Pfalztheater: Beifall für Schauspiel-Premieren
Von Spießern und üblem Rufmord
Zweimal grandioses Schauspiel: Innerhalb einer Woche feierten am Pfalztheater zwei Stücke Premiere, unter großem Beifall des Publikums. Zu sehen sind in jeweils Spielfilmlänge ohne Pausen „Der Popper“ auf der Werkstattbühne und „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ im Großen Haus.
„Back to the 80s“ heißt es, wenn der Popper, großartig optisch wie schauspielerisch von Henning Kohne in Szene gesetzt, in der nicht immer einfachen Vergangenheit schwelgt und selbst nach seinem Ableben dem Nachmieter sozusagen auf den Geist geht. Hannelore Bähr brilliert als Fleischerin, Philipp Adam zeigt schauspielerisch echt klasse einen zu scheitern drohenden Justin, und das Liebespaar Florentin (Lukas Jakob Huber) und Ixix (Helena Gossmann) ist lebendig und schwungvoll. Es geht um Sex und Drogen, um Bindungsängste und Zugehörigkeitsbedürfnisse, es geht um Wurst und lila Wohnzimmerwände. Das mit dem Else Lasker-Schüler-Stückepreis 2020 ausgezeichnete Stück ist humorvoll, nachdenklich und zuweilen auch skurril. Wunderbar.
Hetze und die Folgen
Verzweiflung und Wut treiben eine junge Frau zum Mord an einem Journalisten: Personen und Handlung der Erzählung über Katharina Blum sind frei erfunden. „Sollten sich bei der Darstellung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken bekannter Zeitungen und Illustrierten ergeben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig. Sie sind unvermeidlich“, so steht es in der Überschrift des Stückes, das in 90 Minuten eindrucksvoll aufzeigt, wohin falsche Beschuldigungen und Sensationsgier führen können.
Katharina Blum gerät im Taumel eines Fastnachtsabends unwissentlich an einen als Frosch verkleideten mutmaßlichen Straftäter, der am Morgen danach über alle Berge ist. Und so gerät sie in das Visier der Boulevardpresse. Was zuerst „nur“ eine sensationslüsterne Berichterstattung ist, wird zum Alptraum für die unschuldige Frau. Öffentliche Verurteilungen sowie obszöne und hasserfüllte Nachrichten sind die Folge, und selbst als sich der Mordverdacht gegen ihren Geliebten als haltlos herausstellt, ebbt die Flut der „hatespeech“ nicht ab... Ein hochaktuelles Stück, damals 1974, als es Böll schrieb. Heute wohl angesichts sozialer Medien noch aktueller denn je, nicht nur, was die getriebene Sensationspresse anbelangt, sondern auch bezogen auf manche Menschen, die sich unter falschem Namen oder Fake-Profilen im Netz bewegen. Ein sowohl bildlich als auch schauspielerisch starkes Stück, in dem Jelena Kunz als Katharina Blum glänzt. Überhaupt bestechen alle Darstellerinnen und Darsteller darin, ihren Rollen Ausdrucksstärke und Lebendigkeit zu verleihen: Robert Flanze als Hauptkommissar, Martin Schultz-Coulon als Staatsanwalt, Oliver Burkia, der in einer Doppelrolle als Kriminalassistent und Journalist brillant ist. Stefan Kiefer spielt gleich fünf Rollen, der großartige Rainer Furch ist Dr. Blorna und die wunderbare Meike Anna Stock ist seine Ehefrau und schlüpft in drei weitere Rollen. Eine sehenswerte Inszenierung von Yvonne Kespohl. Unbedingt ansehen. Live und im Theater.
Autor:Petra Rödler aus Kaiserslautern |
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