ZDF True Crime "XY history" - im Gespräch mit Sven Voss: "Am Ende muss das Gute siegen!"
True Crime / ZDF. Am Mittwoch, 4. September, präsentiert Moderator Sven Voss im ZDF die ersten zwei Folgen der neuen True Crime-Reihe "XY history", die große Kriminalfälle aus der Geschichte aufarbeitet. "Wochenblatt"-Redakteurin Heike Schwitalla hat mit Sven Voss über das neue Sendeformat und über seine ganz persönliche Leidenschaft für True Crime gesprochen.
???: Herr Voss, Sie sind selbst bekennender True Crime-Fan. Worin liegt für Sie der Reiz des Genres?
Sven Voss: „Ich sage immer: Nichts ist spannender als die Realität. Denn der Blick durchs Schlüsselloch fasziniert uns alle. Und tatsächlich bin ich schon mit ‚true crime‘ aufgewachsen. Ich habe schon als Kind versucht, „XY ungelöst“ zu schauen, auch wenn meine Mutter gesagt hat: ‚Nee das ist noch nichts für dich‘. Aber dann habe ich doch den einen oder anderen Blick hinter vorgehaltener Hand erhascht und schon damals ist mir dabei bewusst geworden, da ist ein Unterschied zwischen Krimis und dem, was wirklich passiert. Ich muss sagen, das hat mich geprägt.
Geprägt in dem Sinn, dass ich versuche, aufmerksam durchs Leben zu gehen und Dinge zu beobachten. Deswegen ist ‚true crime‘ für mich nicht nur Unterhaltung, sondern auch ein Format, um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für unsere Umgebung zu schaffen. Vielleicht auch in Form von Hilfsbereitschaft, dass man überhaupt mitkriegt, wenn sich jemand in einer schwierigen Situation befindet. Und deswegen finde ich, ist ‚true crime‘ schon auch wichtig. Also wenn es gut gemacht ist, natürlich - und dafür stehe ich mit den Formaten der ‚XY Familie‘.“
???: Wie unterscheidet sich „XY“ von anderen „true crime“-Formaten?
Sven Voss: „Wir zeigen nicht Gewalt, um Gewalt zu zeigen. Wir verherrlichen nichts, sondern wir versuchen, mit der Realität Aufmerksamkeit zu erzeugen. Und zeigen auch, wie Verbrechen geklärt werden. Es gibt nun mal in der Realität nicht den Super-Ermittler, die Superkommissarin, die einfach einen Schritt machen, dann ist der Fall gelöst und am Ende gibt es ein Happy End.
Wir zeigen die wirkliche Arbeit der Ermittelnden, die auf Grundlage der Möglichkeiten der Kriminaltechnik versuchen, den Täter zur Strecke zu bringen. Deswegen ist es für uns bei den ‚XY Formaten‘ so wichtig, hinter die Kulissen zu schauen und eben genau diese Menschen zu treffen, ihren Blick einzunehmen. Das heißt aber auf der anderen Seite auch, dass wir die Opfer und die Angehörigen nicht vergessen dürfen. Denn klar Verbrechen, das ist auch immer eine sehr emotionale, oft auch eine ganz tragische Geschichte. Und diese Empathie für die Opfer und für die Angehörigen zu haben, das spielt bei all unseren Formaten Rolle. Und das ist es auch, wofür ich auf jeden Fall stehe“.
Mit dem neuen Format 'XY history' geht es nun in die Kriminalgeschichte. Das kann ja durchaus so ein bisschen Schulfachcharakter haben. Was würden Sie sagen, was ist für den Zuschauer der besondere Reiz der Kombi Verbrechen und Geschichte?
Sven Voss: „Wir wollen natürlich mit ‚XY history‘ nicht nur Geschichtslehrer*innen begeistern. Die Frage ist ja, was kann man aus der Geschichte lernen, und gerade in der Verbrechensbekämpfung spielt das – und das wissen viele Menschen ja gar nicht – eine wirklich wichtige Rolle.
Zum Beispiel die erste Folge von ‚XY history‘, da geht es sich um Ernst Gennat, den ersten Berliner Kriminalkommissar, der auch Vorlage für viele fiktionale Geschichten war, und um das, was er damals an Innovationen vorangetrieben hat. Stichwort Mordauto, Stichwort sieben-Punkt- Plan der Verbrechensbekämpfung. Das hat zum Teil noch heute Bestand und das war genau deshalb für uns die Faszination, mal genauer hinzuschauen.
Was gab es denn damals schon? Wie wurde das weiterentwickelt? Was gibt es davon heute noch? Natürlich hat sich unglaublich viel getan im Bereich Digitalisierung, DNA -Abgleich etc., was aber damals wie heute gilt, ist, dass das Böse am Ende nicht gewinnen darf. Dass am Ende das Gute gewinnen muss, auch wenn es Menschen leider nicht mehr lebendig macht, weil ein schreckliches Verbrechen passiert ist. Aber dass ein Verbrecher gefasst wird – dieses Ziel ist damals wie heute gleich.
Und wir zeigen das wirklich auf eine andere, viel spannendere Art als das Schulfernsehen. Wir haben uns unglaublich Mühe gegeben, die alte Zeit aufleben zu lassen. Wir haben alte Bewegtbilder koloriert. Wir haben Bilder in Bewegung gebracht. Wir haben Szenen nachgespielt mit tollen Schauspielern, um einfach auch die Authentizität dieser alten Zeit hervorzurufen. Im Vergleich dazu dann immer wieder der Blick ins Aktuelle.
Da bin ich dann zum Beispiel in Berlin bei Mordermittlern dabei, wenn sie eine Leiche abkleben - natürlich eine Puppe in dem Fall - aber ich kann nachfragen und vergleichen, was wir aus Krimis kennen. Wie viel stimmt davon und was ist tatsächlich in der Wirklichkeit los? Da habe ich unglaublich viele Erkenntnisse bekommen und ich finde wir zeigen das wirklich in 45 Minuten pro Fall sehr sehr eindrucksvoll.“
???: Was waren für Sie die spannendsten Momente der Dreharbeiten?
Sven Voss: „In Berlin in der polizeihistorischen Sammlung. Ich habe in alten Fahrzeugen gesessen, in denen Ernst Gennat damals noch gesessen hat, die er mitentwickelt hat. Ich habe mir im Museum alte Fälle angeschaut, die dort noch wirklich verbrieft sind. Ich habe mir angeschaut, wie damals Fingerabdrücke genommen wurden, habe dann aber auch an einem modernen Mordermittlungsauto gestanden und habe mir von den Kommissarinnen erklären lassen, wie Spurensicherung heute funktioniert. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass alles, was am Tatort gesammelt wird, nicht in Plastiktüten gehört, wie wir es aus Krimis kennen, sondern dass das in Papiertüten gepackt wird - atmungsaktiv, weil ansonsten können natürlich Dinge, an denen DNA dran ist, sehr schnell schimmeln und gehören deswegen eben nicht in eine Plastiktüte.
Also es ist so dieser Mitmacheffekt, der hat mich tatsächlich fasziniert. Aber ich bin auch ein Geschichtsfan und deswegen war der Blick in die Vergangenheit für mich einfach sehr interessant.“
???: Das ist ein gutes Stichwort, Sie hatten ja auch mit echten Asservaten aus dem Fall des „Vampir von Düsseldorf“ (Peter Kürten) zu tun. Wie fühlt es sich an, wenn man das Notizbuch eines Serienmörders oder die blutbeschmierten Kleidungsstücke seiner Opfer in Händen hält?
Sven Voss: „Oh, das ist natürlich schon Kopfkino. Das bedeutet schon, dass da im Kopf was passiert. Denn da sind schreckliche Dinge geschehen und jetzt so viele Jahre später versucht man die noch mal zu rekonstruieren beziehungsweise auch Ermittlungslücken zu füllen. Ja, das ist emotional. Wir machen das aber auch ganz bewusst so, dass man da als Zuschauer eben auch Bock drauf hat, bei den Ermittlungen dabei zu sein. Und da spielt natürlich die Emotionalität eine wichtige Rolle. Das versuche ich als Reporter und als Moderator vor Ort, dann eben auch zu vermitteln. Ich bin in dem Fall der verlängerte Arm der Zuschauer, der dann wirklich mit Handschuhen die Tatwaffe oder ähnliches anfassen kann.“
???: Haben Sie ganz persönlich einen Wunschfall, den Sie gerne noch mit „XY history“ angehen würden?
Sven Voss: Was mich damals unglaublich mitgenommen und fasziniert hat, war das Geiseldrama von Gladbeck zum Beispiel. Weil das auf so vielen Ebenen unglaubliche Ereignisse waren. Ein spannender Fall, bei dem nicht alles richtig gemacht wurde. In Sachen Polizeiarbeit, Medienarbeit auch ein exemplarischer Fall, der in der jüngeren deutschen Geschichte viele geprägt hat. Den noch mal zu beleuchten, dass wäre auf jeden Fall eine Herausforderung.“
Über "XY history"
Ausgestrahlt wird das neue Format am Mittwoch, 4. September um 20.15 Uhr und um 21 Uhr. In der ZDF-Mediathek kann man es für 5 Jahre kostenlos anschauen.
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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