Klimawandel macht Trend-Hobby anspruchsvoller
Der Hype ums Imkern
Frankenthal. Die wärmeren Sonnentage im März und April ziehen die Bienen wieder nach draußen. Weil sie als Bestäuber eine Schlüsselrolle für den Naturerhalt haben, liegt das Imkern derzeit im Trend. Immer mehr Leute holen sich einen Bienenstock in den eigenen Garten. „Seit ich das Hobby habe, nehme ich die Natur ganz anders wahr. Ich weiß, wann der Ahorn blüht und wann die Linde“, erzählt Mark Becker, Vorstand des Imkervereins Frankenthal.
Durch saisonal untypische Temperaturen hat es die Biene aktuell schwer. „Mir passiert es in letzter Zeit öfter, dass ich eine Kiste öffne und sie leer ist oder ich nur noch tote Bienen darin finde“, berichtet der 35-jährige Alex Hüter, Vizechef des Frankenthaler Imkervereins. Er betreut am Rand von Studernheim 15 Bienenvölker.
„Die Verlustquote im letzten Winter lag in Frankenthal bei 50 Prozent“, sagt Becker. Demnach kamen nur die Hälfte der Völker über den Winter. Schon Frühling und Sommer 2021 waren kalt und nass. Daher konnten die Bienen kaum ausfliegen. Zudem ließen die Spätfröste die Blüten früh abfallen. Den Bienen musste zugefüttert werden und sie starteten schon geschwächt in den Winter, der dagegen untypisch warm war. „Bei solchen Temperaturen stoppt das Volk das Brüten nicht. Die Tiere brüten den Winter durch, was sonst nur im Sommer passiert“, erklärt Becker: „In der Brut vermehren sich die Varroamilben. Wintermedizin gegen die Milbe ist in der verdeckelten Brut unwirksam.“ Die Schädlinge haben sich bis ins Frühjahr so stark vermehrt, dass Frankenthaler Imker wie überall enorme Verluste erlitten. Auch Monokulturen wie Zuckerrüben, Mais und Wein, sowie die Pestizide tragen ihren Teil zum Bienenschwund bei.
Dennoch erfährt das Imkern einen Hype, wie Hüter erzählt. Die Imkerverbände erhalten Zuwachs. Laut Imkerverband Rheinland-Pfalz stieg die Zahl der Hobby-Imker in den letzten zehn Jahren von 1500 auf 2500, die heute zusammen 15.000 Völker betreuen. Der Frankenthaler Verein hat 80 Mitglieder, das Gebiet erstreckt sich von Frankenthal bis nach Hertlingshausen.
Vor allem junge Leute zieht das Hobby an. Die Motivation ist, etwas für die Umwelt zu tun. Bei dem 36-jährigen Becker war es das schwindende Vertrauen in die Lebensmittelindustrie. Becker erklärt: „Nur sehr wenige Honigsorten bleiben von Natur aus flüssig. Robinien- und Akazienhonige sind Beispiele aus der Region. Blütenhonige wie die Frühjahrsblüte, die von Obstbäumen und Löwenzahn kommt, kristallisieren nach wenigen Wochen aus.“ Auskristallisierter Honig könne nur durch Erwärmen wieder verflüssigt werden, was bei über 40 Grad wichtige Inhaltsstoffe zerstöre. Um Verbrauchern flüssigen Honig anzubieten, sei dieser meist behandelt oder stamme aus Importen, die ähnliche Eigenschaften wie der Robinienhonig hat.
Das klimawandelbedingt wechselhafte Wetter macht das Imkern zunehmend komplizierter. „Vielen ist nicht bewusst, dass es ein zeitaufwendiges, teures Hobby ist, mit dem viele Pflichten verbunden sind“, erklärt Hüter: „Einige kommen ihrer Meldepflicht beim Veterinäramt nicht nach. Im Fall von Seuchen oder Krankheiten wie der Faulbrut, kann das Amt die Ausbreitung nicht verhindern.“
Auch immer mehr Supermärkte halten Bienen. So lässt Edeka Stiegler auf dem Dach zwei Völker vom erfahrenen Hobby-Imker Reinhold Höchst betreuen. Seit 2018 produziert der Markt rund 100 Gläser pro Jahr für den Verkauf. Im schlechten Honigjahr 2021 waren es nur 60 Gläser. „Edeka Stiegler will mit den Bienen einen Nutzen für die Umwelt und damit für uns alle leisten. Denn die Bienen halten unsere Ökosysteme am Laufen. Gleichzeitig bietet der regionale Honig Kunden einen Mehrwert“, erklärt Helmut Wallmen, Edeka Stiegler Frankenthal. Der Verkauf decke gerade so die Kosten, die Imker Höchst durch Anfahrten und Medizin für die Bienen habe.
Laut Imkerverein bestäuben einige der 70 Wildbienenarten zehnmal so viele Pflanzenarten wie Honigbienen. Sie schwinden aus ähnlichen Gründen. Hinzu kommen fehlende Blühflächen. Bienenfreundliche Balkons und Gärten bringen daher einiges, vor allem das Pflanzen von Spätblühern wie Sommerflieder oder Sonnenblumen oder von Bäumen wie Linden und Stinkeschen.
Wie das Jahr 2022 für die Biene wird, muss sich zeigen. „Frostempfindliche Obstbäume und Raps blühen wieder viel zu früh“, erklärt der Chef des Landesimkerverbands Thomas Hock. „Die Imkerei findet angesichts der schwierigen Bedingungen für die Biene zunehmend neue Lösungen. So lässt sich im Winter die Brut aus dem Stock nehmen.“ Die Biene sei schätzungsweise 60 Millionen Jahre alt, so alt wie die Blüten der Fauna. Hock hofft daher, dass sie sich anpassen kann, wie es ihr bisher in jedem Zeitalter gelungen ist. jg
Wer sich für die komplexen Vorgänge im Bienenvolk interessiert und das Imkern lernen will, kann sich unter der Telefonnummer 0176 63694098 für den VHS-Kurs „Hobby-Imkern“ anmelden. Imker Reinhold Höchst zeigt wichtige Handgriffe, erklärt den Hintergrund sowie rechtliche Fragen. Am Ende erhalten die Teilnehmer einen Ableger aus einem Bienenstock Höchsts, also ihr eigenes Volk. Ein weiterer VHS-Kurs widmet sich Vorträgen rund um die Biene und ermöglicht gegen eine Miete, ein eigenes Bienenvolk auf Höchsts Grundstück oder im eigenen Garten zu halten. Nachrücker für die kürzlich gestarteten Kurse sind willkommen sowie auch Leute, die nur mal reinschnuppern wollen.
Autor:Stadtmagazin Frankenthaler aus Frankenthal |
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