Ausstellung „Stolen girls“ und Solidaritätsmarsch „Nein zu Gewalt an Frauen“
Gesichter sprechen Bände
Ausstellung. In den Gesichtern sind beispiellose Schicksale zu erkennen. Misshandlungen, Vergewaltigungen, Morde - die porträtierten Frauen der Ausstellung „Stolen girls“ haben
unfassbares Leid erlebt. In einer Ausstellung im Kaiserslauterer Rathaus-Foyer werden große Porträtfotos nigerianischer Frauen gezeigt, denen es gelungen ist, aus der Hölle der Boko-
Haram-Gewalt zu fliehen.
von Jens Vollmer
Es soll genau dort der Finger in die Wunde gelegt werden, wo die Welt wegschaut. In Zeiten, in denen in vielen Ländern in Bezug auf Frauenrechte eine Rolle rückwärts gemacht wird, soll die eigene Sensibilität geweckt werden.
Im verarmten Norden Kameruns sind die Zustände besonders schlimm. Westliche Bildung ist für Frauen verboten, die Angst vor Terror ist allgegenwärtig:
In einer Aprilnacht 2014 verschleppte die islamistische terroristische Gruppierung Boko Haram rund 280 Schülerinnen aus deren Wohnheim im Norden Nigerias. Insgesamt konnten 44 der entführten Mädchen flüchten, die anderen wurden nach Kamerun und ins benachbarte Ausland für umgerechnet rund neun Euro verkauft, als Selbstmord-Attentäterinnen ausgebildet oder zwangsverheiratet.
Die Zeugenberichte der geflüchteten Mädchen dokumentierten der Berliner „Die Zeit“-Redakteur Wolfgang Bauer und der Fotograf Andy Spyra in ihrer Reportage „Stolen Girls“, die unter anderem den Katholischen Medienpreis gewann.
Am Sonntag, 25. November, 15 Uhr eröffnen im Kaiserslauterer Rathaus Oberbürgermeister Dr. Klaus Weichel und Dekanin Dorothee Wüst gemeinsam mit Marlene Isenmann-Emser, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Kaiserslautern, die daraus entstandene Fotoausstellung „Die geraubten Mädchen“.
Dr. Patrick Asomugha ist katholischer Pfarrer in Queidersbach - er gibt Einblicke in die kulturellen und gesellschaftspolitischen Hintergründe in seinem Heimatland Nigeria.
Claudia Kettering, Referentin für Frauenarbeit bei der Evangelischen Arbeitsstelle Bildung und Gesellschaft, führt anschließend ins Thema „Gesicht zeigen“ ein: „Die Frauen, die in der Fotoausstellung zu sehen sind, haben Gewalt in schlimmster, erschreckendster Form erlebt. Diese Frauen, die sich fotografieren ließen, sind ungeheuer mutig. Sie zeigen Gesicht – ihr Gesicht einer Welt, die ihre Geschichte oft nicht hören will und einer Gesellschaft, die das, was diesen Frauen angetan wurde, oft lieber schamhaft verstecken will. Die ausdrucksstarken Gesichter erzählen in ihrer eigenen Weise davon – manche in ihrer scheinbaren Unberührtheit, manche in ihrer Reglosigkeit, vor allem aber in ihrer eigenen Kraft.
Vor wenigen Wochen erhielt Nadia Murat, die von der Terrorgruppierung Islamischer Staat entführt wurde, den Friedensnobelpreis. So rückte ihr Schicksal und ihre Bereitschaft „Gesicht zu zeigen“ weltweit in den Fokus. Ob Boko Haram oder IS, das Prinzip ist gleich: Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen als systematischer Teil einer Kriegsführung.
Dies ist kein Resultat muslimischer Religion, sondern Teil einjeder Gesellschaft, in der ein bestimmtes Männlichkeitsbild vorherrscht. Es sind Phänomene des Extremismus.“
Birgit Weindl ist Kunstbeauftragte der Evangelischen Kirche der Pfalz und brachte die Ausstellung nach Kaiserslautern. Zur Eröffnung erläutert sie die Hintergründe der Ausstellung: „Der Blick dieser Frauen berührt mich sehr, es sind Bilder, die ich nicht einfach wieder vergessen kann. Und es ist gut, wenn über solche Portraits auf erschreckende Hintergründe aufmerksam gemacht werden kann.“ Die Ausstellung umfasst rund 30 große Porträtaufnahmen und ist im Rathaus-Foyer noch bis zum 14. Dezember 2018 zu sehen.
Solidaritätszug „Nein zu Gewalt an Frauen“
Gesicht zeigen können alle Interessierten auch am Montag, 26. November: Nach der Begrüßung durch Polizeipräsident Michael Denne und Landrat Ralf Leßmeister startet um 12 Uhr der jährliche Solidaritätszug im Rathaus durch die Innenstadt, um an den Internationalen Tag „Nein zu Gewalt an Frauen“ zu erinnern.
Gewalt-Opfer bleiben meist stumm, sind unsichtbar. Nicht nur in Nigeria, auch hier bei uns. Die Polizei kennt nur die Spitze des Eisberges. Untersuchungen haben ergeben, dass Gewalt an Frauen auch in Deutschland in jeder dritten Partnerschaft vorkommen soll. jv
Autor:Jens Vollmer aus Wochenblatt Kaiserslautern |
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