Grüne sehen möglichen Teilabzug des Militärs als Chance
"Nicht zur Geisel in einem schlechten politischen Schauspiel werden"
Bündnis 90/Die Grünen. Die US-Regierung spekuliert über einen Teilabzug des Militärs aus Deutschland und die Region Westpfalz hat ein Problem. „Ein Problem, das von einer fehlgeleiteten Politik selber forciert wurde, indem eine übermäßige Konzentration von Militäreinrichtungen in der Westpfalz nicht nur zugelassen, sondern sogar aktiv gefordert und gefördert wurde“, kritisiert der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jochen Marwede.
Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Kreistag Kaiserslautern fordert seit längerem, den Fokus für die weitere Entwicklung von Gewerbe- und Industrieflächen auf die Konversion militärisch genutzter Flächen zu legen. Auch mit der Begründung, dass sich die Region mittel- und langfristig aus der übermäßigen strukturellen Abhängigkeit vom Militär lösen und eine Konversion der Wirtschaft hin zu ziviler Nutzung anstreben muss.
„Jetzt ist die Gelegenheit, dies aktiv anzugehen. Die Reaktion von Verdi auf die Drohung der US-Regierung, Teile des Militärs abzuziehen, und auch die laufende Diskussion um die Erweiterung des IG Nord zeigen eindringlich, dass wir diesen Konversionsprozess jetzt in Gang bringen müssen“, so Marwede. „Wir sollten die gegenwärtige Lage zum Anlass nehmen, aktiv Alternativen zu der einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit von einem sehr politisch geprägten Wirtschaftsfaktor zu erarbeiten“, fordert der Fraktionsvorsitzende.
Dass das gelingen kann, zeigten die Beispiele PRE-Park und Flugplatz Sembach. „Dort arbeiten jetzt erheblich mehr Menschen als zu Zeiten der militärischen Nutzung. Konversion ist ein dickes Brett und ein langwieriger Prozess. Aber was dort gelungen ist, kann anderswo auch gelingen“, so Marwede.
„Wir wollen mit unserer wirtschaftlichen Abhängigkeit als Region auch nicht zu einer Geisel in einem schlechten politischen Schauspiel werden“, fährt Marwede fort. „Herr Trump kündigt einseitig und ohne Not das Atomabkommen mit dem Iran, und fordert dann mehr Unterstützung in den daraus entstehenden politischen und militärischen Spannungen. Herr Trump kündigt einseitig und ohne Not wichtige Abrüstungsabkommen mit Russland, und mahnt dann bei den Partnern Aufrüstung an“, so der Fraktionsvorsitzende der Grünen.
Deutschland alleine soll mit zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) rund 60 Milliarden Euro im Jahr fürs Militär ausgeben. Hochgerechnet auf die EU-Staaten mit einem BIP von 16.000 Milliarden Euro sollen wir in Europa jedes Jahr rund 320 Milliarden ins Militär stecken, zusätzlich zu den weit über 600 Milliarden Euro im Jahr, die die USA ausgeben. „Um uns gegen welchen Feind zu verteidigen?“, fragt sich Marwede. „Gegen Russland, das rund 70 Milliarden Dollar im Jahr für das Militär ausgibt? Gegen Terrorgruppierungen, die sich einer militärischen Gegenstrategie weitgehend entziehen? Oder doch eher, um weiter weg von unserer Heimat ’Handelswege zu schützen’, ’Demokratie zu bringen’, und von den USA mutwillig entfachte Spannungen wieder einigermaßen unter Kontrolle zu bringen“, fragt Marwede.
Landesverteidigung ist wichtig, auch im Verbund mit Partnern. Dazu muss in der Bundeswehr einiges passieren, auch Dinge, die Geld kosten. Für eine gemeinsame Verteidigung muss sich auch Europa einiger werden und mehr Zusammenarbeit wagen, was wiederum viel Geld sparen könnte. Die Forderungen nach so viel Rüstung, unverhohlene Drohungen durch einen wichtigen Partner, von dem die Region wirtschaftlich abhängig ist, und ein ganz milde gesagt ungeschicktes und nicht wirklich spannungsmilderndes Auftreten dieses Partners in der Welt, sollten nun endlich ein Umdenken auch in der Westpfalz anregen. „Nutzen wir die Gelegenheit, uns eine Westpfalz mit weniger Militär vorzustellen“, sieht Marwede eher die Chance als die Krise, „Machen wir uns dran, zivile Alternativen zu erarbeiten.“ps
Autor:Jens Vollmer aus Wochenblatt Kaiserslautern |
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