Grenzübergreifendes Wiederansiedlungsprojekt
Bei Neuburg am Rhein gibt es wieder Sumpfschildkröten in freier Natur
Neuburg. Es ist noch gar nicht so lange her, da war die Europäische Sumpfschildkröte auch bei uns in der Region heimisch. Seit den 1940er Jahren gilt sie hier in Rheinland-Pfalz als ausgestorben. Der Mensch hat sie förmlich aus ihrem angestammten Lebensraum "weggefressen" - schon seit dem 16. Jahrhundert als Delikatesse und - es klingt fast höhnisch - als beliebte Fastenspeise, weil die Schildkröte gläubigen Christen lange Zeit als Fisch galt und damit während der Fastenzeit verspeist werden durfte. Aber auch die Zerstörung der Lebensräume durch Flussbegradigung, Grundwasserabsenkung, Vernichtung von Gewässern und Zerstörung der Eiablageplätze führten dazu, dass die Reptilienart in Rheinland-Pfalz als ausgestorben galt und es deutschlandweit nur noch wenige Restvorkommen gibt.
Die Sumpfschildkröte war aber früher - vor ihrer Ausrottung durch den Menschen - eine charakteristische Art der Auengebiete am Oberrhein und ist gleichzeitig die einzige in Deutschland wild vorkommende Schildkrötenart.
Sumpfschildkröten kennen keine Landesgrenzen
Bereits seit 2008 besteht das Projekt „Wiederansiedlung der Europäischen Sumpfschildkröte“ des NABU Rheinland-Pfalz in Kooperation mit dem SEA LIFE Speyer, das für die Aufzucht der Sumpfschildkröten zuständig ist. Die ersten Tiere wurden damals in Bobenheim-Roxheim ausgesetzt. 2017 startete das Wiederansiedlungsprojekt dann auch in Neuburg am Rhein und seit 2022 wird es vom internationalen Forschungsteam des Projektes „Emys-R“ unterstützt. Und weil Tiere keine Landesgrenzen kennen, die feuchte Auenlandschaft rund um Neuburg aber ideal für die Wiederansiedlung ist, wurden im Rahmen des Projektes „Sumpfschildkröten ohne Grenzen“ im deutsch-französischen Grenzgebiet bei Neuburg bereits neue Gewässer für die Sumpfschildkröte hergestellt und der Lebensraum für die Wiederansiedlung vorbereitet.
Über das Zuchtprogramm werden nun regelmäßig Tiere in das deutsch-französische Projektgebiet entlassen, um eine Gründerpopulation aufzubauen. Ursprünglich entstammen die Schildkröten verschiedenen rheinland-pfälzischen Zuchten. Als frisch geschlüpfte Babys, gerade mal so groß wie ein Euro-Stück, ziehen sie ins SEA LIFE Speyer ein. Dort werden sie von erfahrenen Aquarist*innen großgezogen. Nach circa vier Jahren und einer Größe von fünfzehn Zentimetern sind sie dann bereit für das Überleben in der freien Wildbahn. Um die einzelnen Tiere später identifizieren und so Herkunft, Alter und Geschlecht bestimmen zu können, werden sie vor der Aussetzung mit einem Chip versehen.
Insgesamt 55 junge Sumpfschildkröten wurden in diesem Jahr bis Anfang Juli in die Gewässer an der deutsch-französischen Grenze bei Neuburg ausgesiedelt mit dem Ziel, die Population weiter zu vergrößern. „Dass die Sumpfschildkröte hier wieder heimisch ist, ist eine großartige Gemeinschaftsleistung. Die Voraussetzungen, also geeignete und vernetzte Wasserflächen, hat der Landkreis Germersheim zusammen mit französischen Partnern vor Jahren im Rahmen eines Interreg-Projektes geschaffen“, sagt Landrat Dr. Fritz Brechtel.
Klimaschutzministerin Katrin Eder hat am Mittwoch gemeinsam mit der zweiten Klasse der Grundschule Neuburg die 400. Sumpfschildkröte des Wiederansiedlungsprojektes - und zwei weitere ihrer Artgenossen - bei Neuburg in die freie Natur ausgewildert. Sie freute sich besonders darüber, dass der Naturschutz in Sachen Sumpfschildkröte so beispielhaft grenzübergreifend funktioniert. Sie dankte allen Beteiligten für ihr Engagement und betonte, dass die Wiederansiedlung des Tieres gerade hier am Rhein auch exemplarisch für die Bedeutung des Flusses im internationalen Natur- und Umweltschutz stehe.
Weiterführende Informationen
Wer mehr über die Europäische Sumpfschildkröte und ihren Lebendraum erfahren möchte, kann den Lehrpfad bei Neuburg ablaufen. Entlang dieser Strecken gibt es fünf Beobachtungs- und Informationseinrichtungen. An Thementafeln können sich Interessierte über die Projektziele und -maßnahmen informieren und werden damit auch an die besondere Natur und Artenvielfalt der Auenlandschaft herangeführt.
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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