Das harte Los der Gastronomen in Zeiten der Corona-Krise
Zwischen Freizeit, Angst und Improvisation
von Ralf Vester
Gastronomie. Können wir noch wie gewohnt ausgehen, wenn die Corona-Krise irgendwann einmal vorüber ist? In Anbetracht der akuten Sorgen von Gaststätten, Bars und Clubs im Land, scheint das eher unwahrscheinlich. Normalerweise hat ein Gastronom eine Arbeitswoche von 60 Stunden – nicht selten sogar noch einiges mehr. Da bundesweit Lokale jeglicher Couleur bis auf Weiteres geschlossen haben, tendieren die Arbeitsstunden derzeit gen Null. Was also tun mit der vielen Zeit? Nach dem ersten Schock machen viele Gastronomen das, was sie am besten können: nach Lösungen suchen. Manche Lokale wissen nicht einmal mehr, wie sie die nächste Miete bezahlen sollen.
Dazu gehört das hoch über den Dächern Kaiserslauterns thronende „TwentyOne“ im 21. Stockwerk des Rathauses zwar glücklicherweise zumindest vorerst noch nicht, aber auch das von Artur Stark geführte Lokal wird durch die einer Ausgangssperre gleich kommenden Auswirkungen von Corona in seinen Grundfesten erschüttert. Als der langjährige Gastronom im März von einer seiner traditionellen New York-Reisen zurückkehrte, trafen ihn die in Deutschland zu dieser Zeit bereits weit voranschreitenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens mit voller Wucht. Nachdem am 13. März Verbote für Großveranstaltungen verkündet wurden, schwante ihm schon, dass eine Schließung aller Lokale alsbald kommen würde. Nur kurze Zeit später wurden für die Gastronomie in deutschen Landen auf Geheiß von „ganz oben“ die Schotten dicht gemacht.
Die Restaurants und Cafés müssen zwar geschlossen sein, doch einem Lieferdienst steht nichts im Wege. Auch in der Barbarossastadt bieten viele erstmalig an, das Essen bis vor die Tür zu bringen. Entweder über einen Dienstleister, oder indem sich manche Gastronomen sogar selbst aufs Fahrrad oder auf den Roller schwingen. Wer das nicht leisten kann, bietet einen Abholservice an. Für Artur Stark jedoch scheiden beide Varianten aus. Die Möglichkeit, Speisen abholen zu lassen, macht die Schließung des Rathaus-Gebäudes für den Publikumsverkehr schon mal zunichte. Da erweist sich die sonst so einzigartig-exponierte Lage des Bistros diesmal als großer Nachteil. Und für die Einrichtung eines Lieferservices sieht er sich nicht gut genug aufgestellt. „Zudem könnten wir nicht die hohe Qualität der Speisen gewährleisten, die unsere Gäste von uns gewohnt sind. Es bringt nichts, ein perfekt gebratenes Rumpsteak oder einen hochwertigen Fisch durch die Gegend zu fahren“, sagt der TwentyOne-Chef. Dass andere Betriebe sich dieser Alternativen sehr wohl bedienen, befürwortet er jedoch ausdrücklich, schließlich liegt ihm das Überleben möglichst vieler Gastronomiekollegen sehr am Herzen: „Es ist absolut legitim, alle Möglichkeiten auszuschöpfen.“
So tut Artur Stark derzeit das, wozu viele andere aus seiner Zunft auch gezwungen sind: Die laufenden Betriebskosten auf ein Mindestmaß reduzieren und sein Restaurant mit der auf Kurzarbeit gesetzten Kerntruppe der Festangestellten durch Schönheitsreparaturen, für die sonst kaum Zeit bleibt, fit für die „Zeit danach“ machen. Die persönliche Auslieferung edler Tropfen aus seiner erlesenen Weinsammlung trägt als Kleinvieh auch ein wenig dazu bei, die unerbittlich weiterlaufenden Grundkosten aus Pacht, Miete, Strom etc. zu decken. Auch Gutscheine, die man jetzt kauft und dann einlöst, wenn das Restaurant wieder geöffnet hat, stellen eine Option dar. Natürlich steht auch Artur Stark mit seiner Hausbank in regem Austausch, um die Liquidität in dieser schweren Zeit im Fluss zu halten. Nicht jedem Gastronomen werden die nicht rückzahlbaren Soforthilfen gewährt, da sie hierfür nicht die Kriterien erfüllen. Da Stark inklusive der Aushilfen mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, kommt für ihn nur ein kurzfristiger Kredit in Frage, für dessen Bewilligung jedoch harte Kriterien gelten, die es erst mal zu erfüllen gilt.
Artur Stark sehnt für die gesamte Branche ein möglichst zügiges Ende der Zwangsschließung durch Corona herbei. „Kurz nach Ostern oder wenigstens im Mai wieder öffnen zu können, wäre natürlich toll und für die meisten Betriebe wohl noch irgendwie zu bewerkstelligen. Zieht sich das aber noch bis in den Sommer hinein, werden vor allem viele kleinere Lokale das nicht überleben“, so seine Befürchtung. „Mehrere große Gesellschaften haben ihre Buchungen bei uns teilweise vorsorglich storniert – teilweise sogar bis in den November hinein. Auch wir werden nach der Krise nicht gleich wieder von Null auf Hundert hochfahren können und uns sicher fürs Erste mit einer verkleinerten Karte und einem kleineren Team in kleinen Schritten wieder davon erholen. Kurzum: Die Getränke, die der Gast heute nicht trinkt, holen wir nicht mehr auf“, prophezeit Stark.
Autor:Ralf Vester aus Kaiserslautern |
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