Premiere im Weingut Andreas Schmidt,
Steillagen-Vollernter im Einsatz
Obermoschel. Die Spannung stieg schon seit Tagen und war auch Thema am Sonntag beim proppenvollen Herbstmarkt in Ober- moschel am Weinstand. Winzer Andreas Schmidt vom gleichnamigen Weingut in der Moscheler Luitpoldstraße kündigte sonntags schon etwas angespannt im Gespräch eine Premiere im Weingut an: Am Montagmorgen ganz früh soll erstmals ein Steillagen-Vollernter in der Spitzenlage des Obermoscheler Weinbaues, dem Silberberg, -dem Hang rechts der B 420 zwischen Niedermoschel und Obermoschel- zum Einsatz kommen. Es soll auch der Weinberg vollmaschinell geerntet werden, bei der vor knapp einem halben Jahr Sohn Sebastian, Inhaber des Weingutes Wolf & Guth, mit der Raupe bei Arbeiten im Steilhang abgestürzt und erhebliche Verletzungen erlitten hatte, weil das Sicherungsseil gerissen war. Am Montag wird die Anspannung im Schmidt-Team nochmals verlängert, weil der Eigentümer des Steillagen-Vollernters, Michael Angel aus Eisenheim in Franken kurzfristig absagen musste. Seit Wochen im Einsatz mit der Maschine in den Anbaugebieten, Franken, Rhein, Mosel und Nahe, ist er mit Lesearbeiten in Alken an der Mosel nicht fertig geworden und muss seinen Einsatz in Obermoschel um einen Tag verschieben. Am Dienstagmorgen, 8.45 Uhr ist es dann aber soweit. Angel hat mit seiner Zugmaschine, einem Unimog 400 und zwei Anhängern, auf denen die Raupe mit dem Vollernter und dem Lesegut-Förderband nach einer Fahrt über die B 50, der Autobahn 61 und der B 420 die kleinste pfälzische Stadt erreicht und wird von Schmidt zum Wingert im Silberberg gelotst. Bei einem solchen Einsatz, so der frohgelaunte Franke, der selbst ausgebildeter Winzer und Agrarservicemeister ist und ein Lohnunternehmen für Weinbau, Forst, Landwirtschaft und Kommunen betreibt, müssen seine Fahrzeuge aus Sicherheitsgründen schon "feste Füßen unter dem Boden" haben. Das heißt die Wege, auf denen Angels Unimog und der 4 Tonnen-Anhänger mit Raupe, Vollernter und der sichernden Rampe und Stahlseil stehen, sollten entweder betoniert oder asphaltiert sein. Die Investitionssumme für sein Gefährt beziffert der Franke auf etwas mehr als 400.000 Euro, er hat einen weiteren solchen Vollernter in Franken im Einsatz. Der Weinberg muss zudem gewisse Voraussetzungen bei der Zeilenbreite und der Höhe der Trauben (mindestens 55 cm über Bodenniveau) erfüllen. Angels Steillagenvollernter ist von der Firma CH engineering mit Sitz in Wintrich an der Mosel, der von dem Unternehmen als weltweit erster Steillagen-Vollernter entwickelt wurde. Er ist für eine Hangneigung von bis zu 75 Prozent zugelassen, heute sind es in Obermoschel rund zehn Prozent weniger. Angels Raupe, mit der der Vollernter gefahren wird, kommt aus Italien, das Förderband zum Transport der Trauben in die Behälter der jeweiligen Winzer ist eine Eigenentwicklung. Ein 0,8 Zentimeter dickes Stahlsicherungsseil, befestigt an einer beweglichen Auf-und Abfahrtsrampe auf dem Anhänger sichert die mit Gummiketten ausgerüstete Raupe und den darauf befestigten Vollernter zusätzlich. Hilfreich ist hierfür auch, dass die Rampe nochmals per Bodendruck oben am befestigten Weg gesichert wird. In einer kurzen Erntepause informiert Angel, dass das Stahlseil, obwohl er es aus Sicherheitsgründen vor jeder Erntesaison neu kauft, schon mehrmals gerissen sei. Seine Raupe mit Vollernter sei dann in den jeweiligen Steillagen aber jedesmal selbstständig zum Stehen gekommen.
Einsatz im Silberberg klappt gut
Die Voraussetzungen im Silberberg sind gut für das fränkische Lohnunternehmen: Wege befestigt, Wingertszeilen stimmen, so dass dem Einsatz am frühen Dienstagmorgen nun nichts mehr entgegensteht. Der Zeilenschreiber kann ohne ein Festhalten an den Weinbergsdrähten im Silberberg-Wingert nicht frei stehen. Die Raupe und der Vollernter fährt unter Beobachtung von Andreas und Sebastian Schmidt sowie einiger ihrer Mitarbeiter mit Leichtigkeit und einem zusätzlich lachenden und noch augenzwinkernden Fahrer Michael Angel bei der ersten Bergabfahrt mit einer Geschwindigkeit von drei bis vier Kilometer anscheinend mit Leichtigkeit den Berg hinunter. Dazu wird noch sehr ordentliche Lesearbeit verrichtet, wie an der Ernte zu sehen ist, was die beiden Schmidts freut. Gefahren wird die Raupe nur per Kamerasicht, bergauf geht es ohne Lesearbeit schneller -circa acht Kilometer-. Angel fährt oben angekommen wieder auf die Rampe, die sich wie von selbst vom Boden hoch bewegt und steuert dann per Joy Stick seinen Unimog samt der Anhänger ohne absteigen zu müssen eine Zeile vor. Dann gehts die nächste Rebenzeile bergab zum Lesen. Alle paar Rebzeilen muss der Sammelbehälter am Vollernter mit Rieslingtrauben (gemessen werden vor Ort 101 Grad Öchsle !) in die vom Weingut bereitgestellten Behälter oben entleert werden, alles geht vollautomatisch. Morgens gibt es nur einmal eine Störung: Der Vollernter hat einen Spanndraht mitgeerntet, was das System sofort anzeigt. Es gibt mitten in der Reihe im steilen Hang sofort einen Stopp. Es geht rückwärts hoch und der Spanndraht wird händig aus dem Lesesystem des Vollernters gezogen. Nochmals gut und nichts kaputt gegangen, atmet Angel erleichtert auf und weiter geht die Raupenfahrt wieder steil bergab. Wenn alles gut läuft, schafft er täglich rund 1,5 Hektar in solchen Steilhängen. Abgerechnet wird auf gefahrene Meter, die Kosten beziffert er pro Hektar zwischen 1.800 bis 2.500 Euro für den Winzer, je nach Anfahrt- und Rüstzeit. Die von uns in den letzten Jahren neu angelegten Weinberge sind alle so konzipiert, dass sie zukünftig mit einem Vollernter dieser Art in der Steillage geerntet werden können, so Andreas Schmidt. Ich glaube, dass wir den Vollernter künftig vermehrt in der Steillage einsetzen müssen, weil es nämlich nicht leichter wird, trotz höherem Mindestlohn noch ausreichend Lesehelfer für die Steillage zu finden, so der Obermoscheler Winzer. An einem mit Spannung erwarteten und am Ende doch erfolgreichen und eigentlich problemlosen Lesetag fährt Schmidt zweigleisig: Neben dem Steillagen-Vollernter in Höhe des Hauses "Barbara" im Silberberg wird einige Wingerte weiter Richtung Niedermoschel mit der fast gleichen Hanglage noch auf traditionelle Art der Riesling bei Top-Wetterbedingungen mit der Hand geherbstet -von ausschließlich ausländischen Lesehelfern-. Eins ist aber sicher: Der 2023er Jahrgang der Obermoscheler Silberberg-Rieslinge kann bei diesen Öchslegraden nur wieder top werden, egal wie sie geerntet wurden. Der Steillagen-Vollernter wird künftig wohl öfter -nicht nur in Obermoschel- zum Einsatz kommen, er hat eine gute Zukunft vor sich. Michael Angel macht sich am Dienstagabend mit seinem Gefährt nach getaner stundenlanger Arbeit in Obermoschel frohgelaunt zurück in seine Heimat nach Franken. Dort warten weitere Steillagen auf ihn.
Fotos: Arno Mohr
Autor:Arno Mohr aus Alsenz-Obermoschel |
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