Vom Schock über Hoffnung bis zum Autokino
Zweieinhalb Monate Corona-Krise – eine erste Zwischenbilanz
von Ralf Vester
Kaiserslautern. Es ist gerade einmal gut zehn Wochen her, als Mitte März die Auswirkungen des Coronavirus auch Kaiserslautern mit voller Wucht erwischten. Weitreichende Einschränkungen, die fast einer kompletten Ausgangssperre gleichkamen, brachten das gesamte öffentliche Leben und die Wirtschaft schier zum Erliegen. Sprunghaft gestiegene Infektionszahlen zogen strikte Maßnahmen seitens der Regierung nach sich.
Wo stehen wir zweieinhalb Monate später? Der Lockdown und die strenge Disziplin der Bürger haben die gewünschte Wirkung gezeigt. Die anfangs steil ansteigende Kurve der mit dem Virus Infizierten zeigt seit geraumer Zeit deutlich nach unten. In Deutschland infizieren sich täglich nicht mehr Tausende mit Covid-19, sondern nur noch einige Hundert. Die Zahl der Todesfälle in Verbindung mit Corona liegt erfreulicherweise nur noch im zweistelligen Bereich – wobei jeder bisherige Tote sicher einer zu viel ist.
Auch wenn in Kaiserslautern in den letzten Wochen die Zahl der Neuinfektionen mit am höchsten in Rheinland-Pfalz lag, besteht laut Landrat Ralf Leßmeister kein Grund zur Sorge: „Die jüngsten Neuinfektionen sind durch berufliche Kontakte von außen in die Stadt getragen worden und beschränken sich auf separate Familien. Die Kontaktverfolgung ist überschaubar. Die Lage insgesamt war und ist jederzeit unter Kontrolle.“
Überhaupt hat das Team um Landrat Leßmeister und den Krisenstabsleiter Peter Schmidt einen prima Job gemacht. Sachlich, unaufgeregt und mit herausragendem Engagement, das in der Anfangszeit nicht selten 16-Stunden-Schichten täglich mit sich brachte, geht die kontinuierlich mit viel Man- und Frauenpower aufgestockte Crew des Gesundheitsamts akribisch ihren Aufgaben nach: Kontaktpersonen nachverfolgen, isolieren, Patienten beraten und vieles mehr.
Die Eltern von schulpflichtigen oder/und Kita-Kindern haben sich als wahre Improvisationskünstler erwiesen und sich in puncto Homeschooling und sinnvoller Beschäftigung größte Anerkennung verdient. Seit dem 20. April wurden sukzessive Lockerungen der Beschränkungen vorgenommen und so die ersten Schritte in Richtung Normalität unternommen. Der Einzelhandel durfte zuerst wieder ran, es folgten unter anderem Friseure, und nach langem und zähem Ringen durften auch die Gastronomen wieder an den Start gehen. Von Unbeschwertheit und „savoir vivre“ ist man zwar noch ein gutes Stück entfernt, aber Essen und Trinken schmecken in den Gaststätten noch mindestens genauso gut wie vorher, und vor allem in den Außenbereichen ist die Stimmung zunehmend gelöst.
Von Euphorie und grenzenloser Erleichterung ist bei allen Unternehmern noch keine Spur, es herrscht gesunder Realismus. Erst in einigen Monaten wird sich zeigen, wer noch einmal mit einem blauen Auge davonkommt und wen die Krise mit harten Konsequenzen in die Knie zwingen wird – und das werden leider nicht wenige sein, da muss man kein Prophet sein.
Jetzt bekommen endlich auch die Kulturschaffenden lang ersehnte Hygienekonzepte an die Hand, sodass sie demnächst sachte wieder planen und loslegen dürfen. Die Fruchthalle startet dieser Tage einen ersten Testflug mit einem Kammerkonzert. Bei der Kammgarn nimmt das Konzept mit Außengastronomie im Innenhof und kleinen, aber feinen Liveveranstaltungen Gestalt an, vorbehaltlich möglichst baldiger behördlicher Genehmigungen. Auch das Pfalztheater brütet mit Hochdruck über innovativen Konzepten und einem neuen Spielplan. Und wer hätte gedacht, dass die Autokinos noch einmal eine derartige Renaissance erfahren würden?
In der Krise liegt auch eine Chance, heißt es so schön. Die Menschen zeigen sich kreativ, beschreiten neue Pfade und richten sich darauf ein, dass das Jahr 2020 eben komplett außer Konkurrenz läuft und weitere Herausforderungen bereithalten wird, bis der Spuk irgendwann vorbei ist. Sommerurlaub in der Ferne fällt dieses Jahr vermutlich weitgehend flach. Aber auch aus dieser Not werden die Leute eine Tugend machen und stattdessen die zweifellos wunderschönen Ecken unseres Landes bereisen. Das Gastgewerbe wird“s ihnen danken. Schwimmen gehen können hoffentlich möglichst viele Lautrer heuer auch, sofern nun rasch kluge Eintrittskonzepte und Zeitfenster entwickelt werden.
Jetzt wäre es noch schön, wenn sich die Gräben zwischen denjenigen zuschütten ließen, denen die Lockerungen nicht schnell genug gehen und die sich in ihrer Freiheit und ihren Grundrechten eingeschränkt sehen sowie denjenigen, die lieber noch ein wenig länger auf der Bremse stehen und es vorsichtiger angehen lassen würden. Beide Seiten haben ihre berechtigten Argumente. Sie sollten sich die Hände reichen und die Meinung des jeweils anderen respektieren, denn letztlich sitzen doch alle im selben Boot.
Autor:Ralf Vester aus Kaiserslautern |
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