Mut-Tour: Gemeinsam für einen offenen Umgang mit Depression
„Depression ist nicht gleich Klapse!“
Frankenthal. Drei Tandems, sechs Personen, mit einer kompletten Outdoor-Ausrüstung und gekleidet in Shirts mit dem Logo „Mut-Tour“. Mit einem Strahlen im Gesicht fahren sie durch die Region. Eine Person trägt ein Smiley vor dem Gesicht, doch warum? Sie wollen aufmerksam machen. Aufmerksam auf ein Thema, wo viele nicht drüber sprechen wollen: Depression.
Auf ihrer Mut-Tour fahren sie quer durch Deutschland. Immer in 6er-Teams, mit Tandems oder zu Fuß. Montags war die Gruppe in Karlsruhe gestartet und fuhr über Mannheim, Ludwigshafen, Frankenthal, Grünstadt, Landstuhl, Homburg, Kaiserslautern bis nach Trier.
Bei einem Halt auf dem Frankenthaler Rathausplatz konnte man mit den Tandem-Fahrern ins Gespräch kommen. Sie sind zwischen 23 und 74 Jahren alt. „Allein an unserer Gruppe sieht man, dass man eine Depressionserfahrung in jedem Alter machen kann“, erzählt uns Mathias, 33 Jahre alt. Depressionserfahrung nennt er es.
„Ja, ich bin ein depressionserfahrener Mensch. Das bedeutet, ich hatte eine depressive Episode in meinem Leben. Heute bin ich glücklich.“ Er ist dankbar, dass er – zum ersten Mal ist er dabei – die Mut-Tour mitmachen kann. „Ich möchte über das Thema reden und dafür sorgen, dass es keine Stigmatisierung gibt. Depression ist nicht gleich Klapse“, berichtet er weiter. Immer wieder werde man – sobald man über Depression spricht – schief angesehen, berichten die anderen. „Manche Menschen haben Verständnis, andere nicht. Da heißt es beispielsweise „klar sie wollen ja nur nicht arbeiten“ oder „die hat einen an der Klatsche“. Diese Krankheit ist gleichzusetzen mit manch körperlicher Krankheit, beispielsweise Diabetes. Man hat es, meist sein Leben lang und man kämpft ein Leben lang, aber deswegen ist man immer noch Teil der Gesellschaft und bringt sich auch ein“, berichtet Antoniya, 31 Jahre alt. „Wir wollen den Menschen, die das Gefühl haben es stimmt was nicht, Mut machen. Viele trauen sich nicht Hilfe zu holen oder mit Freunden/Familie darüber zu reden. Sie haben Angst vor dem Klischee, haben Angst vor den Konsequenzen.“ Deswegen trägt eine Teilnehmerin auch einen Smiley.
Der Smiley steht genau dafür. Berufliche Benachteiligung, Mobbing oder eben das berühmte Abstellgleis. Viele trauen sich nicht ihre Erkrankung öffentlich zu machen. Aus Angst einen schlechteren oder gar keinen Job zu bekommen oder eben den Freundeskreis zu verlieren. „Wir haben den Smiley als Repräsentant für die vielen Anderen mitgenommen, die es sich nicht erlauben können, ihre Depression öffentlich zu machen“, so Antoniya weiter.
Depressionen sind behandelbar. Sie zeigen sich in ganz unterschiedlicher Form. „Auch eine Traumabewältigung, Gewalt in der Jugend, Stoffwechselstörung oder Angst können Grund für eine depressive Erfahrung sein. Wichtig ist: Holen Sie sich Hilfe“, so Antoniya und Mathias, bevor sie auf ihrer Tour durch Rheinland-Pfalz weiterfuhren.
Hintergrund
Im Rahmen der Mut-Tour setzen sich bundesweit Menschen für weniger Angst und Scham im Umgang mit psychischen Erkrankungen ein. Seit 2012 haben 241 Teilnehmer per Tandem und zu Fuß 30.700 Kilometer zurückgelegt, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Depression wird auch noch heute stigmatisiert. Mutige Teilnehmer möchten anderen Mut machen, Hilfe anzunehmen und in den Dialog zu treten. Die Teilnehmer nehmen offen das „D-Wort“ in den Mund und tragen ihren unverkrampften Umgang mit der Erkrankung nach außen. Weitere Informationen zur Mut-Tour und wie man sich beteiligen kann unter www.mut-tour.de. gib
Anlaufstellen:
Seelefon: 01805950951
Info-Telefon Depression: 08003344533
Sozialpsychiatrischer Dienst, Telefon 0621 5909260
Haus der Diakonie, Telefon 06233 3054640
Informationen rund um das Thema Depression, Angst- und Panikstörungen gibt es unter www.depressionsliga.de, www.deutsche-depressionshilfe.de oder www.telefonseelsorge.de.
Autor:Gisela Böhmer aus Frankenthal |
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