Schauspiel von Dorian Brunz | Uraufführung
Da ist etwas im Nebenzimmer. Ein Kind, angeblich malt es, aber man kann sich nicht sicher sein, die Tür ist geschlossen, man wagt nicht, sie zu öffnen.
Es ist eine unheimliche Szenerie, mit der der junge Autor Dorian Brunz, 1993 in Berlin geboren, Absolvent der Berliner Universität der Künste im Fachbereich Szenisches Schreiben, sein Stück beginnt. Auf der anderen Seite der Tür befindet sich ein Paar: Ella, die in wenigen Stunden nach New York fliegen will und dort als frisch ernannte Sonderbeauftragte der UNO eine Rede für die Menschenrechte halten wird, und ihr Lebenspartner Kai, der eigentlich auch auf eine wichtige Konferenz zum Thema Umweltschutz nach Zürich eingeladen ist. Doch Kai unternimmt keinerlei Anstalten, sich reisefertig zu machen. Tropfnass, oder wie es in Dorian Brunz’ lapidarer Regieanweisung heißt: »Regenmantel und Kai sind nass«, steht er in der gemeinsamen Küche. Der Mann ist eine einzige Pfütze, will den Mantel nicht ausziehen, sich nicht setzen, im durchweichten Zustand verharren. Was ist geschehen? Erst nach und nach, bruchstückhaft, kann der Zuschauer sich ein Bild machen.
Denn was Kai eigentlich sagen müsste, wird das eingespielte Leben dieses kinderlosen Paares vermutlich aus den Angeln heben. Kai kommt gerade von der Mutter des Kindes, die in seinem Beisein verstorben ist. Sie hat Kai auf dem Sterbebett gebeten, dass Ella und er das Kind bei sich aufnehmen. Kai fühlt sich an den letzten Willen einer Sterbenden gebunden. Doch ein Kind, noch dazu ein fast fremdes, passt nicht zum Leben der beiden, in dem es, wie Ella es beschreibt, »weder Hunde noch Teppiche« gibt und man sich nur umarmt, wenn man vom anderen dazu aufgefordert wird. Die Welt retten – ja! – aber das Kind im Nebenzimmer? Hat Ella nicht recht, wenn sie Kais plötzliche Bereitschaft, ein Kind aufzunehmen, als eine romantische, zum Scheitern verurteilte Spinnerei abtut?
In atmosphärischer Dichte zeichnet Dorian Brunz die heillose Verwirrung eines Paares nach, dessen Lebensentwurf plötzlich kraftlos wird, weil sicher geglaubte Wahrheiten ins Wanken geraten.
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