Repair-Café in Germersheim: Ehrenamt für mehr Nachhaltigkeit
Tüftler und Schrauber kämpfen gegen die Wegwerfgesellschaft
Germersheim & Region. Der alte Wasserkocher zieht keinen Strom mehr. Der CD-Rekorder spielt keine CD mehr ab. Und die Uhr von der Oma steht still. Das sind klassische Fälle für das Repair-Café in Germersheim. Dort engagieren sich Tüftler und Schrauber ehrenamtlich, um ein Zeichen für mehr Nachhaltigkeit und gegen die Wegwerfgesellschaft zu setzen. Besucht wird es von Bürgern aus dem Kreis und dem Badischen.„Das ist so eine tolle Sache. Menschen, die ganz unterschiedliche Fähigkeiten haben, kommen zusammen und helfen einander“, sagt Heinz Sachs von der Lokalen Agenda 21, der die Idee in Boston zum ersten Mal gesehen hat.
#Vor knapp fünf Jahren gründete er das Reparatur-Café in Germersheim, das einmal im Monat samstags von 14 bis 17 Uhr im Seminarraum der Stadtbibliothek Germersheim geöffnet hat.Zur Reparatur mitbringen können die Gäste so ziemlich alles. „Bislang hatten wir vorwiegend Elektrogeräte“, erzählt Joachim Reinhardt, der Elektro-Ingenieur ist und in seiner Freizeit gerne Menschen hilft. „Wenn mich jemand fragt, was repariert wird, sage ich immer: Alles was nach oben in den Seminarraum gebracht werden kann“, lacht er schmunzelnd.
"Hass auf die Wegwerfgesellschaft"
Menschen kommen zusammen und helfen einander ehrenamtlich bei der Reparatur von Kleidung, Möbeln, Elektrogeräten, Computer, Spielzeug und und und. Die Germersheimer Initiative ist die erste dieser Art in der Südpfalz gewesen. „Es war ziemlich leicht, mit dem Repair-Café zu starten, denn ich habe quasi offene Türen eingerannt mit der Idee“, blickt Sachs auf die Gründung zurück. Inzwischen kommen abwechselnd mehrere ehrenamtliche Reparateure.
Einer von ihnen ist Thomas Schneider. „Ich engagiere mich tatsächlich aus Hass auf die Wegwerfgesellschaft“, sagt er. Vor rund dreieinhalb Jahren kam der Germersheimer das erste Mal zum Reparatur-Café. Damals habe er einem kleinen Mädchen den Puppenschrank repariert. „Das war für mich der Durchbruch“, sagt der gelernte Radio- und Fernsehtechniker, der später noch Elektrotechnik studierte.
Werner Bügel aus Sondernheim kommt mit einem ferngesteuerten Auto ins Repair-Café. „Meine Enkel sind eineinhalb und zweieinhalb Jahre alt und kriegen schon große Augen, wenn sie es sehen“, sagt Bügel. Leider fährt es nicht mehr. Die Firma, die ihm da Spielzeug verkaufte, sagte ihm, er solle das Auto wegwerfen. Schneider schraubt das Auto auf und sieht, dass wohl der Akku kaputt ist. Helfen kann er Werner Bügel zwar nicht direkt, aber er hat einige Ideen, wo man einen solchen Akku herbekommen könnte.Dafür können Siegesmund Smolinsky und Thomas Schneider wenig später einer Frau helfen, die mit zwei CD-Spielern gekommen ist. Es stellt sich heraus, dass bei einem Gerät lediglich der Kontakt verschmutzt war. Das andere Gerät ist tatsächlich kaputt.
Reparieren ist nachhaltiger und umweltschonender
Ähnlich lautet die Diagnose bei einem Wasserkocher. „Manchmal lohnt sich eine Reparatur wirklich nicht, weil die Ersatzteile zu teuer sind oder nicht mehr erhältlich sind“, sagt Heinz Sachs. Helmut Vetter aus Waghäusel hat Glück. Sein Flachbild-Fernseher zeigte zu Beginn des Reparatur-Cafés grüne Streifen und damit einen klassischen Displayschaden. Mühsam wurde der Fernseher geöffnet. Auch hier lag das Problem bei einem Kontakt auf der Rückseite. Er konnte sein Gerät wieder mit einwandfreiem Bild nach Hause nehmen. „Ich habe einfach im Internet geschaut, wo es ein solches Reparaturcafé gibt“, lacht er. Tüftler, Bastler und Heimwerker aus der Region wechseln sich als Reparateure dabei ab. So auch Helmut Vietz aus Mörzheim bei Landau. Er ist gelernter Uhrenmacher. Als 1944 eine Bombe die Werkstatt von seinem Arbeitgeber Siemens zerstörte, wechselte er in die Fernmeldebranche und reparierte 35 Jahre lang TV- und Radiogeräte. „Damals gab es das Repair-Café in Landau noch nicht. Deshalb bin ich nach Germersheim“, erzählt Vietz. Er kann an diesem Tag Beatrix Holla aus Rülzheim helfen. Sie die alte Uhr ihrer Oma mit. Mit fachmännischem Blick erkennt Vietz schnell, dass die Uhr eine Reinigung benötigt. Vor Ort kann er das zwar nicht machen, aber er nimmt die Uhr mit nach Hause. Die selbstständigen Elektriker in der Region sehen ein Reparaturcafé übrigens grundsätzlich nicht als Konkurrenz. Die Reparatur von Kleingeräten lohnt sich wirtschaftlich gesehen selten und ist für den Kunden teuer.
Die Idee, die hinter dem Reparatur-Café steckt, ist diese: Reparieren ist nachhaltiger und umweltschonender als Wegwerfen und Neukaufen.
Ressourcen werden geschont und die Menschen besinnen sich auf die Dinge, die sie bereits besitzen und nach oft nur kleinen Handgriffen wieder für lange Zeit nutzen können.
Beim Repair-Café helfen alle, denen durch eine Reparatur geholfen wurde, selbst durch eine Spende - die Höhe bestimmt jeder selbst. Mit dem Geld werden Maschinen, Werkzeuge oder Ersatzteile angeschafft. Das Repair-Café ist übrigens auch ein Treffpunkt. Die weiblichen Mitglieder der Lokalen Agenda 21 backen Kuchen und kochen Kaffee und begrüßen die Gäste des Repair-Cafés. Viele bleiben nach der Reparatur auch noch auf eine Tasse Kaffee. jlz
Info
Das nächste Reparatur-Café in Germersheim ist am Samstag, 23. März, von 14 bis 17 Uhr im Seminarraum der Stadtbibliothek Germersheim.
Autor:Wochenblatt Archiv aus Germersheim |
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