Ausstellung über Deportation jüdischer Menschen
Unvorstellbare Schicksale

Informative Schautafeln in der Aula des Alfred-Grosser-Gymnasiums  | Foto: B. Bender
  • Informative Schautafeln in der Aula des Alfred-Grosser-Gymnasiums
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von Britta Bender
Bad Bergzabern. Noch bis zum 21. Januar, werktags von 8 bis 15 Uhr, ist die Ausstellung „Gurs“ im Alfred-Grosser-Gymnasiums zu sehen, bevor sie vom 31. Januar bis 18. Februar im Ratssaal der Verbandsgemeinde Annweiler zu finden ist. Hierbei handelt es sich um einen Wanderausstellung der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz.
Auf zahlreichen Schautafeln wird die Deportation vom 22. und 23. Oktober 1940 von über 6.000 Jüdinnen und Juden aus Baden und der Saarpfalz in den unbesetzten Teil von Frankreich beleuchtet. Das Lager Gurs lag am Fuße der Pyrenäen. Heute ein weites Feld, Wiesen, Äcker, Sträucher, vereinzelte Kastanienbäume.
Die Ausstellung erinnert an diese Verbrechen und ihre Nachgeschichte und erzählt, wie dieser Verbrechen gedacht wurde und immer noch wird.
Die Familien wurden damals während des jüdischen Laubhüttenfestes abgeholt und hatten kaum Zeit, die Dinge zusammenzupacken, die sie tragen konnten.
Im Dezember 1941 befahl Hitler die systematische Ermordung aller Jüdinnen und Juden im deutschen Herrschaftsbereich.
Ab August 1942 wurden die Jüdinnen und Juden aus Gurs und anderen Lagern der unbesetzten Zone nach Drancy gebracht und anschließend nach Ausschwitz-Birkenau und Sobibor deportiert.
„Die Shoah überschreitet jede Grenze des Vorstellbaren. Sie entzieht sich allen Darstellungsversuchen“, so eine alleinstehende Aussage auf einer der zahlreichen Schautafeln.
Das Wort Shoah kommt aus dem Hebräischen und bedeutet so viel wie „Untergang“, „Katastrophe“. Ebenso wie „Holocaust“ wird Shoah zur Bezeichnung der Massenvernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden während der nationalsozialistischen Herrschaft verwendet.
825 Menschen wurden aus der Pfalz deportiert, die meisten aus Ludwigshafen (183), Speyer (51), Mutterstadt (51), Kaiserslautern (46), Frankenthal (39) und Landau (34).
Fünf Personen aus Waldfischbach, drei aus Thaleischweiler, zwei aus Klingenmünster, drei aus Erlenbach und zwei aus Bergzabern.
Am Abend des 22. Oktober 1940 verließen die beiden in Ludwigshafen gestarteten Züge die Pfalz. Einer fuhr über Neustadt, Landau, Annweiler, Zweibrücken. Der andere Zug fuhr über Kaiserslautern. Die Fahrt durch Frankreich dauerte drei Tage und drei Nächte.
„Wir fuhren 71 Stunden und man könnte Bücher schreiben von all diesem Elend, wovon Ihr Euch keinen Begriff machen könnt“, schriebt seinerzeit Margarete (Gretl) Drexler aus Landau. Als die badischen und saarpfälzischen Juden nach Gurs kamen, befanden sich bereits mehrere tausend Menschen in dem Lager. Neben den Flüchtlingen des Spanischen Bürgerkrieges vor allem viele in Frankreich lebende Emigrantinnen und Emigranten, die als „Feindliche Ausländer“ interniert worden waren.
Das Lager in Gurs war eines der größten Lager in Frankreich, zeitweilig wurden fast 20.000 Menschen in Baracken untergebracht. Unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Der saarpfälzische Gauleiter und radikale Antisemit Josef Bürckel, der auch Chef der deutschen Besatzungsverwaltung in Lothringen war, und der badische Gauleiter Robert Wagner, der das Elsass übernommen hatte, sorgten dafür, dass Jüdinnen und Juden aus ihren Gauen deportiert wurden. Es ist davon auszugehen, dass die beiden in Eigeninitiative handelten. Nach der Wannsee-Konferenz setzte ab März 1942 auch in Frankreich die Deportation von Juden „in den Osten“ ein. Ab August wurden Tausende von Menschen aus Gurs und anderen Lagern in Südfrankreich abtransportiert.
Unter den über Drancy in die Vernichtungslager verschleppten Jüdinnen und Juden befanden sich mindestens 359 der 825 Personen aus der Pfalz, die nach Gurs deportiert worden waren. Mindestens 225 starben, 25 gelten als verschollen, mindestens 215 konnten gerettet werden. 78 wanderten aus, vor allem in die USA. 129 überlebten in Frankreich, 25 kehrten nach Kriegsende nach Deutschland zurück, zum Teil in dieselben Städte und Dörfer in der Pfalz, aus denen sie einst verschleppt worden waren.
Gästeführerin Renate Becker interessiert sich im Rahmen ihrer Führungen für die „Frauenleben in Bergzabern“; beleuchtet die Geschichte von Herzoginnen und Heiligen, Philosophinnen und Dichterinnen, braven Bürgerstöchtern und mutigen Jungfrauen. Die Fragen die sie beantworten möchte sind folgende: Wer waren sie? Wo wohnten sie? Was taten sie? Was dachten sie? Wie sprachen sie?
So verfolgt sie auch die Geschichte der Anni Ebbecke-Blum. Sie wurde am 8. Dezember 1903 als Tochter des Weinhändlers Max Blum und seiner Frau Ida in der Schlossgasse von Bad Bergzabern geboren. Sie berichtete von einer glücklichen Kindheit und schönen Schulzeit. Später besuchte sie die höhere Töchterschule. Mit 18 Jahren ging sie nach München, wo sie eine Ausbildung als Erzieherin machte. Im Jahre 1931 begann sie eine Ausbildung als Sängerin in Karlsruhe, wo sie den Pianisten Hans Ebbecke, der dort als Korrepetitor arbeitete, kennen- und lieben lernte. Im Jahre 1936 wanderten beide nach Belgien aus, weil sie wussten, dass sie keine gemeinsame Zukunft in Deutschland haben würden. Sie als Jüdin, er als Christ. 1940 heirateten die beiden in Belgien. In Deutschland war ihre Ehe ungültig und mit Zuchthaus unter Strafe gestellt.
Hitler fällt im neutralen Belgien ein. Die Emigranten fliehen nach Frankreich. Als „feindliche Ausländer“ findet sich das Ehepaar im Lager Gurs, am Fuße der Pyrenäen, wieder.
Das Pogrom in Bad Bergzabern, am 9. November 1938, haben die beiden nicht miterleben müssen; doch litt Anni Blum darunter, dass ihre Eltern danach aus Verzweiflung den Freitod gewählt hatten.
Im Januar 1944 können sie dem Lager Gurs entkommen und erhalten Asyl in der Schweiz. 1946 stirbt Hans Ebbecke. Anni Blum geht als Erzieherin zuerst nach Brüssel, dann nach London.
1965 kehrt sie wieder in ihre Geburtsstadt Bad Bergzabern zurück, was sicher nicht leicht für sie war. Sie nahm bis ins hohe Alter am kulturellen Leben der Stadt regen Anteil. Im Alter von 85 Jahren starb sie am 31. Januar 1989. An ihrem Grab sprachen ein Christ und ein Jude ein Gebet.
„Im schweigsamen Nebeneinander mit dem nichtjüdischen Umfeld versuchte die jüdische Gemeinschaft aus dem Überleben ein Leben zu machen“, so ein Zitat auf einer der Schautafeln.
Der Bezirksverband Pfalz engagiert sich schwerpunktmäßig bereits seit Jahrzehnten dafür, die Erinnerung an die Ereignisse um die Oktoberdeportation 1940 zu bewahren und bemüht sich um die historische Aufarbeitung.
Mit der 2017 eingerichteten Arbeitsstelle „Geschichte der Juden in der Pfalz“ wird die Recherche zur jüdischen Bevölkerung und zu jüdischen Opfern der NS-Zeit in der Pfalz weiter intensiviert.
„Wir geben jetzt den Stab der Erinnerung ab“, so Charlotte Knobloch (*1932) die von 2006 bis 2010 Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland war. Denn die Zeitzeugen sterben, werden immer weniger.
Um so wichtiger ist es, dieses Grauen für die Nachwelt zu bewahren und immer wieder darauf aufmerksam zu machen, was Diskriminierung mit einer Gesellschaft macht beziehungsweise machen kann. Aus diesem Grund werden Gedenkfahrten zu historischen Erinnerungsorte veranstaltet, so sollen vor allem junge Menschen für alle Spielarten von Ausgrenzung sensibilisiert werden, wie Antisemitismus, Rechtsradikalismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit.
Viele Bilder und Dokumente und Zeichnungen lassen allen Interessierten diese unbeschreibliche Zeit informativ vor Augen führen.
Die Ausstellung ist zu sehen in der Aula, dem ersten Obergeschoss und der Mensa des Alfred-Grosser-Gymnasiums.
Es wird darauf hingewiesen, dass eine Anmeldung im Sekretariat erforderlich ist.

Öffnungszeiten
bis zum 21. Januar,
werktags von 8 bis 15 Uhr,
im Alfred-Grosser-Gymnasium
vom 31. Januar bis 18. Februar
im Ratssaal der Verbandsgemeinde
Annweiler, Messplatz 1,
montags bis freitags von 8.30 bis 12 Uhr und zusätzlich montags von 13.30 bis 18 Uhr und donnerstags von 13.30 bis 16 Uhr

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Autor:

Britta Bender aus Annweiler

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