit Volker Schläfer
Reichsbanner „Schwarz-Rot-Gold“ und „Eiserne Front“ auch in Mutterstadt aktiv
Die derzeit stattfindenden Veranstaltungen und Demonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus mit dem Slogan „Nie wieder“, der sich auf die NS-Diktatur bezieht, erinnern an die Zeiten vor 100 Jahren. In den 1920-er- und 1930-er Jahren lag die Stärke der Feinde der Weimarer Republik in ihren Kampfverbänden außerhalb des parlamentarischen Raums. Deshalb bildete sich auf der demokratischen, linken Seite, zum Schutz der Republik im Februar 1924 in Magdeburg das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ unter aktiver Beteiligung der Vereinigung der republikanischen Frontsoldaten des 1. Weltkrieges. Dem Reichsbanner gehörten Mitglieder der Sozialdemokraten (SPD), der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und der Deutschen Zentrumspartei (Vorläufer der heutigen CDU) an. (Mitglied im Reichsbanner waren auch die späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss und Gustav Heinemann). Die Organisation hatte örtliche Unterorganisationen, so auch in Mutterstadt. Ihr gemeinsames Ziel war der Schutz der jungen Weimarer Republik vor deren radikalen Feinden von rechts und von ganz links Nachdem sich die Nazis und die Roten Frontkämpfer in der antidemokratischen „Harzburger Front“ vereinigt hatten, wurde 1931 zusätzlich die „Eiserne Front“ gegründet mit der Aufgabe, die Demokratie auf der Straße und bei Veranstaltungen zu verteidigen. 1932 wurden auch „Eiserne Bücher“ ausgelegt, in denen man sich mit der Unterschrift zur Republik bekennen konnte. In der „Eisernen Front“ waren verbunden die Mitglieder von Reichsbanner, SPD mit den Arbeitersport- und Kulturvereinen und der Gewerkschaften; ihr Symbol war deshalb der Dreipfeil. Reichsbanner und Eiserne Front schützten gemeinsam auch in Mutterstadt Aktivitäten der örtlichen SPD und der ihr nahestehenden Organisationen.
Dazu zählten in Mutterstadt der Athleten-Club (dem war angeschlossen ein Spielmannszug), der Arbeiter-Gesangverein, der Arbeiter-Radfahrer-Verein „Frisch-Auf“, der Freie Sportverein, die freie Turnerschaft, der Musik- und Vergnügungsverein „Auer-Klub“, die Arbeiter-Fortbildungs-Vereinigung, die Mandolinen- und Zither-Vereinigung, der freie Wander- und Vergnügungsklub „Edelweiß“, die Arbeiter-Samariter-Kolonne, die Arbeiter-Wohlfahrt sowie die Freireligiöse Gemeinde. Dabei war auch der Arbeiter-Radfahrer-Bund „Solidarität“, der mehr aus politischen, denn aus sportlichen Gründen aktiv war und z.B. als „rote Kavallerie“ Werbeprospekte und Flugblätter transportierte.
All diese Vereine und Organisationen gehörten dem „Kartell der Freien Arbeitervereine Mutterstadt“ an.
Bis 1933 beherrschten die uniformierten „Kampfverbände“ von links und rechts das Bild der Straße mit Umzügen, Demonstrationen oder mit Auftritten bei Veranstaltungen der jeweiligen politischen Gruppierungen, seinerzeit eine typische Erscheinung in der Weimarer Republik. Nach den Unterlagen kam es in Mutterstadt nicht zu größeren Auseinandersetzungen zwischen „Eiserne Front“ und den rechten Kampfverbänden oder der SA; es gab aber beim Aufeinandertreffen der beiden Gruppen auf der Straße oder bei Veranstaltungen immer wieder vereinzelte Schlägereien und laute verbale Streitereien, insbesondere auch dann, wenn das „Reichsbanner-Lied“ gesungen wurde:
„Straße frei, Straße frei, wenn das Reichsbanner marschiert. Straße frei,
Straße frei, wenn sie auch zum Sterben führt. Für Freiheit. Einigkeit und
Recht, kämpfet allzeit ein frei Geschlecht. Ob Hakenkreuz, ob Stahlhelm
grollt, Straße frei für Schwarz-Rot-Gold“.
Für die Festschrift „125 Jahre SPD Mutterstadt“ haben vor Jahren SPD-Ehrenvorsitzender Harry Ledig und Ortschronist Volker Schläfer die, leider nur noch spärlich vorhandenen, Aufzeichnungen des Ortsvereins gesichtet und auch noch einige Zeitzeugen befragt. Danach fungierte als Vorsitzender der Organisation des „Reichsbanner“ in Mutterstadt bei der Gründung Karl Schalk und dann Friedrich (Fritz) Schalk. Der war aktives SPD-Mitglied, Gewerkschafter und als Eisenbahner in der Separatistenzeit aktiv für seine streikenden Kollegen unterwegs. Schalk kandidierte 1933 für den Reichstag, wurde aber nach dem Verbot der SPD von den Nazis vorübergehend im KZ Neustadt und im Gefängnis Frankenthal inhaftiert; er starb 1937 mit 38 Jahren bei einem Motorradunfall. Das Reichsbanner hatte in Mutterstadt fast 100 Mitglieder, darunter auch die politisch aktiven SPD-Genossen Friedrich Börstler, Karl Heim, Johann Kern, Johannes Klehr, Josef Köhler, Otto Krick, Walter Riegel, Karl Röder und Jakob Weber, die alle nach dem Verbot der SPD 1933 im KZ Neustadt und in den Gefängnissen Frankenthal oder Ludwigshafen in Schutzhaft saßen. Mitglied im „Reichsbanner“ oder in der „Eisernen Front“ waren auch die in dieser Zeit im Ortskartell aktiv wirkenden Genossinnen und Genossen Jakob Gärtner, Ludwig Gailing, Heinrich Hartmann sen. und Heinrich Hartmann jun., Otto Hartmann, Adam und Elise Heene, Ludwig und Katharina Kaufmann, Julius Löb, Philipp Mangold, Philipp Reber, Jakob Reimer, Ludwig Reimer, Karl Riegel, Valentin Schnebel, Michael Stein, Philipp und Hilda Weber, Martin Wießler.
Die Geschichte nach 1933 zeigt aber, dass die damaligen Warnungen der Demokraten, auch mit Flugblättern, wie „Wer Hitler wählt, wählt Krieg“, nicht gehört wurden; mit schrecklichen und tödlichen Folgen für Millionen von Menschen.
Text: Volker Schläfer
Autor:Michael Hemberger aus Mutterstadt |
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