Straffällig gewordene Jugendliche und Heranwachsende im Kreis Germersheim
Lesen als Hilfe hin zu einem straffreien Leben
Landkreis Germersheim. „Wer eine Straftat begeht, soll auch die Konsequenzen dafür tragen.“ Das ist die sehr klare Haltung der Mitarbeitenden in der Jugendhilfe im Strafverfahren (JuhiS). Doch geht es ihnen in den meisten Fällen dabei nicht um eine stupide Bestrafung, sondern um zielgerichtete, angeordnete Maßnahmen mit dem Ziel: „Nie wieder straffällig!“ Es gibt einen Maßnahmenkatalog, der dem Gericht zusammen mit dem Mitarbeitenden des Jugendamtes zur Verfügung steht, mit dessen Hilfe die Lebensführung von jugendlichen oder heranwachsenden Straftätern geregelt und deren Erziehung gefördert werden soll. „Diesen Katalog haben wir nun um die so genannte Leseweisung erweitert“, berichtet der für Kinder und Jugend zuständige Erste Kreisbeigeordnete, Christoph Buttweiler.
Johanna Krämer, Melanie Winter und Martin Brügger bilden das Team im Bereich Jugendhilfe im Strafverfahren im Jugendamt des Landkreises Germersheim. Leseweisung heißt, der junge Mensch bekommt als Konsequenz für seine Straftat auferlegt, ein Buch zu lesen, das inhaltlich mit dem Vergehen zu tun hat. Anschließend müssen Fragen schriftlich und mündlich beantwortet werden und es findet mindestens ein Reflexionsgespräch statt. „Auf diese Weise setzen sich die Straftäter mit ihrem Vergehen auseinander. Ob sie das Buch wirklich gelesen und selbst die Aufgabenstellungen beantwortet haben, finden wir schnell heraus. Wenn wir Zweifel haben, muss der- oder diejenige nacharbeiten“, berichten Krämer und Winter. Sie sind sich sicher: „In vielen Fällen ist das zielführender als beispielsweise ein stupides Ableisten von Arbeitsstunden, die nichts mit der Tat zu tun haben und keiner richtig kontrollieren kann.“
Erstaunt und überrascht sind die jungen Leute und auch ihre Eltern, wenn eine Leseweisung angeordnet wird: „Lesen als Strafe?“ „Nein“, halten Melanie Winter und Johanna Krämer dagegen, „Lesen als Chance, sich und das Vergehen zu reflektieren und in der Folge nicht wieder straffällig zu werden!“
Nach einem Jahr wird die pädagogische Maßnahme „Leseweisung“ ausgewertet. Aber schon heute sind sich die Fachleute sicher, dass sie ein Instrument sein kann, um junge Straffällige dauerhaft wieder auf die richtige Bahn zu bringen und nicht gleich dauerhaft zu Stigmatisieren.
Insbesondere während der Corona-Pandemie musste das Team kreative Zugänge finden. „Wenn einer nicht auf mein Schreiben reagiert hat, bin ich auch mal kurzerhand vor seiner Haustür gestanden. Die Reaktion war eigentlich immer gut.
Rund 1.000 Fälle landen jährlich auf dem Tisch des JuhiS-Teams. Rund die Hälfte wird eingestellt, in der anderen Hälfte werden Brügger, Winter und Krämer aktiv. Gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft beraten sie über die weiteren Maßnahmen. Nur ein bis zwei Prozent der jungen Straffälligen verweigern jegliche Hilfe. Die meisten nehmen die Unterstützung aus dem Jugendamt an.
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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