Kreishandwerkerschaft Südpfalz/Deutsche Weinstraße
Handwerker halten "den Laden am Laufen"
Südpfalz.Wie beeinflusst Corona das Handwerk? Cornelia Bauer befragte dazu Klaus Seiferlein. Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Südpfalz/Deutsche Weinstraße erzählt aus dem Alltag der "Helden der zweiten Reihe". Der Kreishandwerkerschaft Südpfalz/Deutsche Weinstraße gehören 20 Handwerksinnungen im Raum Südpfalz – Deutsche Weinstraße an. In den zugehörigen Innungen sind zirka 900 Handwerksbetriebe freiwillig organisiert.
???: Wenn ich als Kunde derzeit einen Handwerker brauche, muss ich dann wegen Corona mit Einschränkungen rechnen?
Klaus Seiferlein: Die Handwerker können und dürfen in vollem Umfang tätig sein, wenn sie die erforderlichen Hygiene-und Schutzmaßnahmen gewährleisten. Dies war und ist in allen Corona-Bekämpfungsverordnungen ausdrücklich geregelt. Dies ist Ausdruck der Systemrelevanz unserer Handwerker. Weil unsere Handwerker den „Laden am Laufen halten“, weiterhin Heizungen reparieren, Dächer abdichten und Autos warten sollen, hat die Politik immer gestattet, dass die Handwerker weiter arbeiten.
Die Handwerker waren und sind für die Kunden da. Die Kunden können und sollen die Handwerker beauftragen. Sie können dies ohne Misstrauen und Sorge tun, weil unsere Handwerker bei ihren Tätigkeiten die Hygiene-und Schutzmaßnahmen einhalten, beispielsweise wo immer möglich den Abstand von 1,5 Metern untereinander und zum Endkunden einhalten. Es ist sehr wichtig, dass die Endkunden unseren Handwerkern Aufträge erteilen, unsere Handwerker „schaffen lassen“, damit die Handwerker die Krise wirtschaftlich und finanziell gut überstehen können. Das Handwerk ist dann ein stabilisierender Faktor in unserem Wirtschaftsleben.
???: Welchen Herausforderungen sehen sich die Handwerker in diesen Zeiten gegenüber?
Seiferlein: Es gibt viele Herausforderungen für die Handwerker. Sie müssen zunächst die Kunden, die oft verunsichert und verängstigt sind, beruhigen. Sie müssen Aufklärungsarbeit leisten und deutlich machen, dass sie verantwortungsvoll mit der Situation umgehen und alle notwendigen Hygiene-und Schutzmaßnahmen gewährleisten. Der Kunde kann darauf vertrauen, dass die Arbeit fachmännisch erledigt wird und gleichzeitig alles getan wird, um weitere Ansteckungen bzw. eine weitere Verbreitung des Corona-Virus zu vermeiden.
Die Handwerker müssen eben diese Hygiene-und Schutzmaßnahmen bei der Arbeit und im Berufsalltag einhalten. Hierzu gehören unter anderem das regelmäßige Händewaschen, das konsequente Desinfizieren von eingesetzten Werkzeugen und Materialien und vor allem die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen den Handwerkern untereinander beziehungsweise zwischen den Handwerkern und ihren Endkunden. Immer wenn dieser Abstand eingehalten werden kann, müssen die Handwerker keine Schutzmaske tragen. Dies gilt zum Beispiel für Monteure in der Werkstatt ohne Kundenkontakt und ausreichend Abstand untereinander oder Handwerker am nicht bewohnten Rohbau, die jeweils 1,5 Meter Abstand zum Nebenmann halten.
Kann der Mindestabstand von 1,5 Metern in bestimmten Situationen, zum Beispiel für Handwerker der Körperpflege (vor allem Friseure und Kosmetiker) oder bei der Anlieferung, Aushändigung oder Überbringung von Waren nicht eingehalten werden, besteht Maskenpflicht. Baut der Schreiner die von ihm gefertigte Küche in beengten Räumlichkeiten des Endkunden mit einem Nebenmann ein und kann dabei aufgrund der baulichen Gegebenheiten der Mindestabstand nicht eingehalten werden, muss der Handwerker eine Maske tragen.
Dies gilt nur dann wiederum nicht, wenn die Tätigkeit, weil sie beispielsweise körperlich außerordentlich anstrengend ist, mit einer Maske nicht machbar beziehungsweise zumutbar ist.Die alltägliche Arbeit mit all den Hygiene-und Schutzmaßnahmen ist für die Handwerker anspruchsvoller, anstrengender und mühsamer als zu normalen Zeiten. Die Gespräche und Erläuterungen gegenüber dem Kunden sind mitunter herausfordernd. Die Maskenpflicht erschwert das Atmen, das Arbeiten ist damit körperlich anstrengender. Auch die regelmäßigen Desinfizierungen kosten Zeit und Kraft. Und schließlich schwingt natürlich auch bei den Handwerkern trotz aller Hygiene-und Schutzmaßnahmen die Sorge mit, sich anzustecken und krank zu werden.
Diese Herausforderungen meistern unsere Handwerker, Chefs wie Mitarbeiter, aber seit mehr als acht Wochen mit Bravour. Sie halten die Stellung, kümmern sich um Aufträge, halten den Laden mit am Laufen. Weil dem so ist, sind nicht nur die Ärzte, Pflegekräfte und Fachverkäuferinnen im Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch unsere Handwerker Helden der Corona-Krise. Vielleicht nicht die Helden der ersten Reihe, auf jeden Fall aber die Helden der zweiten Reihe.
???: Wie kann die Kreishandwerkerschaft die ihr angeschlossenen Betriebe unterstützen?
Seiferlein: Seitdem die Corona-Pandemie unser aller Leben maßgeblich bestimmt und beeinträchtigt, das heißt seit zirka 16. März und damit seit mehr als acht Wochen, gab es auf allen Seiten und damit auch bei unseren Handwerkern große Unsicherheit und daraus resultierend viele Fragen. Dürfen wir weiter arbeiten? Was beinhalten die Ausgangsbeschränkungen? Wie können wir Kurzarbeit beantragen? Wie und unter welchen Voraussetzungen kann die Soforthilfe zur Überbrückung eines Liquiditätsengpass beantragt werden? Wie machen wir publik, dass die Kunden auch weiterhin Aufträge erteilen dürfen und ihr Auto in die Werkstatt bringen können? Was genau regelt die jeweilige Corona-Bekämpfungsverordnung für uns Handwerker? Wann und in welchem Umfang gibt es eine Maskenpflicht für die Handwerker?
Es bestand ein außerordentlich hoher Bedarf an Beratung und Unterstützung. Dieser Herausforderung konnten und wollten wir als Kreishandwerkerschaft gerecht werden. Zusammen mit den Fachverbänden und der Handwerkskammer haben wir unsere angeschlossenen Innungsfachbetriebe umfassend mit Informationen, Unterlagen, Vordrucken und Formularen versorgt. Wir haben, als das Telefon nicht mehr stillstand, beraten, erläutert, unterstützt und uns für die Belange des Handwerks in der Öffentlichkeit eingesetzt.
In dieser Krise konnten wir mehr denn je zeigen, dass Innung den Betrieben hilft, sie unterstützt und sie mit wichtigen Informationen und Formularen versorgt. Viele Innungsfachbetriebe waren froh und dankbar, diese Unterstützung zu erhalten. Dies wiederum war für uns Lob, Anerkennung und Wertschätzung unserer Arbeit.
???: Können Sie ein Prognose wagen, wie sich die Pandemie längerfristig auf Handwerksbetriebe auswirken wird?
Seiferlein: Wenn die Pandemie zu einer allgemeinen Rezession führt – und vieles deutet darauf hin – dann wird dies mittelfristig auch bei unseren Handwerksbetrieben dazu führen, dass es zu einem Auftragsrückgang kommt. Zwar ist die Baubranche aktuell noch relativ wenig betroffen. Aber wenn jetzt aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit Investitionsentscheidungen oder Bauvorhaben abgesagt oder zurückgestellt werden, dann merken dies in sechs bis neun Monaten auch die Bauhandwerker in Form eines Auftragsrückgangs.
Ein Betrieb des Sanitär-Heizung-Klima-Handwerks hat mir jüngst berichtet, dass er in zwei Hotels eine sehr hochwertige neue Heizungseinlage einbauen sollte und die Aufträge eigentlich schon in der Tasche hatte. Diese Aufträge wurden jetzt storniert, weil beide Hotels infolge der Schließung seit dem 16. März so gut wie keine Einnahmen haben und die Zukunftsaussichten für die Tourismus-und Hotelbranche eher schlecht sind. Der Autohandel berichtet von einer sehr starken Zurückhaltung beim Kauf eines Neuwagens.
Auch ansonsten werden von Privatleuten, deren Jobs vielleicht unsicherer geworden sind oder deren Nettoeinkommen infolge Kurzarbeit gesunken ist, Investitionen zurückgestellt. Die Konjunktur ist nach einer alten Weisheit eben zu 50 Prozent Psychologie. Wenn die Zukunftserwartungen eher schlecht und düster sind, dann halten die Menschen ihr Geld zusammen, investieren nicht, geben damit auch weniger Geld für Friseur, Bauhandwerk oder Kfz-Handwerk aus. Das merken dann selbstverständlich auch unsere Handwerksbetriebe.
Entscheidend ist jetzt, dass die Lockerungen möglichst bald greifen und die wirtschaftliche Tätigkeit in vielen Bereichen und Branchen wieder zunimmt. Gleichzeitig geht es weiterhin um die Eindämmung der Pandemie und die Stabilisierung beziehungsweise Reduzierung der Infektionszahlen. Die Politik hat hier die Aufgabe einer permanenten Gratwanderung zwischen den berechtigten Mahnungen der Virologen und den ebenfalls berechtigten Forderungen der Wirtschaft nach Lockerungen.
Kurzfristig stark betroffen waren Metzgereien mit dem Schwerpunkt Catering und Partyservice. Da alle Hochzeiten, Konfirmationen, Kommunionen, runde Geburtstage, Firmenjubiläen, Vereins- und Weinfeste mit einer größeren Anzahl an Gästen abgesagt werden mussten, gingen hier riesige Auftragsvolumina verloren. Auch metallverarbeitende Betriebe, die als Zulieferer für die Industrie, insbesondere die Autoindustrie tätig sind, hatten erhebliche Einbußen und mussten ihre Mitarbeiter ganz oder zu einem erheblichen Teil in Kurzarbeit schicken.
Die Friseure durften im Zeitkorridor 23. März bis 3. Mai, also volle sechs Wochen, nicht tätig sein. Auch dies hat zu Umsatz-und Ertragseinbußen geführt. An dieser Stelle bleibt zu hoffen, dass jetzt ein gewisser Nachholbedarf zu starker Auslastung führt und ein Teil der Verluste wieder ausgeglichen werden kann. Zusammengefasst ist das Bauhandwerk bis jetzt ganz gut durch die Krise gekommen, dürfte aber mittelfristig ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden.
Die größten kurzfristigen negativen Folgen der Corona-Pandemie trafen das Friseurhandwerk, auf Catering-und Partyservice spezialisierte Fleischerbetriebe sowie die Kfz-Branche, deren Fahrzeughandel für einige Wochen untersagt worden war. Insgesamt konnte das Handwerk während der gesamten Corona-Pandemie weiterhin tätig sein. Das war beispielsweise gegenüber dem Einzelhandel oder der Hotellerie und Gastronomie ein großer Vorteil. Darin zeigte sich aber die große Bedeutung und Systemrelevanz des Handwerks.
Vielleicht führt dies dazu, dass dem Handwerk in der breiten Öffentlichkeit und Gesellschaft endlich die Wertschätzung und Anerkennung zuteil wird, die ihm vor dem Hintergrund seiner Aufgaben, Leistungsfähigkeit und Innovationskraft zusteht.
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