Heddesheimer Vogelexperte Kurt Klemm fungiert als Ersatz-Papa für verwaiste Vogelkinder
Lieber mal Unordnung im Garten wagen
Heddesheim. „Es fehlen die Insekten, es fehlen die Nistmöglichkeiten und dann kommt noch der Klimawandel hinzu, die heimische Vogelwelt hat es wirklich nicht leicht“, ist Kurt Klemm überzeugt. Als „Ersatz-Papa“ für verwaiste Vogelkinder hatte er in diesem Jahr alle Hände voll zu tun. Acht Spatzen, zwei Mehlschwalben, zwei Mauersegler und eine Rauchschwalbe wurden von ihm aufgezogen und durchgefüttert bis sie dann den endgültigen Abflug in die Freiheit machen konnten.
„Die Aufzucht der Vögel ist schon eine zeitintensive Angelegenheit“, weiß der Vogel- und Naturfreund. Ohne seine Frau Inge wäre der Job nicht zu schaffen, versichert Klemm. Insbesondere die Schwalben und Mauersegler seien anspruchsvolle Kostgänger „Für sie sind Heimchen eine ideale Nahrungsquelle, an Mehlwürmern, die beispielsweise an Spatzen verfüttert werden, würden sie sterben“ lässt der Experte wissen. Und je jünger die zwitschernden Pensionsgäste sind, umso häufiger ist Klemm im Einsatz. Das geht im Stundentakt oft schon morgens um sechs Uhr los und endet erst am späteren Abend.
„Da weiß man was man geschafft hat“, lacht der Heddesheimer und fügt an: „Im kommenden Jahr muss ich gesundheitsbedingt aber kürzer treten, auch wenn mir die verwaisten Jungvögel noch so sehr am Herzen liegen.“ Vielleicht fänden sich ein paar Helfer die sich diese Aufgabe teilen könnten, hofft Klemm auf Nachfolger. Es gibt aber auch probate Mittel die jeder tun kann, um der Vogelwelt wirksam unter die Fittiche zu greifen. Dazu zählt die ganzjährige Zufütterung. In entsprechenden Fachabteilungen gibt es zwischenzeitlich Sommerfutter, das der Jahreszeit angepasst ist.
Vom diesem Futter ernähren sich, laut Klemm, insbesondere die Altvögel, der Nachwuchs wird stets mit proteinreicher Insektennahrung aufgezogen, an der es aber massiv mangelt. Oft wird beobachtet, wie sich die Eltern an den Futterstellen stärken, um sich dann auf die Suche nach frischen Insekten und Raupen für die Jungvogel-Versorgung zu machen. Unter dieser Prämisse kann eine Zufütterung die Elterntiere entlasten und so für mehr verfügbare Nahrungsressourcen für die Jungvögel sorgen. „Die Koryphäe unter den deutschen Ornithologen, Professor Peter Berthold, rät schon seit vielen Jahren zu diesen Maßnahmen“, betont Klemm und fügt an: „Wer es für Alt und Jung besonders gut meint, kann zudem ein leeres Aquarium oder Ähnliches mit Mehlwürmern aufstellen, aus dem sich die Vögel bedienen können.“
Und stets auch an eine saubere Vogeltränke denken. Gerade im Sommer müsse auf Hygiene im und um die Futterstelle herum sowie an der Tränke besonders geachtet werden. Gartenbesitzer hätten indes die Gelegenheit sogar ganz naturnah zu helfen. Vogelgezwitscher ist die schönste Gartenmusik“, ist Kurt Klemm überzeugt. Zu jeder Jahreszeit könnten Hobbygärtner einiges tun, um den Vögeln mit einem natürlichen Nahrungsangebot den Tisch zu decken und die Insektenvielfalt zu fördern. Insbesondere der Nutzen von Brennnesseln und verschiedener Distelarten sei häufig verkannt worden.
Weitere Blühpflanzen wie beispielsweise Nachtkerzen, Mohn, Malve und die Wiesenflockenblume hätten nicht nur optisch etwas zu bieten, sie dienten auch als „Insektenweide“. Im Herbst sollten vor allem die beerentragenden Stauden und Hecken nicht zurückgeschnitten werden, sie sind eine wahre Snackbar für Vögel, weiß Klemm. Sie nützten nicht nur als Futterquelle für Futtergäste die aus dem hohen Norden in der kälteren Jahreszeit zu uns kommen, es profitierten auch heimische Weichfutterfresser wie Rotkehlchen und Amseln davon.
Eine ideale Nahrungsquelle für Vögel stellen unter anderem Schwarzer Holunder oder Weißdorn dar. Die aus den Blüten entstehenden roten Beeren des Weißdorns haften bis in den Winter am Strauch und halten somit auch in der kalten Jahreszeit Nahrung für gefiederte Gartenbesucher bereit. „Die schwarzen Holunderbeeren schmecken nicht nur den Vögeln, sie eignen sich auch gut für Saft und Marmelade“, weiß Klemm. Körnerfresser bevorzugen wiederum die Samen diverser Korbblütler.
Gerne ausgepickt werden Sonnenblumen, die ein beliebtes Gastmahl darstellen. „Und wer die Natur mit samt ihren Lebewesen schätzt, der legt keine Gärten des Grauens an“, konstatiert Klemm. Gemeint sind die zugeschotterten Steingärten in denen alles Leben versiegt. „Der Vers „viel Steine gab’s und wenig Brot“, hat hier seine ganz besondere Bedeutung“, bedauert Kurt Klemm. „Lieber mal etwas Unordnung im Garten wagen, anstatt akkurater Steinwüsten“, rät der Naturfreund.
Info und Kontakt:
Kurt Klemm, Heddesheim, Telefon 06203/9 58 58 24. ha
Autor:Christian Gaier aus Mannheim |
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