Geht’s auch ohne Plastik?
Selbstversuch beim Wochenblatt – eine Woche plastikfrei Teil 3
Plastikfrei. Immer wieder hört man das Plastik unsere Umwelt verseucht. Plastikflaschen, Plastikverpackungen. Einerseits hat Plastik unser Leben vereinfacht, bietet mehr Frische und Flexibilität. Andererseits belastet es unser Öko-System – ein Teufelskreis? Bereits in den vergangenen Wochen haben wir das Thema aufgegriffen und über unseren Selbstversuch berichtet. In dieser Woche informieren die Einzelhändler als auch die Industrie, wie sie zu dem Thema Plastik stehen.
Plastik ist überall, es geht nicht ohne. Wer Plastik dem richtigen Recycling-System (bei uns die gelben Säcke) zukommen lässt, leistet bereits einen wichtigen Beitrag, dass weniger Plastik in den Weltmeeren endet. Doch kann man Plastik wirklich vermeiden oder völlig aus unserem Leben verbannen? Das Wochenblatt sprach mit Professor Dr.-Ing. Achim Grefenstein, SeniorVice President Group R&D bei Constantia Flexibles. Er befasst sich beruflich wie auch privat mit dem Thema Plastik und Plastikvermeidung. Auch er setzt sich dafür ein, dass Plastik nicht in die Weltmeere gelangt. „Global haben Verpackungen sicher einen großen Anteil, wobei die Hauptmengen nur in den Ländern eingetragen werden, die noch keine funktionierende Abfallinfrastruktur haben. Also gilt es zunächst auch daran zu arbeiten. Die sogenannten Mikroplastics entstehen aber oft nicht durch Zerreiben von Verpackungen in den Meeresströmungen. Wussten Sie, dass heutzutage sehr vielen Cremes, Zahnpasta, Kosmetika Mikroplastikpartikel als Rezepturbestandteil zugesetzt wird? Dieser unselige Trend muss gestoppt werden, wobei hier einige Länder wie Schweden zum 1. Juli dieses Jahres schon entsprechende Vorschriften erlassen haben und viele Hersteller aus Eigenverantwortung keine Mikroplastik mehr einsetzen“, berichtet Achim Grefenstein. Auch mit weiteren Mythen kann er aufräumen, beispielsweise der Vorstellung, dass Bio-Plastik umweltfreundlicher ist. „Bisher ist kein Biopolymer bekannt, welches rückstandsfrei in Salzwasser abbauen würde. Fast alle bauen überhaupt nicht ab, viele auch nicht an Land unter Umgebungsbedingungen, sondern nur bei erhöhten Temperaturen in der Industriekompostierung. Dabei entsteht aber meist kein Kompost, sondern in der Regel CO2, Wasser und Methan. Constantia Flexibles arbeitet deshalb mit Biopolymeren bevorzugt bei speziellen Anwendungen, wie durch Nahrungsmittel verunreinigten Verpackungsformaten, welche nicht zu recyceln sind“.
Ein völliges Verbot von Verbundprodukten, wie es in manchen Ländern gefordert wird, sieht Achim Grefenstein aber skeptisch: „Es wäre sicher die falsche Entscheidung, flexible Verpackungen zu verbieten, da diese in Bezug auf die Ressourceneffizienz immer noch die beste Lösung sind, da hier der Materialverbrauch am geringsten ist. Natürlich muss sich die Industrie Gedanken machen, wie es weiter geht. Ein sortenreines PE und ein sortenreines PP wäre hier eine Lösung. Denn immer, wenn das Plastik aus verschiedenen Stoffen zusammengesetzt ist, beispielsweise für die so genannte Barrierewirkung (vor allem gegenüber Sauerstoff) bei Snacks, Kaffee oder Trockensuppe, entsteht eine ungünstige Kombination für das Recycling. Hier kann reines PP oder PE in Kombination mit hauchdünnen Barriereschichten eine Lösung sein“. Und – bezogen auf den Selbstversuch – Achim Grefenstein hat damit recht: Mehr Glas, mehr Konservendosen würden verbraucht, diese müssen ja ebenfalls wieder recycelt werden.
Bei den großen Supermarktketten wurde indes noch etwas deutlich – was auch der Eigenversuch zeigte – es sind unsere eigenen Ansprüche, ob bei der Hygiene, Optik oder eben unserem Einkaufsverhalten. Sowohl Edeka als aus „real“ beschäftigen sich intensiv mit der Reduzierung von Plastik. Sie sagen aber auch klipp und klar: Ohne Plastik geht es nicht.
„Edeka beschäftigt sich intensiv mit der Reduzierung von Plastik. Mit Blick auf das Eigenmarkensortiment prüft Edeka kontinuierlich umweltfreundlichere Verpackungsalternativen. So wird bereits ein großer Teil der Edeka Obst- und Gemüse-Eigenmarken auf Kartonschalen angeboten. Bei vielen Bio-Produkten verzichten wir mittlerweile komplett auf Verpackungen und bieten sie lose an. Die Produkte werden stattdessen einzeln mit Etiketten oder einer Banderole versehen. Wir empfehlen zudem, Obst und Gemüse falls möglich ohne Tüte abzuwiegen, um den Einsatz von Einwegbeuteln zu reduzieren. Unser generelles Ziel ist es, bei allen Edeka-Produkten den ökologischen Fußabdruck deutlich zu reduzieren. Daher haben wir gemeinsam mit WWF als unserem Partner für Nachhaltigkeit ein Bewertungssystem für Verpackungen entwickelt, das unterschiedliche Umwelt-Parameter berücksichtigt. In Deutschland bestehen viele gesetzliche Anforderungen und Richtlinien, die bei der Verpackung von Lebensmitteln einzuhalten sind. Darüber hinaus stellen wir besonders hohe Ansprüche an die Verpackung von Fleisch- und Wurstwaren, um die Ware in seiner definierten Qualität zu erhalten und durch die optimale Verpackung zu schützen. Die Verpackung soll das Lebensmittel zum Beispiel vor hygienischen Mängeln, Veränderungen der Zusammensetzung, Fremdgerüchen durch Licht, Sauerstoff, Feuchtigkeit und dem Austrocknen schützen“, so Isabell Schönhuth, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Edeka Südwest.
Alja-Claire Dufhues, Unternehmenskommunikation von „real“, hat hier ebenfalls eine klare Aussage: „Auch wir nehmen den seit mehreren Jahren aufstrebenden gesellschaftlichen Trend nach einer Reduzierung, wenn nicht gar Vermeidung von Verpackungsmaterial wahr, und haben daher auch bereits bei der Verpackung von Eigenmarkenprodukten, wie auch bei unserem Tragetaschenangebot reagiert. Daher ist es heute schon möglich, dass Kunden zum Beispiel in der Obst- und Gemüseabteilung auf die kleine Plastiktüte beim Abwiegen verzichten. Allerdings werden diese gerne von vielen Kunden aus hygienischen Gründen und zum Schutz loser Artikel im Einkaufswagen während des weiteren Einkaufs genutzt. Im Frischebereich, wie zum Beispiel an der Wurst- oder Käsetheke, ist eine Verpackung der Waren, nicht zuletzt aus hygienischer Sicht, unumgänglich. Jedoch werden durch den direkten Verkauf von Wurst, Fleisch und Käse an der Frischetheke deutliche Mengen Verpackungen eingespart. Auch frisch im Markt verpacktes Fleisch aus unserem SB-Sortiment verursacht durch eine optimierte Verpackung weniger Verpackungsmüll als zentral abgepackte Ware. Bei Bio-Artikeln kommt noch der Aspekt der Unterscheidung von konventionellen Produkten hinzu. Denn gibt es ein Produkt in Bio-Qualität, muss es als solches gekennzeichnet sein. Auch schreibt die EG Öko-Basisverordnung 834/2007 vor, dass Bioprodukte nicht mit konventionellen Produkten vermischt werden dürfen, wenn sie unter dem Biosiegel vermarktet werden. Durch die Verpackung vermeiden wir eine Verwechslung beziehungsweise Vermischung mit konventioneller Ware sowohl beim Transport als auch durch unsere Kunden. Bei jeder Form der Verpackung ist es selbstverständlich wichtig, dass der Verbraucher die ihm zur Verfügung gestellten Entsorgungsmöglichkeiten richtig nutzt, so dass der Verpackungsmüll recycelt werden kann. Bereits seit über einem Jahr verzichten wir auf den Verkauf von Plastik-Tragetaschen. Dadurch werden jährlich rund 49 Millionen Plastiktragetaschen eingespart. Dies entspricht einer Reduzierung von rund 940 Tonnen Kunststoff. Bei der Auswahl der weiterhin kostenpflichtigen Einkaufstaschen legen wir größten Wert auf die vielfache Wiederverwendungsmöglichkeit. So finden unsere Kunden, die keine Mehrwegtragetasche dabeihaben, in allen unsern Märkten deutschlandweit verschiedene umweltschonendere Tragetaschenalternativen an den Kassenzonen sowie an den Selbstbedienungskassen“.
Auch vor Ort sind die Einzelhändler befragt worden. Sven Stiegler von Edeka Stiegler teilte mit, dass er sehr wohl die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz im Auge hat. „Oftmals sind es aber hygienische Gründe, wieso Produkte eingepackt werden“. Doch auch er denkt mit und zeigt seine Verantwortung für das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Ob regionale Produkte, Bio-Produkte und – wo es geht – der Verzicht auf Plastiktüten, es gibt viele Möglichkeiten, einerseits hochwertige Produkte zu kaufen, andererseits aber auch nicht die Umwelt zu schädigen.
Fazit aus dem Selbstversuch:
Klar ist, wir können nicht plastikfrei leben, aber wir können den Einsatz von Plastik in unserem Alltag minimieren. Mit ein wenig Planung, Kalkulation und bewusstem Einkaufen schafft man es, den Verbrauch von Plastik zu verringern. Und vielleicht das aller Wichtigste ist, man muss den Plastikmüll dem richtigen Recyclingsystem zukommen lassen. So hat der riesige Berg Plastik die Chance, nochmals verwendet zu werden. Und ganz klar, zumindest in Deutschland, wer es richtig entsorgt, leistet seinen Beitrag dazu, dass es nicht im Meer landet. Sowohl der Einzelhandel als auch die Industrie sind daran interessiert, Lösungen für das Plastikproblem zu finden. Doch nur wenn alle gleichermaßen ihren Beitrag leisten, kann das weitere Einbringen von Plastikmüll in unsere Meere verhindert werden. Dann braucht man aber auch noch eine Lösung für das viele Plastik, dass bereits in den Meeren ist. Doch auch daran wird zum Glück schon geforscht. gib
Autor:Gisela Böhmer aus Frankenthal |
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