BriMel unterwegs
Interessanter VHS-Vortrag von Professor Stöve zur Wirbelsäule
Böhl-Iggelheim, OT Iggelheim. Am Abend des 10. September fand in der Peter-Gärtner-Realschule plus ein von der Volkshochschule angekündigter Fachvortrag zu Wirbelsäulenerkrankungen – Ursachen und Behandlungsmethoden statt. Vom Sankt Marienkrankenhaus in Ludwigshafen, in der Herr Professor Dr. med. Johannes Stöve Chefarzt der Orthopädischen und Unfallchirurgischen Klinik ist, beleuchtete er die verschiedensten Wirbelsäulenerkrankungen. Die Symptome der Erkrankungen von Knochen, Bandscheiben und Weichteilen sind ebenso Thema wie die verschiedenen konservativen und operativen Therapiemöglichkeiten. Es geht insbesondere um die Frage, bis wann konservativ behandelt werden kann und wann eine Operation notwendig ist.
Frau Petra Baum, die örtliche Leiterin der VHS, begrüßte alle Gäste und freute sich, dass der gern gesehene Gast Professor Stöve heute dies vorgenannte Thema behandeln wollte. Sie hatte schon befürchtet, den Vortrag mangels Teilnehmer, an der Zahl zwei, absagen zu müssen. Und dann gab es kurz vorher so viele Anmeldungen, dass der Saal plötzlich mit 20 TeilnehmerInnen gut gefüllt war.
Den Einstieg machte eine kurze Fragerunde, wer denn alles Wirbelsäulenprobleme habe und welche, denn da gibt es jede Menge, wie Hexenschuss, Bandscheibenvorfall, Ischias, Gleitwirbel oder zu enger Rückenmarkskanal. Vor jeder Behandlung müsse erstmal eine präzise Diagnose gestellt werden. Vor Wirbelsäulenproblemen ist keiner gefeit, auch nicht als Arzt. Unter Rückenschmerzen leiden 80 %, 50 % über 50-Jähige haben eine Bandscheibenvorwölbung oder einen -vorfall und 30 % aller Menschen haben tiefsitzende Rückenschmerzen vom Kreuzdarmbeingelenk kommend, dem wohlbekannten Hexenschuss. Das Bewegungssegment verläuft vom oberen bis zum unteren Wirbelkörper. Zwischenfrage aus dem Publikum „Woher kommt ein Hexenschuss?“ Das wisse man nicht genau wo er herkommt. Er entsteht durch eine Fehlbelastung der Wirbelsäule. Ein Hexenschuss ist zwar unangenehm, aber nicht gefährlich. Er verglich die Bandscheibe mit einem mit Marmelade gefüllten Berliner (Süßgebäck), welches er anhand seiner Präsentationsfolien veranschaulichte. 80 % der Rückenschmerzen können konservativ behandelt werden. Häufig sind die Schmerzen selbstlimitierend und verschwinden nach sechs Wochen wieder.
Er kam zur Anatomie und den Wirbelsäulenfunktionen: Das Muskelkorsett (Powerhouse), Rücken- und Bauchmuskulatur, ein schräg und gegeneinander senkrecht auslaufendes Muskelsystem. Es gebe im Wirbelkörper Stütz- und im Rückenmark Schutzfunktionen, außerdem die Federungsfunktion mit den Bandscheiben und Doppel-S-Form, die vor Stoßbelastungen schützen, und die Bewegungsfunktion. Die gesunde Bandscheibe ist nicht durchblutet und besitzt keine Nervenendigungen. Je mehr Wasser die Bandscheibe aufsaugt, desto praller, elastischer und fest ist sie. Je vielseitiger die Bewegung eines Menschen ist, desto intensiver ist die Vitalstoffzufuhr und Wasserversorgung. Es liegt viel Last auf der Wirbelsäule, deshalb nicht nur Sitzen, sondern abwechselnd stehen, laufen und liegen. Wenn im Stehen Schmerzen entstehen hängt das mit dem Spinalkanal zusammen.
Schmerzwahrnehmung und Entstehung des chronischen Schmerzes: Es gibt etwa 200 Schmerzmöglichkeiten an der Wirbelsäule. Muskulärer Schmerz, Bandscheibenschmerz, Nervenkompressionsschmerz und Arthroseschmerz mit 50 Facettengelenken und 24 Zwischenwirbelräumen. Frage zwischendurch: Immer Schmerztabletten nehmen? In einer akuten Phase darf man das, sollte aber auf die Nebenwirkungen achten und nicht überdosieren. Um mobil zu bleiben, kann man Schmerzen durch Physiotherapie lindern. Akute Schmerzen entwickeln sich zu chronischen Schmerzen, wenn sie nicht ausreichend gelindert werden. Das Schmerzgedächtnis (auch Nervenzellen können lernen) ausschalten und einfach Sport machen und bewegen, mobil bleiben, damit sich das nicht im Kopf verfestigt. Desto besser schlägt eine Therapie an.
Schmerzursachen können sein: Hexenschuss, Bandscheibenerkrankung, Bandscheibenvorfall, Arthrose der kleinen Wirbelgelenke, Wirbelgleiten/Instabilität, Syndrom des engen Rückenmarkkanals und Osteoporose. Der Abnutzungsprozess der Bandscheiben ist bereits ab dem 25. bis 30. Lebensjahr nicht mehr zu stoppen. Es gibt gar nichts, was die Abnutzung aufhalten kann. Alle angepriesenen Mittelchen helfen nichts.
DDD-Dark (Degenerative) Disc Disease kommt häufig bei jungen Männern vor oder ein tiefsitzender Rückenschmerz, es können aber auch ausstrahlende Schmerzen bis in die Beine hinunter sein. Es ist sehr vielfältig und reicht von konservativ bis operativ. Abhilfe schafft Gewicht kontrollieren, Bauchmuskulatur aufbauen, Beweglichkeit und Verhalten anpassen, heißt, dass es nicht zuträglich ist, vier Stunden lang in gebückter Haltung zu arbeiten. Bei 80 % der symptomatischen Bandscheibenvorfälle ohne neurologisches Defizit schlägt eine Therapie sehr gut auf konservative Therapiemaßnahmen an. 20 % der symptomatischen Bandscheibenvorfälle können nur durch eine Operation erfolgreich behandelt werden, wobei 75 % sehr zufrieden, 10 % mäßig zufrieden und 15 % nicht zufrieden sind.
Die Arthrose der kleinen Wirbelgelenke vergleicht Herr Professor Stöve dann wieder mit den Berlinern. Es gibt einen Höhenverlust der Bandscheibe, Mehrbelastung der Facettengelenke, vermehrter Knorpelabrieb, Spondylarthrose, Versuch der muskulären Stabilisierung und letztendlich muskuläre Erschöpfung. Die Symptome der Spondylarthrose sind tiefsitzender Rückenschmerz, Schmerzverstärkung beim Bergabgehen, Schmerzentlastung beim Beugen, Schmerzauslösung bei Seitneigung der Wirbelsäule und gelegentlich ins Bein ausstrahlende Schmerzen. Als Therapie eignen sich rücken- und rumpfstärkende Physiotherapie, lumbales Stützkorsett, Infiltrationsbehandlung, elektrothermische Facettendenervierung und Versteifung/Fusion. Symptome können tiefsitzende Rückenschmerzen, in Oberschenkel und Gesäß ausstrahlende Beschwerden, starkes Hohlkreuz, gegebenenfalls Seitausbiegung der Wirbelsäule (Skoliose), Verkürzung der sogenannten Hamstring-Muskulatur oder Druckschmerz im betroffenen Segment sein.
Die Spinalkanalstenose kommt wegen des zu engen Rückenmarkkanals zustande. Von Symptomen der Schaufensterguckerkrankheit war die Rede, arterielle Durchblutungsstörung. Zum Schluss befasste er sich noch mit dem Thema Osteoporose genauer, was eine Minderung von Kalksalzmineralgehalt und Grundsubstanz darstelle, ab 30 % Minderung ist es radiologisch erkennbar, er sprach von der „Peak bone mass“, dem Maximalwert der Knochenmineralisierung und damit der Knochendichte, wobei es in 30 Lebensjahren schnell oder langsam voranschreiten kann, egal ob bei Mann oder Frau. Durch Messung und Röntgen kann man Osteoporose feststellen. Man kann nicht operieren, sondern stabilisiert seine Knochen mit einer Basistherapie oder Kombitherapie mit Medikamenten (Bisphosphonate). Prophylaxe hierfür sind wiederum Bewegung, axiales Krafttraining, Sturzprophyslaxe, gegebenenfalls Stützkorsett, calciumhaltige Ernährung und ausreichende Sonnenexposition. Professor Stöve empfahl die von der Volkshochschule angebotene Rückenschule und Verhaltensmaßnahmen zu verinnerlichen. Dynamisches Sitzen, bewegte Pausen, Training von Rücken- und Bauchmuskulatur seien zudem förderlich.
Nach einer anschließenden kurzen Fragerunde und einem kräftigen Applaus endete der interessante Vortrag über die Wirbelsäule. (mel)
Autor:Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim |
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