Östringens Bürgermeister Felix Geider im „Wochenblatt“-Interview
„Wir brauchen ein klar definiertes Zentrum“
Östringen.Am Wochenende, 20. bis 22. Juli, feiert Östringen drei Tage lang die urkundliche Ersterwähnung der Siedlung vor 1.250 Jahren. Cornelia Bauer sprach mit Östringens Bürgermeister, Felix Geider.
???: Östringen feiert schon das ganze Jahr über Jubiläum. Welche Rolle spielt es für den Ersten Bürger, dass seine Stadt auf eine so lange Geschichte zurückblickt?
Felix Geider: Im Alltagsgeschäft außerhalb des Jubiläumsjahres spielt das tatsächlich eine eher kleine Rolle, aber im Moment haben wir aus diesem Anlass in Östringen wirklich eine tolle Zeit. Es haben viele aktive Gruppierungen zusammen gefunden - gar nicht unbedingt Vereine, sondern auch Freundeskreise. Und diese Gruppierungen blühen bei dem Thema richtig auf.
"Da ist so viel Engagement!"
Gerade der Freundeskreis Heimatverein hat so viel Freude daran, sein Thema Jüngeren zu vermitteln. Da ist so viel Begeisterung für das Alte, so viel Engagement - das ist einfach irre. Und weil es das ganze Jubiläumsjahr über Veranstaltungen gibt, die sich um die Historie drehen, habe ich mich automatisch vermehrt damit beschäftigt - und bin vom Thema begeistert.
???: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, in die Vergangenheit zu reisen: Zu welchem historischen Ereignis in der Geschichte Östringens würden Sie gerne zurück reisen?
Geider: Tatsächlich gäbe es viele Punkte, an denen es mich reizen würde, mal ins damalige Leben reinzuschauen, ganz konkret wäre ich aber lieber bei Ereignissen im 20. Jahrhundert dabei. Gerade in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Östringen ein großes Rad in Sachen Infrastruktur gedreht; da wäre ich gerne dabei gewesen. Tatsächlich interessiert mich da die neuere Geschichte mit ihren Auswirkungen aufs heute mehr.
???: Die Kommunalpolitik ist ihrem Wesen nach eher auf die Gestaltung der Zukunft ausgerichtet, denn auf den Rückblick. Wie sieht denn das Östringen der Zukunft aus?
Geider: Der Verkehr auf der Hauptstraße ist ein schmerzliches Thema, nicht nur, weil viel Verkehr durch die Stadt fließt, sondern auch wegen der trennenden Wirkung, die der Hauptstraße damit zukommt. Das ist sehr schlecht für die Ortskernentwicklung. 17.000 Fahrzeuge am Tag - die trennende Wirkung der Hauptstraße kriegt man auch nicht mit noch so vielen Zebrastreifen überwunden.
"Wenig ist nicht nichts"
Zwar hat es die Umgehung jetzt in die Bundesverkehrswegeplanung geschafft, realistischer Zeithorizont sind dann aber doch so etwa 30 Jahre. Da hängen noch sehr viele Fragezeichen dran. Mit Tempo 30 und Lkw-Durchfahrtsverbot versuchen wir, kurzfristige Lösungen. Die bringen wenig, aber wenig ist nicht nichts. Auch über das eher unangenehme Thema Blitzer müssen wir nachdenken - immer vor dem Hintergrund, dass wir nur am Symptom herumdoktern. Gut ist, dass Gemeinderat und Verwaltung hier an einem Strang ziehen.
Ein ganz wichtiges Thema wird die Gestaltung des Ortskernes sein. Das ist für mich auch Östringen 2030: ein klar definiertes Zentrum zu haben. Es war die schlechteste Entscheidung der vergangenen 25 Jahre, so viel Handel vor den Toren der Stadt zuzulassen. Wir brauchen im Ortskern einen Frequenzbringer, von dem auch der bestehende Einzelhandel profitiert. Der Gemeinderat ist schon seit drei Jahren dran, das Thema ist zäh, denn eine Verkaufsfläche von mindestens 1.000 Quadratmetern plus Parkplätzen müssen wir im Zentrum erst einmal anbieten können. Es gibt dazu viele Ideen und Pläne, aber man braucht einen langen Atem - und Geld. Zum Glück hat Östringen gut gewirtschaftet, so dass wir ein Polster für Grundstückskäufe haben.
???: In der Vergangenheit waren die Östringer Gewerbesteuereinnahmen stark von einem Gewerbesteuerzahler abhängig. Wie schaut das inzwischen aus?
Geider: 40 Jahre lang war das so, davon sind wir inzwischen weg. Die Gewerbesteuerlast verteilt sich auf mehrere Betriebe, so dass wir nicht mehr so tief fallen können. Wir haben beim Östringer Gewerbe mittlerweile einen Stand erreicht, an dem wir nur noch punktuell eingreifen müssen. So wird es zum Beispiel im Industriepark noch eine Abrundung zur B 292 hin geben.
???: Finden alle, die in Östringen arbeiten, hier auch eine Wohnung?
Geider: Die Schaffung neuer Arbeitsplätze sorgt für Druck auf den Wohnungsmarkt. Im vergangenen Jahr gab es reichlich Zuzug nach Östringen. Wenn ich das mal an den 2014 Geborenen festmachen darf: Im vergangenen Jahr sind 17 Dreijährige mit ihren Familien nach Östringen gekommen. Das ist eine komplette Kindergartengruppe.
"Hochengagierte Lehrer"
Wir planen ein neues Baugebiet in Richtung Bad Schönborn. Aber Dinkelberg IV braucht noch Zeit. Mit dem Startschuss rechne ich hier erst in drei bis vier Jahren. Positiv ist, dass in jüngster Vergangenheit innerörtlich Baulücken geschlossen und viele Gebäude saniert wurden.
???: Wichtig für die Zugezogenen sind sicher auch die Schulen vor Ort ...
Geider: Östringen ist ein Riesen-Schulstandort mit rund 2.500 Schülern im Schulzentrum. Die Lage im Wohngebiet ist sicher nicht ganz unproblematisch und bei der Infrastruktur sind wir an den Kapazitätsgrenzen, aber die Lehrer sind hochengagiert. In den nächsten drei bis vier Jahren werden Mensa und Bücherei in einem neu zu bauenden separaten Gebäude untergebracht werden.
Östringen und seine Stadtteile sind im Schulbereich insgesamt sehr gut aufgestellt, nur der Erhalt der Grundschule in Tiefenbach macht mir Sorge. „Kurze Beine, kurze Wege“, lautet unsere Maxime. Daher haben wir die Schule 2012 komplett saniert. Allerdings geht der Rektor in Pension und ich kenne die Pläne des Schulamtes für die Zeit danach noch nicht.
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