Ein Kommentar von Heike Schwitalla zum neuen „Freiwilligendienst“ der Bundeswehr
Heimatschutz - ein bisschen helfen, viel schießen?

Die Südpfalz-Kaserne in Germersheim | Foto: Heike Schwitalla
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Kommentar. Am 6. April haben die ersten Freiwillig Wehrdienstleistenden im Heimatschutz ihren Dienst in der Luftwaffe angetreten. Bis zu 120 Plätze stehen pro Jahr für diese neue Form des Wehrdienstes, die sieben Monate im aktiven Dienst mit fünf Monaten in Form von später abzuleistenden Wehrübungen kombiniert, in der Luftwaffe zur Verfügung. Acht „Freiwillige“ wurden am 7. April in der Südpfalz-Kaserne in Germersheim begrüßt. Geplant ist, das Angebot langfristig auszubauen.

Wehrdienst light

„Der Mehrwert des FWD Heimatschutz Luftwaffe liegt in der zielgerichteten Ausbildung von Reservekräften, die beispielsweise in einer Krisensituation für den Schutz der Luftwaffenliegenschaften in ganz Deutschland herangezogen werden könnten. Diese kämen aber auch bei schweren Naturkatastrophen zum Einsatz, um Menschen in Not zur Hilfe zu kommen. Die jungen Soldaten erhalten die Chance, die Luftwaffe kennen zu lernen, ohne sich für einen längeren Zeitraum binden oder für einen Auslandseinsatz bereit sein zu müssen. Die späteren Wehrübungen sollen an verschiedenen Standorten der Luftwaffe innerhalb von maximal sechs Jahren absolviert werden“, sagt die Bundeswehr über ihr neues Angebot - „Wehrdienst light“ nennen es die Kritiker.
Und nichts anderes ist es: Die Teilnehmer durchlaufen eine „militärische Grundausbildung“ – will heißen, zu den potenziellen Hilfseinsätzen gesellt sich zuerst einmal der klassische „Dienst an der Waffe“. Das wäre nicht weiter problematisch, schließlich ist der Arbeitsgeber ja die Bundeswehr, wird aber dann kritisch, wenn man sich die Einstellungskriterien anschaut: Deutsche Staatsbürgerschaft, abgeleistete Pflichtschulzeit, mindesten 17 (!) Jahre alt.

Kindersoldaten bei der Bundeswehr?

Während beim „normalen“ Freiwilligen Wehrdienst das Einstiegsalter noch bei 18 Jahren liegt (und viele das schon für zu jung halten) können beim Heimatschutz auch schon 17-Jährige antreten. Und da muss man sich schon fragen, eine Nation, die sich weltweit gegen den Einsatz von Kindersoldaten einsetzt, rekrutiert nun selbst Minderjährige?
Ein kurzer Einschub zur Erklärung: Als Kindersoldaten gelten laut der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 – die von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert und anerkennt wurde - Kriegsteilnehmer unter 15 Jahren, die direkt an Feindseligkeiten beteiligt sind. Ein Zusatzprotokoll der Konvention aus dem Jahr 2002 hebt das Mindestalter für wehrpflichtige Soldaten der ratifizierenden Staaten auf 18 Jahre an. Organisationen wie UNICEF, terre des hommes und amnesty international bezeichnen „alle Kämpfer und deren Helfer, die unter 18 Jahre alt sind“ als „Kindersoldaten“. (Unicef, UN, Wikipedia)

Nun könnte man einwerfen, der „Heimatschutz“ sei ja statt eines Wehdienstes vielmehr eine Art Katastrophenschutz – der bei Naturkatastrophen oder wie gerade jetzt bei Pandemien – zum Einsatz kommt. Aber das edle Bild, das die Bundeswehr vom „Heimatschutz“ zeichnet, stimmt nicht ganz. Natürlich leisten Bundeswehrsoldaten bei der Pandemie-Bekämpfung in Deutschland wertvolle Dienste, aber rechtfertigen Jahrhundertereignisse wirklich die Einrichtung eines neuen Dienstes bei der Bundeswehr?
Die Funktion erklärt sich, wenn man sich die Aufgaben der Heimatschützer einmal näher anschaut. Zum Konzept von „Dein Jahr für Deutschland“ sagt die Bundeswehr: „Seit einer völlig veränderten Sicherheitslage im Jahre 2014 und den globalen Herausforderungen vom internationalen Terrorismus bis hin zur Bekämpfung von Katastrophen wie der aktuellen COVID-19-Pandemie ist unser Land gefordert, sicherheitspolitische Antworten zu formulieren und Vorsorge zu treffen. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein in hohem Maße global vernetztes Land, das aufgrund seiner wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bedeutung sowie seinen internationalen Verpflichtungen in der Völkergemeinschaft, der Europäischen Union und der NATO aufgefordert ist, Verantwortung zu übernehmen.“

Und zu den Aufgaben der Heimatschützer heißt es weiter: „Die Territoriale Reserve wird ausschließlich in Deutschland zum Schutz des Gemeinwesens im Allgemeinen und der Bevölkerung im Besonderen eingesetzt. Im Zuge der Landesverteidigung beinhaltet dies hauptsächlich Aufgaben zum Schutz und zur Sicherung von Einrichtungen, von kritischen Infrastrukturen und der Bevölkerung. (…) Die Erfahrungen der Vergangenheit und Gegenwart zeigen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Unterstützungsleistungen der Akteure im Bevölkerungsschutz bei Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen oder andersartigen Krisenlagen durch die Bundeswehr bereits im Frieden erforderlich sind, um unser Gemeinwesen funktionsfähig zuhalten und zu schützen. Das Aufgabenspektrum reicht somit von wahrscheinlichen Einsätzen im Rahmen der Hilfeleistung (Katastrophenschutz) bis hin zur militärischen Verteidigung des deutschen Territoriums.“
Zwar keine Auslandseinsätze, aber militärische Verteidigung des deutschen Territoriums schon - und das muss nicht Krieg heißen, sondern gilt auch bei terroristischen Angriffen oder innenpolitischen Krisen - immer dann, wenn die Bundeswehr innerhalb von Deutschland zu Hilfe gerufen wird.

Freiwilliger Einsatz - gut bezahlt

In den Werbekampagnen der Bundeswehr wird der Heimatschutz „Dein Jahr für Deutschland“ als „Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz“ bezeichnet – wird aber dennoch mit einem Monatsgehalt von rund 1.500 Euro bezahlt. Zum Vergleich: Der Mindestlohn fürs erste Ausbildungsjahr beträgt im Jahr 2021 550 Euro brutto monatlich. Ein Jugendlicher, der ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) macht, erhält hingegen ein Taschengeld, das kaum zum Leben reicht. „Monatlich bekommst du mindestens 360 Euro. Der Betrag setzt sich zusammen aus mindestens 320 Euro Taschengeld und 40 Euro Verpflegungskostenzuschuss. Das Taschengeld wird von deiner Einsatzstelle ausbezahlt“, heißt es dazu auf der offiziellen Informationsseite zum FSJ. Es stehen also rund 400 Euro für einen Freiwilligendienst in sozialen oder kulturellen Einrichtungen gegen 1.500 Euro für einen „Freiwilligendienst“ bei der Bundeswehr? Die Interpretation sei jedem selbst überlassen.
Jedoch: Feuerwehren, DRK, THW, die vom Heimatschutz der Bundeswehr – im Katastrophenfall – unterstützt werden sollen, bieten selbst FSJ-Stellen oder Bundesfreiwilligendienst-Stellen an, natürlich nicht annähernd so gut bezahlt wie bei der Bundeswehr. Zudem suchen diese Organisationen händeringend nach Mitgliedern, gerade in der Altersgruppe U25. Hier gräbt die Bundeswehr mit einem – für an der Materie interessierte Jugendliche – nicht unattraktiven Jobangebot dem Ehrenamt den Nachwuchs ab, denn selbstverständlich besteht für die Heimatschützer nach ihren 23 Monaten „Freiwilligendienst“ auch die Möglichkeit, eine langfristige Karriere bei der Bundesweht einzuschlagen. Und dagegen spricht auch eigentlich gar nichts, wenn die Rekrutierung nicht unter der Maske des Ehrenamtes und des Freiwilligendienstes geschehen würde.

Das sind nur einige Fragen, die der Heimatschutz "Dein Jahr für Deutschland" aufwirft. Eine Analyse der potenziellen Zielgruppe dieses Angebots würde zu weit führen, ebenso wie die berechtigte Sorge, dass die Bundeswehr weder das Personal, noch die Kenntnisse hat, sich ausreichend um die psychologische Betreuung von Minderjährigen in einem militärischen Umfeld zu kümmern.

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Autor:

Heike Schwitalla aus Germersheim

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