Die Welt der Ismen(en)
Mein Kommentar zum Wortgebrauch der Ismen
Auf Facebook teilte ich letztens ein schönes Bild. Es war aus der Gruppe „Wir brauchen den Widerstand gegen rechts!“, welche es von der Gruppe „Pro TEAM Dr. Drosten“ hatte.
Das Bild zeigte Viren und hatte den Text:
„Während sich Viren leicht in schwachen Körpern ausbreiten, passiert das Gleiche mit Verschwörungstheorien in schwachen Geistern. Besonders wenn Antikörper in Form von Bildung fehlen.“
Jemand sagte mir, er empfinde dies als besonders ableistisch. Und es ist mir bis jetzt ein Rätsel, wie dieses Bild ableistisch sein kann. Was aber ist ableistisch überhaupt? Erklärungsbedarf.
Wenn Menschen mit Behinderungen benachteiligt werden, ist das Fachwort dafür Ableismus (Adjektiv ableistisch, so wie rassistisch zu Rassismus). Es bezeichnet ‚die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung […] wegen einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung oder aufgrund von Lernschwierigkeiten (siehe Wörterbuch der Teilhabe auf teilhabeberatung.de).
Dazu gehört einerseits abwertendes Verhalten, wenn man zum Beispiel eine akute Depression hat, nicht ernst genommen und gar belächelt wird, anderseits auch positive Äußerungen, wenn man beispielsweise beim Verrichten von alltäglichen Dingen wie Aufstehen oder Haare kämmen übermäßig gelobt wird. Um die negativen Ismen auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen, kann man sagen, dass Sexismus, Rassismus und Ableismus ein Verhalten beschreiben, welches eine Person oder einen Personenkreis aufgrund eines bestimmten Merkmals benachteiligt.
Trotz dieses Hintergrundwissens sehe ich nirgends, was an diesen zwei Sätzen ableistisch sein kann. Egal, ob ich eine körperliche oder psychische Behinderung oder Sinnesbeeinträchtigungen habe, Bildung ist mir zugänglich. Höchstens für Menschen mit geistiger Behinderung (besser: Menschen mit Lernschwierigkeiten) kann es ableistisch werden, wenn ich mir die Worte „schwache Geister“ anschaue und die Behinderungsart nicht differenziere. Differenziert man aber,stellt man fest, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht schwache Geister, sondern höchstens langsamere Geister. Und gerade weil diese Menschen schon mit solchen Nachteilen zu kämpfen haben und mit ihren Ressourcen bewusst umgehen müssen, ist es umso wichtiger, sie vor Unsinn wie Verschwörungstheorien zu schützen.
Egal, welche Lesart ich auf diese zwei Sätze in besagtem Bild anwende, kann ich nirgends Ableismus erkennen. Als ich bei einer Veranstaltung des Projektes Kommune Inklusiv Nieder-Olm zum Thema „Etikettierung durch Sprach – Kann Sprache ausgrenzen?“ teilgenommen und dieses Bild beschrieben und die Sätze vorgelesen habe, konnten sämtliche Teilnehmer*innen mit den unterschiedlichsten Behinderungen, darunter jemand mit Lernschwierigkeiten, nichts Ableistisches feststellen. Keine*r.
Somit komme ich zu dem Schluss, dass man die verwendete Sprache stets im Kontext sehen und nicht sofort mit Ismen um sich werfen sollte, wenn man sich nicht sicher ist.
Autor:Stephan Riedl aus Rodalben | |
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