Turbulente Bürgermeisterwahl:
150.000 Euro für Wahlbier und Wahlwein?
Waghäusel-Wiesental. Mit Sicherheit wird die Oberbürgermeisterwahl am 6. März in Waghäusel - und hierbei im heutigen Stadtteil Wiesental - weitaus ruhiger und friedlicher verlaufen als die Bürgermeisterwahl 1904. Der Wahlkampf dürfte harmlos sein im Vergleich zu den turbulenten Ereignissen vor 118 Jahren, als sich die Kontrahenten spinnefeind gegenüberstanden und sich den Sieg etwas kosten ließen. Auch damals gab's teure Wahlkämpfe. Statt Großflächenplakate und Hochglanzprospekte gab’s Flüssiges, aber das reichlich.
Was geschah damals?
Bis zur Jahresmitte 1904 stand Vinzenz Mayer, der als „pfarrertreu“ galt, als ehrenamtliches Ortsoberhaupt an der Spitze der Gemeinde. Nach einem erbittert geführten Wahlkampf, der Wiesental für lange Zeit in zwei feindliche Lager spaltete, wurde er von dem liberal-gesinnten Karl Joseph Stöckel abgelöst.
Die kommunalpolitischen Auseinandersetzungen, die bereits 1883 begonnen hatten, fallen in die Zeit des Wiesentaler Kulturkampfes, bei dem sich – wie im Badischen Kulturkampf – die Vertreter des Liberalismus und des politischen Katholizismus mit allen Mitteln bekriegten.
In einer Aktennotiz hielt der damalige Pfarrer Franz Sales Roth in großer Verärgerung fest. „1903 wurden bei den vorangegangenen Bürgerausschuss-Wahlen in Form wüster Trinkereien, die gegen 3.600 Reichsmark kosteten, von der Stöckelpartei neue Anhänger geworben. Die Folge war, dass Bürgermeister Mayer durch den Sohn des verstorbenen Bürgermeisters Eduard Stöckel, Karl Stöckel, der sich offen liberal nennt, ersetzt wurde.“
Wenn der genannte Betrag so stimmt, dann hatte Weinhändler Stöckel für Wahlbier und Wahlwein nach heutigem geschätzten Geldwert die astronomische Summe von rund 150.000 Euro ausgegeben: dies für eine ehrenamtliche Funktion. Ein Arbeiter verdiente damals zehn Mark in der Woche.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.