Auch an Hochschulen macht sich die Corona-Krise bemerkbar
Studierende in Not
Germersheim. An der Universität in Germersheim studieren derzeit rund 1.200 junge Menschen. 229 von ihnen mussten während der Pandemie Überbrückungshilfe beantragen. Denn auch Studierende leiden unter der Corona-Krise: Viele finanzieren sich durch Nebenjobs – etwa in der Gastronomie oder im Einzelhandel – ihr Studium, verlieren sie ihre Arbeit, verlieren sie auch ihre Existenzgrundlage.
Viele der in Germersheim studierenden angehenden Übersetzer und Dolmetscher etwa arbeiten schon während ihrer Ausbildung auf freiberuflicher Basis. Aber wenn internationale Treffen – sei es kultureller oder wirtschaftlicher Natur – aufgrund der Pandemie unmöglich sind, entfallen auch die Jobs für die Übersetzer, auch Sprachschulen mussten geschlossen bleiben. Oftmals ist es aber auch die regelmäßige Unterstützung aus der Familie, die wegen Corona wegbricht: Eltern verlieren ihre Anstellung oder werden selbst in Kurzarbeit geschickt und können deshalb ihre Kinder nichts mehr wie gewohnt finanziell unter die Arme greifen. Mit 43,92 Prozent der Antragsteller ist das auch in Germersheim die häufigste Begründung im Antrag aus Überbrückungshilfe. 24,63 Prozent der Studenten in Not haben ihren Job ganz oder zeitweise verloren, 19,88 Prozent haben Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit verloren. Absolventen konnten sich aufgrund der Pandemie nicht bewerben oder konnten trotz Bewerbung keine Arbeit in ihrem Beruf finden.
Fast 100.000 Euro für Studierende in Germersheim
Die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek sagt: "Mir ist bewusst: viele Studierende haben ihre Jobs verloren, bei vielen ist die Unterstützung durch ihre Familie weggebrochen. Deshalb habe ich von Beginn der Pandemie an umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um Härten für Studierende abzufedern. Wir haben ein Paket geschnürt, das neben Anpassungen des BAföG eine Überbrückungshilfe mit zwei Sicherungsnetzen umfasst. Das ist ein umfassendes Paket, das der aktuellen Ausnahmesituation entspricht."
Der Zuschuss konnte bis zu einer Höhe von jeweils bis zu 500 Euro in den Monaten Juni, Juli und August 2020 online beantragt werden, das gleiche gilt für das Wintersemester. Alle Studierenden an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen sind antragsberechtigt, aus dem In- wie Ausland, unabhängig von Alter oder Semesterzahl.
„181 der bisher gestellten Anträge wurden angenommen, 35 mussten wir ablehnen, zwölf sind noch in Bearbeitung und einer muss nachgebessert werden“, berichtet Thomas Mosthaf vom Studierendenwerk Vorderpfalz. „Insgesamt haben wir den 181 Studierenden der Uni Mainz – Fachbereich VI – Translationswissenschaften (Uni Germersheim) seit Juni 2020 78.600 Euro ausbezahlt“. 118 Personen erhielten die vollen 500 Euro, 31 bekamen 400 Euro, 15 300 Euro, zehn erhielten 200 Euro und sieben lediglich 100 Euro. Zählt man die noch offenen Anträge dazu, wurden seit Beginn der Pandemie fast 100.000 Euro (98.600) allein vom Studierenden aus Germersheim beantragt. Eine beachtliche Summe, wenn man bedenkt, dass die Hochschule in Germersheim eine eher kleine ist.
"Klar, es ist nicht viel Geld, wenn man alleine schon mal an die Mietkosten denkt", sagt Studentin Janina K.. Vor Corona hat sie gekellnert. "Aber der Job war natürlich gleich im ersten Lockdown weg." Zwischendurch habe sie dann stundenweise in einem Discounter ausgeholfen, der Job ließ sich auf Dauer aber nicht mit dem Studium vereinbaren. "Naja, irgendwann war dann halt kein Geld mehr da", berichtet die junge Frau. "Meine Mutter kann mich finanziell nicht unterstützen, sie ist alleinerziehend und hat selbst zu kämpfen, muss zudem für meine kleinen Geschwister sorgen. Da habe ich Unterstützung beantragt. Es war mir erst ein bisschen unangenehm, den Schritt zu gehen. Aber ich bin dankbar, das Geld hat mir über das Schlimmste erstmal hinweg geholfen, auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist."
Rund 14 Tage braucht das Studierendenwerk für die Bearbeitung der Anträge im Durchschnitt, aber meistens dauert es länger, bis es zu einer Auszahlung an die Studierenden kommt: die Antragstellung ist - besonders für Studierende aus dem Ausland, von denen es in gerade in Germersheim zahlreiche gibt - nicht ganz einfach. „Leider sind über 90 Prozent der Anträge nicht vollständig und es müssen Dokumente nachgefordert werden“, berichtet Mosthaf. „Das ist sehr zeitintensiv, daher kann es natürlich bei unvollständigen Anträgen länger dauern.“
Armut unter Studenten nimmt zu
Im Rahmen der Bearbeitung von Anträgen für die Corona-Überbrückungshilfe hat das Studierendenwerk Vorderpfalz eine erschreckende Beobachtung gemacht: „Wir stellen immer wieder fest, dass es recht viele strukturell arme Studierende gibt, deren Notlage eigentlich gar nichts mit Corona zu tun hat und die wir daher ablehnen müssen, sagt Thomas Mosthaf. Ein angespannter Wohnungsmarkt, hohe Lebenshaltungskosten, die Kosten für das Studium selbst - das setzt viele der jungen Menschen finanziell unter Druck. Einige von ihnen könne man mit dem eigenen Hilfsfonds auffangen, aber leider lange nicht alle. Der Hilfsfonds bietet zum einen finanzielle Unterstützung aber auch so genannte „Freitische“, Gutscheine, mit denen Studierende kostenlos in den Mensen und Cafeterien des Studierendenwerks Vorderpfalz essen können.
Zum Thema:
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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