BriMel unterwegs
Interessanter und unterhaltsamer Krimivortrag von Andreas Stenger
Böhl-Iggelheim, OT Iggelheim. Am 17. September abends in der VHS und gespannte Vorfreude auf den LKA-Präsidenten Andreas Stenger mit seiner Assistentin Eva Emnet aus Baden-Württemberg. Die Veranstaltung war kostenfrei und es hatten sich im Vorfeld bereits viele angemeldet. Mit ca. 60 Gästen aus dem ganzen Umkreis zeigte sich wie interessiert die Bevölkerung daran war. Man wollte mehr erfahren von dem Profi über das True-Crime-Genre, über Polizeiarbeit und über Verbrechen. Was aber unterscheidet nun die Fiktion im Film und Literatur von der Realität und dem Alltag der „echten“ ErmittlerInnen? Der Präsident des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, Andreas Stenger, beschäftigte sich exakt mit dieser Fragestellung. Er erläuterte anhand von praktischen Fällen, wie in der modernen Kriminalitätsbekämpfung die innovativen Methoden der Kriminalistik und Kriminaltechnik Ermittlungserfolge möglich machen.
Für Andreas Stenger war heute wieder ein recht ausgefüllter Tag und er kam direkt aus Stuttgart. Nun freute er sich, hier erstmals in dem beschaulichen Örtchen Böhl-Iggelheim mit seinen 10.569 Einwohnern zu sein. Begrüßt wurde er mit herzlichen Worten von Frau Petra Baum, der örtlichen Leiterin der Volkshochschule. Sie freute sich, dass dieser Vortrag so gefragt sei und begrüßte die Referentin für Grundsatzfragen Eva Emnet und LKA-Präsident Andreas Stenger. Der geplante Vortrag hörte sich spannend an. Dafür, dass keine große Werbung gemacht worden war überzeugte der Besucherandrang.
Anschließend stellte sich dieser fast zwei Meter große attraktive Mann vor. Er wohne in der Nähe von Mannheim und war von ´2019 bis 2021 Polizeipräsident in Mannheim. Andreas Stenger erzählte wie die heutige Einladung zustande kam und startete dann gleich damit, das Publikum mit einzubeziehen. „Wie viele Stunden am Tag laufen im TV-Krimisendungen?“ Man glaubt es kaum, aber es sind 19 von 24 Stunden. Mordfälle in Deutschland gebe es ca. 220 pro Jahr, jedoch im Vergleich zu anderen Ländern auf der Welt seien das nur 0,02 %. Die mediale Berichterstattung auch im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung wird durch Social Media verfügbarer und verbreitet sich schneller und in größerem Umfang. Derzeit geht es häufig um Messerangriffe. Das Landeskriminalamt ist die zentrale Dienststelle für besondere Aufgaben bei der Kriminalitätsbekämpfung in Baden-Württemberg. Neben dem großen LKA-Gebäude in der Taubenstraße in Stuttgart gibt es noch eine Dependance in Karlsruhe, die sich sowohl mit Rauschgifthandel als auch mit Wirtschaftskriminalität befasst. Eine weitere Außenstelle gibt es in Kehl. Dort ist das gemeinsame deutsch-französische Zentrum. Andreas Stenger berichtete souverän, was alles schon vom LKA Stuttgart bearbeitet werden musste: Beispielsweise die Messerstecherei auf dem Mannheimer Marktplatz oder der Fund von 35,5 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen. Im LKA arbeiten 1356 Mitarbeiter, davon 800 Kriminalbeamte und der Rest seien Wissenschaftlicher und Forensiker.
Wie kommt man einem Mörder auf die Schliche? Eine der großen Fragen des Abends. An Opfern werden neben Haaren und Sperma auch kleine Hautschuppen selektiert. Das Kriminaltechnische Institut beim LKA ist für die entsprechende Spurenauswertung zuständig und fungiert gleichzeitig auch als Servicedienststelle für die regionalen Polizeipräsidien. Das Spektrum umfasst unter anderem die Untersuchung von Betäubungsmitteln, Materialspuren, biologischen und textilen Spuren sowie Urkunden, Werkzeug-, Schuh- und Formspuren.
Er erzählte über Geldwäsche und Vorbereitungen zu einer schweren Tat. Auch schwere Umweltstraftaten, organisierte Kriminalität und Korruptionsdelikte von Amtsträgern gehören dazu. Beim internationalen Einführungsschmuggel von Kokain hat man eine riesige Menge gefunden und einfach verbrannt und das war ein Wert von mehreren Milliarden Euro.
Es folgte das Thema zur Digitalisierung des Verbrechens, Cyberkriminalität und Kryptowährungen. Was man alles mit einem gehackten Handy und gefaktem Absender anstellen kann! Durch moderne Autos und Smart Home ist die Digitalisierung in unserem Alltag fest verankert. Dadurch werden aber auch digitale Spuren hinterlassen, die das LKA zurückverfolgen kann. Im kriminaltechnischen Institut kann man mit 3D-Scannern den Ort des Verbrechens rekonstruieren. Andreas Stenger erläuterte das Auffinden einer Leiche und wie man an den Täter kam. Aus dem Publikum kamen zwischendurch interessierte Fragen, die er eloquent beantworten konnte. Die DNA-Analyse im Erkennungsdienst sammeln die Fingerabdrücke, die auch international abgerufen werden können. Von Daktyloskopie war die Rede, das sind anatomische Merkmale. Zwillinge haben zum Beispiel die gleiche DNA, aber nicht die gleiche Daktyloskopie. Das LKA hat kein Drehbuch, an dem sie sich orientieren können.
Nächstes Thema Waffenwirkung und Handgranaten, die man im Darknet ohne Probleme kaufen könne. Die Röntgentechnik und dieser BAO Fokus wurden besprochen. Gewaltvideos von Gangster-Rappern wirken respektlos.
Die Geldautomatensprengung hat die Banküberfälle abgelöst und es gibt etliche davon. Jede Nacht wird in Deutschland ein Geldautomat gesprengt. Solch eine Sprengung wurde mit einer High-Speed-Kamera gemessen, welche Kräfte hier mitspielen. In der Pfalz seien zwei Häuser nach so einer Sprengung abgebrannt. Der Begriff „BAO Pandora“ ist Neuland und beinhaltet Schockanrufe und falsche Polizeibeamte. Durch die Ermittlungen des LKA stellte sich heraus, dass über ein Call-Center bis zu 25.000 Gespräche tagtäglich geführt wurden. Betroffen waren neben Deutschland auch Österreich, die Schweiz und weitere Länder. Beim LKA hat man extra ein eigenes Callcenter über 4 Monate aufgebaut, so dass sie Live-Gespräche am Telefon mitverfolgen können und wissen, wo der Sitz ist. Täter aus dem Balkan und Litauen konnten über Europol dingfest gemacht werden. Sie holten Spezialisten aus verschiedenen Abteilungen und am 19.12. ging es los. Auch Andreas Stenger hatte am Wochenende Telefonate abgehört, die immer die gleiche Masche war. Die Täter rufen immer ältere Menschen an, die sich anhand ihres altmodischen Vornamens aus dem Telefonverzeichnis heraussuchen. Andreas Stenger erzählte von einem Fall sehr anschaulich und dass die Herangehensweise an das Opfer sehr gut gemacht sei und rät „Sofort auflegen“. Die Polizei fragt niemals nach Geld und Wertgegenständen. Das ist eine ganz perfide Masche. Man glaubt es kaum, aber viele ältere Menschen trauen anscheinend keiner Bank und legen ihr Geld lieber zuhause irgendwo hin. Denn würden sie erst zur Bank fahren müssen, um Geld für einen Schockanrufer bei der Bank abzuheben, sind die Bankmitarbeiter sensibilisiert bei so hohen Abhebungen und fragen gezielt nach dem Grund.
OP Plexus war der größte Rauschgiftdeal in Europa und wurde mittels GPS-Tracker gefunden. Das LKA Baden-Württemberg arbeitet auch international mit Rauschgiftermittlern aus Columbien und anderen Ländern zusammen. So kamen sie aufgrund von der Inhaltsangabe „Schmierseife“ auf eine Briefkastenfirma in Mannheim.
Cold Case wurde angesprochen; aber Mord verjährt nie. Die Leichen finden im Fernsehen immer die Pilzsucher oder Gassigänger. So gibt es die forensische Archäologie, die sich damit befasst, ob die gefundenen Schädel einer länger zurückliegenden Tat zugeschrieben werden können oder ein historischer Fund sind. Das LKA arbeitet hier eng mit dem Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim zusammen. Ein See-Leichenfund kann oft erst entdeckt werden, wenn die faulenden Gase die Leiche an die Wasseroberfläche treiben. Auch Pflanzen-DNA kann festgestellt werden, so dass der Tatort der Leiche anhand von bestimmten Bäumen und Blättern zu suchen ist. Auch Leichenspürhunde werden hierzu eingesetzt.
Egal, was aus den Publikumsreihen gefragt wurde, Herr Stenger blieb keine Antwort schuldig und verpackte sie in kleine Anekdoten teils auf witzige Art. Frotzelnd meinte er, er habe heute einen pädagogischen Auftrag. Er sprach über Erpressung, in diesem Fall fünf Gläser vergiftete Babynahrung. Wie findet man 5 Gläser in etliche Paletten von Babygläschen? Sie wurden gewogen und nach Anomalien aussortiert und analysiert. Bei einer Verkehrsunfallflucht werden Lacke und Glassplitter untersucht und in einer großen Datenbank verglichen und herausgefiltert. Beim Anschlag auf der A5 bei Hirschberg schlug ein Gegenstand durch die Autoglasscheibe und tötete eine Frau. Eine Brücke war nicht in der Nähe, nur riesige Flächen Landwirtschaft. In akribischer Suche fand man heraus, dass ein landwirtschaftliches Teil die Scheibe durchschlug. Als letztes ging es um Mord oder Suizid. Wie kann man feststellen wie das Opfer zu Tode kam? Es war höchst interessant, auf was Kriminalbeamte alles achten müssen und letztendlich rekonstruieren.
Andreas Stenger fühlte sich wohl, traf Arbeitskollegen und -kolleginnen aus früheren Jahren und machte nicht nur bis 20 Uhr sondern hängte noch eine halbe Stunde dran. Und wenn man das Feedback wahrnahm, waren sich alle einig, dass dies ein sehr interessanter Abend war mit einem gut aufgelegten LKA-Präsidenten. (mel)
Autor:Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim |
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