Pfalztheater: Lustspiel "Minna von Barnhelm" auf dem Spielplan
Lessing-Klassiker
Wer kennt sie nicht, die Reclam-Heftchen? Sie sind klein, gelb und stecken heute noch in vielen Schulranzen oder stehen im Bücherregal. Eines dieser kleinen Heftchen erweckt das Pfalztheater nun zum Leben und lässt die Geschichte der Minna von Barnhelm lebendig werden. Ein Klasse Start der Sparte Schauspiel in die neue Spielzeit 2019/2020.
"Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück" ist wohl das bekannteste Lustspiel der Aufklärung, eine der bedeutendsten Komödien der deutschsprachigen Literatur und das erste Stück mit aktueller Zeitgeschichte auf der Bühne. 1767 in Hamburg uraufgeführt, zeigt das das Schauspiel auf der einen Seite das damalige Selbstverständnis von Männern, die sich anscheinend nur über ihr Ein- und Auskommen als ehrenhafte Soldaten definieren. Dem gegenüber steht eine moderne und fast freche junge Frau, die weiß, was und wen sie will, und dafür auch mit allen Mitteln kämpft.
Das Publikum blick mitten rein in das gelbe Reclam-Heft, hört und sieht die Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges, der 1763 gerade zu Ende ist. Der vollkommen mittellose Major Tellheim (Martin Schulz-Coulon) kehrt aus dem Krieg zurück. Er hatte den Kriegsverlierern gegenüber Mitleid und hat die Gelder, die er eigentlich bei den Verlierern eintreiben sollte, kurzerhand selber gezahlt. Daraufhin wurde er, aufgrund falscher Beschuldigungen über die Veruntreuung von Geldern, unehrenhaft aus dem Militär entlassen. Verwundet, heimat- und mittellos, tief in seiner Ehre und seinem Selbstbild verletzt, verbirgt sich Tellheim in einem heruntergekommenen Wirtshaus. Seine Minna, mit der er sich noch vor dem Krieg verlobt hat, will er nicht mehr unter die Augen treten. Martin Schulz-Coulon spielt den Tellheim in all seinen Facetten sehr glaubhaft, so dass man mit seiner Figur und ihrer Hoffnungslosigkeit förmlich mitleidet, aber zugleich hofft, dass er seine nie verlorene Liebe wieder zulässt. Der Gegenpol ist Minna - großartig besetzt mit der jungen Jelena Kunz, die mitreißend, elanvoll, mutig und ohne Zweifel um ihren Tellheim kämpft. Mit einem Wort- und Verwirrspiel will sie ihn zurückgewinnen. Das entfacht jedoch immer neue Verwicklungen.
Ein großartiges Schauspielensemble ergänzt die beiden Hauptdarsteller, angefangen vom Wirt (Henning Kohne), der ebenso schmierig ist wie seine Schürze, bis hin zu der frechen und mutigen Franziska (Aglaja Stadelmann), die ihr Herz auf der Zunge trägt, und dem verschlagenen Diener Just (Stefan Kiefer). Ebenfalls großartig ist Michel Kopmann als Paul Werner, der als Ex-Wachtmeister immer noch bereit ist, alles für seinen Major zu tun. On Top sind Jan Hennng Kraus und Günther Fingerle zu nennen. Ersterer erntet Szenenapplaus für seinen „Riccaut dela Marlinière“, der mit seinem französischen Akzent das Publikum zu Tränen rührt - vor Lachen. Günther Fingerle setzt den genialen Schlusspunkt als (nicht nur optisch) genialer Graf von Bruchsall. Er ist sozusagen das Feuerwerk am Ende eines toll in Szene gesetzten, kurzweiligen Stückes. Da heißt es nicht nur für das Publikum: sehenswert, sondern an alle Schulen: An diesem Reclam-Heftchen werden alle Schülerinnen und Schüler Spaß haben.
Alle Vorstellungen und Karten gibt es hier.
Autor:Petra Rödler aus Kaiserslautern |
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