Der Leiterwagen rollt nicht mehr
Zum Tode eines Lautrer Originals
Nachruf. Kaiserslautern ist um ein weiteres Original ärmer. Vielleicht war es sogar eines der letzten, das die Stadt überhaupt noch hatte. Am Montag, 10. Mai, ist Heinrich „Heiner“ Karpf im Alter von 85 Jahren gestorben. Bekanntheit erlangte Heiner bei Generationen von Lautrern als Zeitungsverkäufer, der stets mit seinem Leiterwagen unterwegs war, in dem er hauptsächlich die neueste Bild-Zeitung, anfangs auch "Die Rheinpfalz“ sowie die ein oder andere Zeitschrift à la „Freizeit Revue“ liegen hatte.
Mit stoischer Ruhe, Gelassenheit und nicht zuletzt auch mit seiner spitzbübischen Freundlichkeit war „de Karpfe Heiner“ Tag für Tag in der Innenstadt unterwegs. Hemd, Hosenträger, Hornbrille und Schiebermütze gehörten zu seinen optischen Markenzeichen. Vor dem Haupttor von Pfaff hatte das Original genauso seinen festen Platz wie in der Fußgängerzone im Bereich des ehemaligen Kaufhauses „Hertie“. Auch für ein kleines Schwätzchen mit seinen „Kunden“ über den neuesten Klatsch und Tratsch aus Lautre und der Welt nahm sich das „Bild-Männche“ gerne die Zeit.
Viele von uns werden sich erinnern, dass sie beim Einkauf in der Stadt mit Kleingeld von ihren Eltern zu ihm geschickt wurden, um die BILD zu kaufen. Fürs „Rausgeld“ zückte er entweder sein kultiges Leder-Portemonnaie oder er hantierte in längst vergangenen Zeiten an seinem umgeschnallten „Münzdrücker“, bis er die benötigten Groschen beisammen hatte.
Es gibt etliche Anekdoten über den Heiner. Für Aufregung sorgte vor einiger Zeit beispielsweise der Diebstahl seines Leiterwagens, der in Kaiserslautern schnell die Runde machte. Glücklicherweise hatten die Täter offenbar rasch bemerkt, was sie da Schändliches angerichtet hatten und wurden von ihrem schlechten Gewissen geplagt, sodass „s‘ Wälsche“ kurze Zeit später wohlbehalten wieder bei ihm auftauchte. Heiner ohne Wagen – unvorstellbar! Das wäre wie Siegfried ohne Roy gewesen.
An den Anblick von Heinrich Karpf ohne sein Gefährt musste man sich in den letzten Jahren erst mal gewöhnen. Auch am gefühlt unverwüstlichen Heiner ging wie an uns allen die Zeit nicht spurlos vorüber. Hin und wieder war der an der Ecke Salzstraße/Ludwigstraße lebende Karpf noch in der Stadt zu sehen, wenn er eher in sich gekehrt mit den Händen auf dem Rücken des Weges kam.
Lieber Heiner, Du warst Kult und hast wie's "Paffe“ oder der Fackelbrunnen zu Kaiserslautern gehört. Und es sei erlaubt, Dich in eine Reihe mit weiteren Originalen wie dem „Brezel-Adam“ oder dem „Schachtelmännche“ zu stellen. Seinen Angehörigen gilt unser aufrichtiges Mitgefühl! Gute Reise, Heiner, mach’s gut und ruhe in Frieden! Wir sind sicher, dass Du nicht ohne Deinen Wagen gen Himmel auffährst und auch den himmlischen Heerscharen stets die neueste Zeitung angedeihen lässt!
Autor:Ralf Vester aus Kaiserslautern |
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