Leon Löwentraut: „Volar“
Spektakuläres Projekt an der Hochschule Kaiserslautern

Beim Betrachten des Werks begeben wir uns in den Kopf des Künstlers und erleben den bereits abgeschlossenen Malvorgang aus seiner Perspektive hautnah nach – eine völlig neue Kunsterfahrung | Foto: Hochschule Kaiserslautern
  • Beim Betrachten des Werks begeben wir uns in den Kopf des Künstlers und erleben den bereits abgeschlossenen Malvorgang aus seiner Perspektive hautnah nach – eine völlig neue Kunsterfahrung
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Hochschule Kaiserslautern. „volar“ (spanisch: fliegen) – so heißt das Projekt, das nach einem Semester aus der Zusammenarbeit von Studierenden und dem erst 24-jährigen Künstler Leon Löwentraut entstanden ist. Dieser hatte während des Wintersemesters 2021/22 einen Lehrauftrag an der Hochschule Kaiserslautern im Studiengang Virtual Design. Thema: „Future Exhibition Design“.
Die Ergebnisse, ein „multisensorisches Storytelling“, wie Michel Lörz, einer der Studierenden, die Präsentation nannte, wurden von den Studierenden vor einem ausgewählten Publikum an der Hochschule vorgestellt. Mit dabei waren neben Löwentraut und den beiden Professoren des Fachbereichs Bauen und Gestalten, Prof. Dipl.-Ing. (FH) Matthias Pfaff und Prof. Dipl.-Des. (FH) Christian Schmachtenberg, auch der Präsident der Hochschule Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Schmidt, und Kaiserslauterns Bürgermeisterin und Kulturdezernentin, Beate Kimmel.

Analoge Realität und digitale Erweiterung

Für Löwentraut fühlt sich der Malprozess wie fliegen an – um das erlebbar zu machen, haben die Studierenden eine Rauminstallation entwickelt, in der die Besucher dieses Gefühl analog und digital erleben können. Werke der bildenden Kunst sind seit jeher in Ausstellungen vor allem visuell und eher in seltenen Fällen haptisch erfahrbar. Mit dem Transfer analoger Kunstwerke in eine digitale Welt wird das anders. Pfaff erklärt dazu: „Gerade das Anfassen und Begreifen eines Gemäldes ist in der Regel unmöglich. Durch 3D-Scan und 3D-Druck entsteht jedoch die Möglichkeit zur Interaktion zwischen Betrachter und Bild.“

Der Professor führt aus: „Die nicht sichtbaren Daten des Kunstwerks sowie die Emotionalität des Künstlers während des Schaffensprozesses können so im Nachhinein abgerufen werden. Mit Hilfe moderner Aufnahmeverfahren im Bereich Neurofeedback konnten Körperdaten in Echtzeit erfasst und in digitale Werte umgewandelt werden. Die so erfassten Daten, die eigentlich die Emotion repräsentieren, stehen unmittelbar mit dem Kunstwerk in Verbindung und können digital als akustische und visuelle Gestaltung erlebbar gemacht werden.“

Kreative Prozesse werden erlebbar

Das Werk, um das es geht, hat Löwentraut im „Virtual Lab“ der Hochschule Kaiserslautern gemalt. Und die Studierenden haben die Entstehungsgeschichte des Bildes dokumentiert. Via „Motion Capture“ sind Löwentrauts Bewegungen beim Malen erfasst worden, hochempfindliche Mikrofone haben die Geräusche auf der Leinwand aufgezeichnet und EEG-Messungen machen „sichtbar“, wie Löwentraut im Schaffensprozess in einen „Flow“ oder ein „Trance-Erlebens“ gerät: Die in Echtzeit gesammelten Daten werden in der Ausstellung zugänglich gemacht.

Die Gruppe betritt Neuland, weil in der Ausstellungssituation die Schaffensphase für Besucherinnen und Besucher nachvollziehbar wird. Dazu dienen die Neurofeedbackdaten, die während der Entstehung des Kunstwerks in Echtzeit generiert wurden. Als „Interface“ haben die Studierenden einen esstischgroßen, hüfthohen Kasten gebaut. Dieser könnte im Museum gemeinsam mit dem Bild in einem getrennten Raum stehen. Auf der Oberfläche des Kastens liegt eine Platte aus dem 3D-Drucker, die detailliert die Topografie des Löwentrautschen Bildes wiedergibt.

Streifen nun Besucher über diese Platte und fühlen die Strukturen des Bildes, das vor ihnen an der Wand hängt, lösen sie über ca. 50 Sensoren unter der Platte eine Videoprojektion aus, die den gerade berührten Teil des Bildes nun auf diese Platte projiziert. Visualisiert wird ein Flug durch das Kunstwerk. Und dabei baut sich das Bild so auf, wie die „Motion Capture“-Aufzeichnungen die Bewegungen des Malers beim Schaffensakt erfasst haben. Zu hören sind Umsetzungen der Hirnstrommessungen, Geräusche von Pinsel und Spachtel auf der Leinwand, die Musik, die beim Malen lief. Besucher beschäftigen sich interaktiv mit dem Bild, nehmen es auseinander und fügen es wieder zusammen und das gegebenenfalls nicht allein, sondern mit andern Besuchern gemeinsam.

Wie geht es weiter?

Schmachtenberg sagt dazu: „Ziel ist es, intelligente Inszenierungsformate für den Kunstsektor zu entwickeln. Der von den Studierenden entwickelte Prototyp zeigt disruptive Möglichkeiten auf, wohin die Reise geht. Wir werden weiter daran arbeiten, die Besucher mit unseren Kreationen zu überraschen.“ Dr. Dipl.-Psych. Martine Hoffmann, Psychotherapeutin und Leiterin der Abteilung für angewandte Forschung und Entwicklung bei GERO in Luxemburg, die den Künstler verkabelte und verantwortlich für die Messung seiner Hirnströme war, kommentiert: „Ein derartiges Projekt schafft eine Schnittstelle, die meines Erachtens nicht nur das Interesse von Kunstbegeisterten und Forschungs- bzw. Wissenschaftstätigen auf sich zieht, sondern auch ein breiteres und durchmischtes
Publikum begeistern kann.“ Sie ergänzt: „Nicht zuletzt trägt es dazu bei, neue Horizonte zu erschließen, in denen Kunst und Wissenschaft auf ungewohnte Art ineinanderfließen, um den kreativen Prozess – das heißt den transformativen Akt der Veräußerlichung innerer Bilder – für den Zuschauer (und den Künstler selbst) zugänglich zu machen.“

Hochschulpräsident Schmidt ist ein Faktor des Projekts besonders wichtig: „In diesem Projekt wird Kreativität mit Aspekten der Physiologie und der Informatik zusammengeführt. Diese Verbindung unterschiedlicher Wissensgebiete und Kompetenzen, die immer mehr Bedeutung bei der Lösung komplexer Fragestellungen gewinnt, ist eine besondere Stärke unserer Hochschule.“ Leon Löwentraut jedenfalls ist sich sicher: „Es wird nicht beim Prototyp bleiben, wir werden baldmöglichst eine reale Ausstellungssituation dafür finden.“ Und Bürgermeisterin Kimmel ergänzt: „Vielleicht ja sogar in Kaiserslautern.“ ps

Autor:

Ralf Vester aus Kaiserslautern

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