Berufliche und schulische Leistungen überprüft:
„Reichsberufswettkampf“ in Wiesental
Waghäusel. Ein spannungsgeladener Reichsberufswettkampf im eher entspannten Wiesental? Ja, das hat das Dorf erlebt – damals in den 1930er Jahren, im „Tausendjährigen Reich“.
Einen Blick auf die damaligen Ereignisse hat jetzt der Vorsitzende des Heimatvereins Wiesental, Hans Peter Hiltwein, mit seinen Recherchen ermöglicht:
Unter der Nazi-Herrschaft wurden von 1934 bis 1939 zentral ausgerichtete berufliche Leistungswettbewerbe, sogenannte Reichsberufswettkämpfe, veranstaltet, an denen Jugendliche aller Berufe und Betriebe teilnahmen.
Die Organisation oblag der Deutschen Arbeiterfront und der Hitlerjugend. Dabei erhielt der Jugendverband als Mitveranstalter eine reichsweite Plattform, um die weltanschaulichen Positionen unter den Jugendlichen zu verbreiten. Für die Deutsche Arbeitsfront boten diese Wettkämpfe vor allem die Möglichkeit, den Ausbildungsstand der Teilnehmer zentral zu überprüfen.
Auf Betriebe mit unterdurchschnittlichen Leistungen wurde Druck ausgeübt, im Extremfall bekamen sie die Ausbildungserlaubnis entzogen. Der Sieg auf Gau- oder Reichsebene brachte in der Regel erhebliche berufliche Vorteile und stärkte auch das Ansehen des Betriebs und der Betriebsleiter.
Im nordbadischen Wiesental fand am Samstag, 19. Februar 1938, ein Reichsberufswettkampf der Zigarrenfabriken statt. Er begann 7.30 Uhr mit dem Treffen der Teilnehmer vor dem Rathaus. Von 8 bis 10 Uhr wurden insgesamt 154 praktische Arbeiten durchgeführt: von den damals neun Werkmeistern der Wiesentaler Zigarrenfabriken beurteilt und bewertet.
Anschließend erfolgte die Hauswirtschaftsprüfung für weibliche Auszubildende. Dann mussten sich die jungen Männer einem Aufsatz und dem Fach Berufskunde unterziehen. Am Nachmittag standen Diktat und Rechnen sowie das Unterrichtsfach „Weltanschauung“ mit jeweils einer Stunde auf dem Programm. Diese Prüfungen nahmen die Wiesentaler Lehrer der Volksschule und der Fortbildungsschule ab.
Bei der Weltanschauungsprüfung fragten die Lehrer, aber auch die anwesenden Parteifunktionäre der NSDAP beispielsweise nach dem Geburtstag des Führers, dem Namen des Gauleiters und nach Zusammenhängen mit der Partei.
Die Vorbereitung und Schulung auf diese Prüfung ermöglichten den Nationalsozialisten, ihr totalitäres und rassistisches Gedankengut unter der Jugend zu verbreiten, sie stark zu beeinflussen und somit den Führerstaat zu festigen.
Zum Bild:
Reichsberufswettkampf 1938 mit den Prüflingen, den Werkmeistern der Wiesentaler Zigarrenfabriken und den uniformierten Parteiführern.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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