Von der Politik im Stich gelassen
Gastronomen zwischen Frust, Ärger, Hoffnung und Kampfgeist
Von Ralf Vester
Gastronomie. Das unbeschwerte Gefühl eines entspannten Restaurantbesuchs liegt gefühlt halbe Ewigkeiten zurück. Bereits seit vier Monaten befindet sich die Gastronomie nun schon wieder in der behördlich verordneten Zwangspause. Bis die Lokale wieder Gäste empfangen können, werden sicher noch weitere vier, fünf Wochen ins Land ziehen.
„Peter Altmaier wird wohl so schnell keinen Platz in einem Restaurant kriegen“, sagt Rainer Benkert, Inhaber des Lokals am „Kniebrech 11“, mit einem Augenzwinkern und einer gehörigen Portion Ironie. Viele Gastronomen sind zutiefst verärgert, wenn sie an die vom Wirtschafts- und Finanzministerium vollmundig versprochenen, aber nur zögerlich fließenden Hilfen seitens der Regierung und den damit verbundenen bürokratischen Aufwand denken. Ganz gleich, ob man Rainer Benkert, Artur Stark (Twenty One), Alf Schulz (Bremerhof), Sascha Gärtner (Quack) oder Uwe Graf (Lautrer Wirtshaus) fragt – überall stockt es mit der Auszahlung der Hilfen.
Hängepartie bei den Hilfszahlungen
Die Novemberhilfe haben inzwischen alle erhalten, aber teils erst vor wenigen Wochen. Die Dezemberhilfe ist, wenn überhaupt, maximal zur Hälfte ausgezahlt. Uwe Graf hat auch die Januarhilfe beantragt, aber sie wurde ihm bereits negativ beschieden, weil er mit seinem Heimservice zu viele Einnahmen generiert habe. Das lässt ihm gehörig den Kamm schwellen. „Wer so etwas anbietet, ist sogar noch der Depp. Der Heimservice trägt nur zu 50 Prozent die Kosten, weil der Getränkeumsatz fehlt. Deshalb dürfte bei der Hilfe der Außerhaus-Umsatz gar nicht zu 100 Prozent angerechnet werden. Die Politik hat in den vergangenen Monaten auf ganzer Linie versagt“, ist Graf seit geraumer Zeit mehr als bedient.
Dem Chef des Lautrer Wirtshaus sind durch den neuerlichen Lockdown rund 65 Großveranstaltungen wie Hochzeiten, Fasnacht etc. und somit ein Umsatz von bis zu 180.000 Euro flöten gegangen. Er und so manche seiner Kollegen sahen sich bereits gezwungen, an ihre über Jahre hinweg angesparten Reserven wie die Altersvorsorge zu gehen, um über die Runden zu kommen. Auch die Rückzahlungsraten von Hilfskrediten der Hausbanken wollen erst mal erwirtschaftet werden. Die Zusage der Regierung, die Absenkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für die Gastronomie bis Ende 2022 beizubehalten, ist zwar hilfreich, aber kein Meilenstein.
Sorge um die Situation des Personals
Locker weggesteckt hat das Corona-Jahr 2020 keiner – selbst die nicht, die über all die Jahre gut gewirtschaftet und durch große Freisitze bzw. Biergärten wenigstens das letzte Sommerhalbjahr einigermaßen erträglich gestaltet haben. Und dabei hadern die gebeutelten Gastronomen gar nicht mal so sehr mit ihrem eigenen Schicksal, sondern vielmehr mit dem ihres Personals.
„Wir haben die Sorge, dass uns die Leute weglaufen, wenn es nicht bald eine echte Öffnungsperspektive gibt“, sagt Alf Schulz, der auch stellvertretender Vorsitzender des DEHOGA-Verbands Rheinland-Pfalz ist. Das stetig verlängerte Kurzarbeitergeld für die festangestellten Kräfte ist nicht sonderlich üppig, die vielen gering beschäftigten Servicekräfte darben extrem ohne Trinkgeld & Co. Artur Stark sieht sich derzeit auch als Motivator gefordert und versucht, seine Crew unter anderem mit häufigeren Videokonferenzen bei Laune zu halten.
Aktionen zum Re-Start
Renoviert und kosmetische Reparaturmaßnahmen vorgenommen haben nahezu alle Gastwirte. „Wir scharren mit den Hufen, bis es endlich wieder losgeht und planen tolle Aktionen für den Re-Start“, verspricht der als steter Ideenquell bekannte Artur Stark. Auch seine Kollegen fiebern der Wiedereröffnung entgegen und sehnen das erlösende grüne Licht herbei. Dabei gehe es laut Sascha Gärtner vor allem darum, „den Gästen ein sicheres Gefühl bei ihrer Rückkehr ins Restaurant zu geben“.
Während Alf Schulz, Artur Stark und Rainer Benkert nicht zuletzt aufgrund der bevorstehenden Landtagswahl kurz vor Ostern erste Lockerungen als kleine Beruhigungspille für die Gastronomie vermuten, ist sich Uwe Graf sicher, dass für Ende März, Anfang April maximal die Außenbewirtung erlaubt wird. Quack-Chef Sascha Gärtner geht sogar eher davon aus, dass der Startschuss erst nach Ostern fällt, weil die Politik Menschenansammlungen über die Feiertage vermeiden wolle.
Aufgeben ist keine Option
Veränderungen kann es hier und da künftig durchaus geben. So will Uwe Graf den Heimservice beibehalten, aber die Öffnungszeiten im Frühjahr, Herbst und Winter auf das Wochenende beschränken, um die Verluste möglichst gering zu halten. Nur im Sommer heißt es mithilfe des Biergartens volle Kraft voraus. Aufgeben ist für keinen der befragten Restaurantbesitzer eine Option. „Ich ziehe das definitiv durch und habe als zweites Standbein ja noch die Gastronomie in der Fruchthalle“, gibt sich Rainer Benkert kämpferisch.
Die Politik ist in der Bringschuld
„Es ist extrem viel Druck auf dem Kessel. Die Politik ist nun in der Bringschuld, konkrete Öffnungsperspektiven aufzuzeigen. Sie sollte mutiger sein und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Eigenverantwortung und Selbstvertrauen zurückgeben, anstatt ihnen das Gefühl von ständiger Bevormundung zu vermitteln. Den Menschen geht sonst das soziale Lebensgefühl zunehmend verloren“, fasst Bremerhof-Chef Alf Schulz die Lage zusammen. Der DEHOGA plane vor der nächsten Videoschalte von Bund und Ländern mit Demos in Trier, Koblenz und Mainz auf die prekäre Situation von Gastronomie und Hotellerie aufmerksam zu machen.
Autor:Ralf Vester aus Kaiserslautern |
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