Hochmoderne Kelter- und Abfüllanlage im Pfälzer Wald
Vom Apfel zum Saft
Wilgartswiesen. Der Herbst hält Einzug und die Zeit der Apfelernte ist reif.
Die meisten kennen den Spruch „one apple a day keeps the doctor away“.
Was aber tun, wenn ich mehr als 365 Äpfel für das kommende Jahr am Baum hängen habe? 2020 wird es wegen des bevorstehenden Schaltjahres ein Apfel mehr sein. Multipliziert mit den Familienmitgliedern kommt da schon eine ganze Menge zusammen.
Nichtsdestotrotz. Was tun mit den übrigen Äpfeln?
Von den Restlichen könnte man einen Kuchen backen, zu Apfelmus verarbeiten, Marmelade oder Chutneys herstellen, Desserts zaubern, Apfelessig ansetzen oder die Früchte durch dörren haltbar machen.
Eine einfache, sichere und vor allem gesunde und somit sinnvolle Verwertung des Ernteguts ist die Herstellung von Saft.
Nun bietet sich in so manchem Ort die Möglichkeit, seine Äpfel gegen Saft einzutauschen.
Beim Obst- und Gartenbauverein in Wilgartswiesen hingegen, wird nichts getauscht sondern genau die Äpfel, welche beim Empfang abgegeben werden, können am Ausgang in flüssiger Form und in Flaschen abgefüllt wieder mitgenommen werden.
Wer 50 Kilogramm Äpfel abgibt, bekommt circa 32 Liter Apfelsaft zurück. Faule oder angefaulte Äpfel werden nicht angenommen
Im Vorfeld erfolgt eine Anmeldung, mit der möglichst genauen Schätzung der Menge, die zum Keltern angeliefert wird. Daraus errechnet sich dann die benötigte Menge an Flaschen.
Wer noch keine hat, kann diese vor Ort für 30 Cent pro Stück käuflich erwerben. Diese Flaschen sind dickwandig, stabil und vor allem hitzebeständig.
Das heißt, dass beim „ersten Mal“ ein paar Euro in die Grundausstattung investiert werden müssen. Eine Investition, die sich lohnt, denn diese Saftflaschen sind natürlich wiederverwendbar und praktisch ewig haltbar.
So liegen auf den gefüllten Autoanhängern nicht nur die Äpfel sondern auch die Kisten mit leeren Flaschen, die auf Inhalt warten.
Nach der Ernte der Früchte werden diese in Säcke, Netze oder Körbe gepackt, gewogen und anschließend der OGV kontaktiert. Ein Termin für die Anlieferung wird vereinbart, um Wartezeiten zu vermeiden und einen reibungslosen Ablauf zu garantieren.
Reibungslos geht diese Aktion für die Äpfel nicht aus, denn diese werden im Raum 1 des Kelterhauses geschreddert. Vorher werden sie gewaschen.
Diese Säuberungs- und Entsafter-Maschine läuft genau so lange, bis die Äpfel des jeweiligen Anlieferers verarbeitet sind, dann wird diese bis zum nächsten Kunden gestoppt.
Der Trester wird ins Freie auf einen dafür abgestellten Anhänger befördert, der Rohsaft in großen Wannen aufgefangen.
Das ganze Prozedere wird selbstverständlich von Mitgliedern des Vereins überwacht und hilfreich unterstützt.
Das erste Ergebnis aus der Saftpresse wird nun in Raum 2 gepumpt, wo es nochmals gefiltert wird. Die Schalenreste wie auch die Reste vom Fruchtfleisch werden mittels einer Zentrifuge absorbiert. Wer naturtrüben Apfelsaft bestellt hat, ist nun schon fast am Ziel, denn durch diese Filterung entsteht der naturtrübe Apfelsaft.
Für die Anlieferer, die einen klaren Saft bevorzugen, wird der Naturtrübe nochmals mittels eines Plattenfilters geklärt.
Der entsprechende Saft, des jeweiligen Anlieferers, wandert anschließend durch einen Durchlauferhitzer und wird bei nahezu 90 Grad Celsius sterilisiert.
Ebenso die Flaschen, welche quasi auf der anderen Seite der Maschine im heißen Dampf erhitzt, sterilisiert und für den heißen Saft vorbereitet werden.
Hier erklärt sich auch die Notwendigkeit, diese dickwandigen Flaschen beim Profi des Obst- und Gartenbauvereins zu kaufen. Einige wenige mitgebrachten Exemplare überstehen die Hitze nicht.
Die mitgebrachten Saftflaschen, müssen auf jeden Fall zu Hause ordentlich gereinigt worden sein bevor sie auf das Förderband im Kelterhaus gestellt werden dürfen.
Nach der Wiegeaktion vertreibt sich der Apfel-Lieferant die Wartezeit auf seinen eigenen Apfelsaft mit dem Einräumen seiner im Vorfeld berechneten Anzahl von Flaschen, auf das für die Dampfsterilisation vorgesehene Förderband.
Beim Warten ist genügend Zeit, um mit anderen Obstgärtnern ins Gespräch zu kommen.
Währenddessen wird hochautomatisiert, der aus den eigenen angelieferten Äpfeln gepresste und gefilterte, naturtrübe oder klare Apfelsaft, quasi unbemerkt und vollautomatisch in Flaschen abgefüllt und verdeckelt.
Lediglich das Einschichten der vollen Apfelsaftflaschen in die - meist mitgebrachten - Holzkisten, erfolgt manuell. Mit Handschuhen versteht sich, denn die Flaschen sind kochend heiß.
Die Anlieferer schwören auf dieses gesunde und vitaminreiche Lebensmittel, völlig frei von Zusatzstoffen und dennoch mindesten bis zur nächsten Apfelernte und darüber hinaus problemlos haltbar.
Die flüssige Ernte kostet pro Liter circa 50 Cent.
Sage und schreibe 20.000 Euro hat der OGV Wilgartswiesen im vergangenen Jahr in die Anlage von Raum 2 investiert.
Das Angebot, tatsächlich das Ergebnis seiner eigenen Apfelernte in flüssiger Form wieder mit heim zu nehmen, wissen viele Apfelbaumbesitzer sehr zu schätzen und scheuen deshalb die für den ein oder anderen weite Anfahrt nach Wilgartswiesen nicht.
Das vergangene Jahr war laut Heiko Guthörlein, Pressewart des OGV Wilgartswiesen, ein Rekordjahr. 2019 habe es weniger Ertrag gegeben, jedoch gäbe es immer im Wechsel ein ertragreiches Jahr, gefolgt von einem ertragsärmeren Jahr.
Beim OGV wird eine Liste der Anlieferer geführt, um im kommenden Jahr Vergleichswerte zu haben.
Diese Kelteraktion ist eine schöne, in mehreren Bereichen ertragreiche und ehrenamtlich begleitete Kelteraktion, die hoffentlich eine Zukunft hat.
So sind die Kinder und Jugendliche gefragt, jenseits oder gerade wegen „fridays for future“, den Eltern oder Großeltern, interessiert und tatkräftig bei der Apfelernte zu helfen.
Das Ergebnis lässt sich sehen und schmecken. beb
Autor:Britta Bender aus Annweiler |
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