Nostalgie auf dem Kirchberg
„Der Ausscheller“ – ein Stück Östringer Heimatgeschichte
Vor ein paar Wochen hatten wir über ein bürgerliches Engagement berichtet, welches am Schmutzigen Donnerstag im Jahre 2011 zur Aufstellung der Bronzefigur des „Östringer Ausschellers“ auf dem Kirchbergplatz führte. Viele fragten sich dann, was hat es mit der Geschichte des Ausschellers auf sich, und wo ist sein aktueller Standplatz? So wie der Ausscheller in den 1950er Jahren an zuletzt nicht weniger als 73 Ausschellstationen seine Nachrichten verlauten ließ, zog er in der Zeit seines Daseins auf dem Kirchbergplatz vom ursprünglichen Standort vor dem Brunnen an die rechte Seite der Rathaustür, um nun, bedingt durch die Neugestaltung des Rathauseingangs seinen Platz auf der linken Seite vor dem Rathaus zu finden. Zwei bronzene Enten zu Füßen des Ausschellers hören ihm interessiert zu. Die Enten sind die Wappentiere der Östringer Narrenzunft „Wicker-Wacker“. Symbolisieren sie doch den Östringer an sich. Denn den Östringern wird ja bekanntlich ein „entenwatschelnder Gang“ nachgesagt.
Der Ausscheller erinnert an eine längst vergangene und heute nostalgisch anmutende Form der Bekanntgabe amtlicher Informationen, wie sie zuletzt Hermann Hotz und Hugo Hoffmann praktizierten. „Er ist nicht mehr aus Fleisch und Blut, doch Bronze steht ihm wirklich gut! Die Schell, die hat er in der Hand zu verkünden das,- was sollt` bekannt“, brachte Heinrich Zibuschka als Schöpfer der Skulptur auf den Punkt, was einst die Aufgabe des Ausschellers war.
Ein Ausscheller war eine von einer Gemeinde haupt- oder nebenberuflich beschäftigte Person, die in früheren Zeiten durch laute, mündliche, öffentliche Verbreitung von Bekanntmachungen die Gemeindemitglieder informierte. Mit der grossen Ortsschelle in der Hand machte der Ausscheller seine festgelegte Runde durch das Dorf. An allen markanten Plätzen und in gewissen Abständen blieb er stehen, läutete mit seiner Glocke und verschaffte sich so Gehör. Die Bürger traten vor die Tür und hörten gespannt zu. Die Bekanntmachungen betrafen die verschiedensten Themen, wie – Kohlelieferung - Obstbaumversteigerung - Impftermine - Informationen über Tierseuchen - Bauangelegenheiten der Gemeinde - Mitteilung der nächsten Gemeinderatssitzung - Datum und Uhrzeit von Feuerwehrübungen - Versammlungen der einzelnen Ortsvereine - Abstellen der Wasserleitung wegen Reparaturen - Aufruf zu Bürgerversammlungen - Bekanntgabe von Tanzveranstaltungen - Ausschellen verlorener Gegenstände - Zahlung von Gebäude- und Grundsteuern und anderes mehr.
In den letzten Jahren der Tätigkeit des Ausschellers fanden die Bekanntgaben der amtlichen Informationen unter Zuhilfenahme der Ortsrufanlage statt. Es wird berichtet, dass die Nachrichten jeweils durch ein entsprechendes Lied angekündigt wurden. Im Sommer war dies u.a.: „Pack die Badehose ein“ und zu Hochzeitsankündigungen wurde „Eine weisse Hochzeitskutsche“ gespielt.
Dieses Brauchtum nicht vergessen zu machen nahm sich der Heimat-und Kulturverein „KG Wicker-Wacker“ Östringen an. In zahlreichen Gesprächen konnten viele Östringer Bürgerinnen und Bürger, sowie Östringer Geschäftsleute und überregionale Sponsoren zur Finanzierung und ehrenamtlichen Mitarbeit für dieses heimatliche Projekt gewonnen werden. Ihnen allen gilt nochmals unser Dank.
Die Figur und Geschichte des Ausschellers würdigte die „KG Wicker Wacker“ mit entsprechender Gestaltung des Jahresorden 2012. Wer sich den Ausscheller genauer anschaut sieht ein Kleeblatt am Revers des Amtsträgers, das einst Glück und Freude bringen sollte.
(KT)
Autor:Martin Fellhauer aus Östringen |
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