Interview mit Musiker Chris Stockert
„Das Virus gibt es wirklich - nehmt es ernst!“

Christian Stockert | Foto: Marion Stein
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Während am Anfang der Coronakrise die Menschen das Virus ernst genommen haben, wächst langsam der Unmut. Verschwörungstheoretiker sprechen von Lügen, einer anderen Macht. Leider erhalten diese – gerade in den sozialen Medien – immer mehr Gehör. „Das ist falsch und macht mir sorgen. Ich selbst und meine Partnerin Silvi haben das Virus gehabt. Es ist keine Grippe. Und: Es gibt das Virus wirklich“, sagt Christian Stockert, bekannt durch Tri Tone, Brass Machine oder 2MOTION. Für ihn ist es wichtig über Covid-19 zu sprechen. Das Stadtmagazin Frankenthaler sprach mit ihm über die Erkrankung, die aktuelle Lage der Musikbranche und die Zukunft.

Gisela Böhmer: Herr Stockert vielen Dank für dieses Interview. Wir fangen von vorne an. Wann haben Sie sich mit dem Virus infiziert?
Christian Stockert: Das war gleich am Anfang der Corona-Pandemie. Bei einem Videodreh haben wir uns bei Bekannten angesteckt. Sie wussten natürlich nicht, dass sie infiziert waren. Rund eine Woche später kamen bei uns die ersten Symptome und daraufhin haben wir uns testen lassen. Am 17. März hatten wir dann die Bestätigung. Zum Glück haben wir niemanden infiziert, da wir uns aufgrund der Lage schon vorher zurückgezogen hatten.

Böhmer: Wie war das für Sie und Ihre Lebensgefährtin?
Stockert: Wenn Dinge passieren – passieren sie eben. Wir hatten keine Angst; nur Respekt. Es war natürlich ein komisches Gefühl, wir haben uns direkt in Isolation begeben, diese wurde ja dann auch angeordnet. Silvi hatte vorher alles frisch eingekauft, somit waren wir bestens versorgt. Als Catering-Fachfrau weiß sie, was man alles benötigt. Auch ihr Freigänger-Kater Nepomuk wurde kurzerhand für drei Wochen zum Stubentiger und die zwei zogen für drei Wochen bei mir ein. Das ist auch eine direkte Probe für eine frische Beziehung.

Böhmer: Wie waren denn bei Ihnen die Symptome?
Stockert: Also am Anfang hatten wir Husten, richtigen Reizhusten, und ein Kribbeln in der Nase, welches mit der Zeit immer schlimmer wurde. Auch uns traf der Geschmacksverlust und der Verlust des Geruchssinns. Meine Partnerin hat es schlimmer erwischt. Sie hatte drei schlimme Nächte, wo ich mir nicht sicher war, ob ich nicht doch den Krankenwagen rufen sollte. Und sie lebt sehr gesund, macht Sport, achtet auf ihre Ernährung, raucht nicht! Es trifft auch fitte Menschen. Sie hatte in diesen Nächten extreme Luftprobleme und tagsüber mit dem Kreislauf zu kämpfen. Ich selbst – obwohl ich ein sogenannter Risikopatient bin und definitiv nicht so gesund lebe wie meine Lebensgefährtin – hatte nur eine schlimme Nacht. Eins können wir klipp und klar sagen: Das hier ist nicht mit einer Grippe zu vergleichen.

Böhmer: Wie waren Sie mit der Informationsweitergabe des Gesundheitsamtes zufrieden?

Stockert: Es waren bei uns zwei Gesundheitsämter zuständig. Für mich Bad Dürkheim und für Silvi Alzey. Wir hatten nicht das Gefühl alleine gelassen zu werden. Natürlich mussten wir am Anfang viel fragen, aber sie haben sich um uns gekümmert. Man hat uns auch gefragt, ob wir jemanden haben, der uns versorgen könne. Wir wurden hier auch nicht stigmatisiert. Und am Ende waren wir insgesamt drei Wochen in Quarantäne.

Böhmer: Was halten Sie von den vielen Verschwörungstheoretikern?
Stockert: Ich kann nachvollziehen, warum Menschen das Virus leugnen, das hat viel mit Angst und Selbstschutz zu tun. Wenn diese Menschen zum Beispiel selbst keinen Bekannten in ihrem Umfeld haben, der das Virus hat oder hatte, wird Corona schnell zum Mythos erklärt, sie suchen sich dann die für einen selbst passenden „Schuldigen“. Grundsätzlich halte ich von Radikalisierungen in jedweder Richtung nichts. Es gab schon immer Pandemien. Das hat niemand erfunden und auch will uns niemand damit etwas Böses.

Böhmer: Das eine ist die persönliche Seite. Auf der anderen Seite sind Sie und Ihre Lebensgefährtin Unternehmer und das in stark betroffenen Bereichen: Catering, Kunst- und Musik und im Verlagsbereich. Wie sehen Sie die Corona-Pandemie wirtschaftlich?
Stockert: Als Musiker: Eine Katastrophe! Uns ist alles weggebrochen. Wir hatten ein komplettes Berufsverbot. Aktuell versuchen wir uns irgendwie über Wasser zu halten. Wir haben ja während unserer Quarantäne komplett fest gesessen. Da ging gar nichts. Wir haben dann Kochvideos von zuhause produziert und Silvi hat sich hier immer Gäste zum Plaudern via Skype zugeschaltet. Auch haben wir uns zusammengetan und ich bin mit in den Verlag involviert worden. Eine neue, frische Homepage war sowieso angedacht und auch den Grafiksatz für einige Printobjekte konnte ich übernehmen, man hält zusammen. Silvi kann mittlerweile kleinere Caterings annehmen und hin und wieder gibt es für mich die Möglichkeit aufzutreten, so wie in Frankenthal am Kunsthaus. Aber: Das ist weiterhin ein über Wasser halten.
Egal wie: Wir leben in einem Land, welches ein super soziales Auffangnetz hat. Auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin, beispielsweise der Soforthilfe für Musiker, die bei 90 Prozent der Kolleginnen und Kollegen keine Anwendung findet, wie auch bei mir nicht. Das hat keinen Sinn. Aber: In persönlichen Gesprächen, beispielsweise mit dem Finanzamt, hat man einiges bewegen können.

Böhmer: Und wie sehen Sie die Zukunft?
Stockert: Irgendwie hängen wir immer noch in einem Berufsverbot, auch wenn man mit kleineren Auftritten wieder raus kann. Viele Veranstalter haben super Hygienekonzepte – dennoch dürfen wir nicht auftreten wie früher. Das stimmt mich teils missmutig. Im Flugzeug sitzen die Menschen eng an eng mit Maske, aber ein Konzert, gerne auch mit Maske, ist nicht erlaubt? Ich bin auch enttäuscht von den in der Öffentlichkeit stehenden, „großen“ Musikern in Deutschland. Sie sind nicht auf die Barrikaden gegangen. Sie haben eine Lobby und könnten zumindest medial einen Beitrag leisten. Ich möchte aber nicht meckern. Wichtig ist, dass wir aus dieser Krise etwas lernen. Außerdem bin ich optimistisch. Es wird schon wieder. Ich denke, dass wir die nächsten Monate weiterhin nur mit kleinen Aufträgen weitermachen können. Wir zwei haben ein paar neue Ideen, wie wir mit den notwendigen Abstands- und Hygieneregeln vielleicht kleinere Events starten können. Wäre doch toll, wenn man vielleicht wieder eine Monte-Fete in Frankenthal ins Leben rufen könnte, oder?

Böhmer: Haben Sie einen Rat an unsere Leser?
Stockert: Ja. Mein Wunsch wäre, dass Menschen wieder Empathie empfinden und ehrlicher mit sich selbst und anderen umgehen. Man kann Corona auch als Chance sehen und nicht nur verteufeln. So gibt uns das Virus die Möglichkeit bewusster zu leben, auch mal umzudenken. Ich persönlich sehe nicht das Negative darin – und ich hatte das Virus – ich hoffe darauf, dass wir optimistisch aus dieser Pandemie herausgehen, es einen Umdenkprozess gibt und Wertschätzung im Allgemeinen, aber auch speziell für Musik und Kunst sowie dem Umgang mit Nahrungsmitteln in unserer Gesellschaft wieder Einzug hält.

Vielen Dank für das freundliche Interview!

Über Chris Stockert

Christian Stockert wurde 1972 in Ludwigshafen am Rhein geboren. Aufgewachsen ist der Musiker in Bobenheim-Roxheim. Seit einigen Jahren lebt er in Freinsheim. Bekannt ist der Künstler durch Tri Tone, welche jeden ersten Donnerstag im Monat im Kulturzentrum Gleis 4 auftreten. Er ist aber auch Mitglied der Band Brass Machine und 2MOTION.
Weitere Informationen unter www.chris-stockert.de

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Autor:

Stadtmagazin Frankenthaler aus Frankenthal

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