Niederdorf um die Jahrhundertwende
Brauerei J. Schott Rheinzabern
Rheinzabern. Vor hundert Jahren führte in Rheinzabern der Weg vom Gasthaus „Zum Bahnhof“ über die heutige Bahnhofstraße bis zur Neupotzer Straße durch eine Brauerei. Ein Stück davon ist unter dem Restaurant „Pasta Pasta“ in Rheinzabern verborgen, dem einstigen Eiskeller der Brauerei Schott. In Rheinzabern wird diese Gaststätte, deren Besitzer in den letzten Jahrzehnten oft wechselten, „Bierkeller“ genannt.
1872 gründete Jakob Schott aus Knittelsheim in Rheinzabern eine Brauerei, die bis 1930 bestand. Nach dem Tode des letzten Besitzes Karl Schott am 27.07.1930 soll sie am 15.09.1930 in die Brauerei Silbernagel, Bellheim übergegangen sein. Wie das vor sich ging müsste noch untersucht werden. In Bauakten von Rheinzabern ist die Vollendung des Abrisses des großen Eiskellers gegen die Bahnhofstraße am 1.6.1935 durch die Brauerei Silbernagel Bellheim vermerkt. Grundstücke und Gebäude gingen wohl auch in den Besitz von Rheinzabernern Bürgern über.
Ein Briefkopf im Stil „der Moderne“ mit der Überschrift Brauerei J. Schott Rheinzabern zeigt eine Industrieanlage mit einigen mehrstöckigen Gebäuden und einem rauchenden Schornstein. Ob die Abbildung der Realität in Rheinzabern je entsprochen hat? Oder ob es zum Beginn des 20. Jahrhunderts modern war, sein Unternehmen so zu präsentieren? Sichtbar sind in Rheinzabern heute noch die drei Gebäude in den Miniaturbildnissen in der linken Ecke der Brauereiansicht, die als „Gasthaus zum Bahnhof“, „Zum Hubertus“ und „Zum Bierkeller“ bekannt sind. Alle drei waren Bierausschanke an den Ortsausgängen. Auf dem Briefkopf ist ein Postscheckkonto vermerkt, d.h. er ist muss nach 1909 gestaltet worden sein, weil der Postscheckdienst 1909 im Deutschen Reich eingeführt wurde.
Zwischen 1879 und 1916 finden sich in den Bauakten der Gemeinde Rheinzabern 50 Einträge über Bauaktivitäten des Brauers Schott (34) und des Malzfabrikanten Schwartz (16). Große Industriegebäude wurden im Niederdorf nicht gebaut. Brauereien waren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Brauerei und Mälzerei in einem. Mit der Industrialisierung trennte sich die Herstellung von Malz und Bier und die Mälzereien wurden eigenständig. So wohl auch in Rheinzabern. Malzfabrikant Schwartz erbaute 1886 Malzdarre, Malzkesser und Malzspeicher im Niederdorf.
Vor 1872 wurde in Rheinzabern schon Bier gebraut. Dr. Helmut Sittinger verfasste einen Aufsatz (Erstellungsjahr unbekannt) über die Brauerei Schott, in dem er schrieb, dass der Bierbrauer Jakob Schott aus Knittelsheim im August 1872 Maria Josefine Avril heiratete. Familie Avril braute in Rheinzabern schon vor dem Jahr 1800 Bier. Dr. Sittinger beschrieb die Einflüsse der Brauerei auf das (Vereins)Leben in Rheinzabern, die Konkurrenz um die Bierausschanke zwischen Schott und Schwartz und über Mitglieder der Familie Schott. Einer der Urgroßväter von Dr. Sittinger war Biersieder und Pächter von Bierausschanken der Brauerei Schott.
Einflüsse auf das wirtschaftliche Leben im Dorf hatte die Brauerei bestimmt auch. Getreide und der Hopfen mussten angebaut werden, Dorfbewohner brachen im Winter entlang des Erlenbachs und auf den Mühlwiesen Natureis und brachten es in die Eiskeller. Wahrscheinlich machten Bauern, die mindestens ein Pferd besaßen, auch Fuhrdienste für die Brauerei.
Der ehemalige Eiskeller unter der heutigen Gastwirtschaft „Zum Bierkeller“ an der Ecke Hauptstraße/Neupotzer Straße war nicht der einzige Eiskeller in Rheinzabern. Zu den oben erwähnten 50 Bauaktivitäten von Schott und Schwartz zählen sieben Keller, die von 1889 bis 1902 erbaut wurden, fünf unter den Namen Schott, zwei unter Namen Schwartz. Beim Brauen und Lagern von Bier sind Brauereien auf eine wirksame Kühlung angewiesen. Bevor es Kühlanlagen und Kühlschränke gab musste das Eis des Winters über die Sommermonate geschützt vor Wärme in tiefen Kellern gelagert werden.
Zugänglich ist heute nur noch der von Familie Kapaj in sieben Jahren mühevoller Arbeit restaurierte Keller unter dem Gasthaus „Pasta Pasta“. Dieser und ein weiterer Brauereikeller in der Bahnhofstraße wurden während der Bombenangriffe im 2. Weltkrieg als Schutzkeller genutzt. Die fünf anderen Keller sind vergessen. Sie wurden ab den dreißiger Jahren abgerissen, zugeschüttet oder überbaut.
Die letzte dokumentierte Baumaßnahme von J. Schott war 1916 die Errichtung einer Gemüsetrockenhalle, die 1918 fertiggestellt wurde. Die Ernährungslage in Deutschland wurde nach zwei Kriegsjahren ab 1916 immer schwieriger. Die Getreideernten waren kärglich, alle Lebensmittel knapp, die Menschen litten Hunger. Die Erzeugung von Nahrungsmitteln war ab diesem Zeitpunkt und für viele Jahre die vordringlichste Aufgabe.
Nach dem Tod von Karl Schott 1930 endete der Brauereibetrieb. 1950 wurde der Schornstein der Brauerei - heute Hauptstraße 14 – abgerissen. Ein Briefkopf, eine Bierflasche, der Grabstein der Familie und ein Aufsatz mit Lebenserinnerungen aus dem 19. Jahrhundert erinnern an die einstige Brauerei. Vielleicht schlummert noch Weiteres in Rheinzabern im Verborgenen.
Autor:Andrea Abt aus Jockgrim |
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