Ausbildungsbilanz der Pfalz: Weniger Bewerber, mehr freie Stellen
Pfalz. Ernüchternd fällt die Bilanz des Ausbildungsmarktes des Jahres 2023/2024 für die Pfalz und vor allem der Blick in die Zukunft aus. Vertreter der Agenturen für Arbeit (AA) Kaiserslautern-Pirmasens, Landau und Ludwigshafen als auch der Handwerkskammer der Pfalz (HWK) und der Industrie- und Handelskammer Pfalz (IHK) stellen fest, dass die Diskrepanz zwischen freien Ausbildungsstellen und Bewerbern zunimmt. Verschärfend kommen der Renteneintritt der Babyboomer und die sinkende Zahl der Schulabgänger dazu. Aber es gibt auch Lösungsansätze.
Von Monika Klein
Im Bereich der drei AA wurden insgesamt 7277 Ausbildungsstellen gemeldet. In absoluten Zahlen sind das 618 oder 7,8 Prozent weniger als im vorangegangenen Ausbildungsjahr. Den 1186 unbesetzten Lehrstellen stehen 534 junge Menschen auf der Suche danach (119 mehr als im Vorjahr) gegenüber. Aus Sicht der AA werden Nachwuchskräfte händeringend gesucht, die Konkurrenz sei groß und Bewerber heiß begehrt. Für Arbeitgeber werde es zunehmend schwieriger, den Ausbildungsbedarf zu decken.
Peter Weißler, Chef der AA Kaiserslautern-Pirmasens, weist darauf hin, dass nur die offenen Stellen in der Statistik auftauchen, die von den Arbeitgebern gemeldet wurden. Die rückläufige Zahl führt er darauf zurück, dass sich bei Ausbildungsbetrieben eine gewisse Resignation eingestellt habe, da bereits in den vergangenen Jahren Lehrstellen nicht mehr besetzt werden konnten. Die Bereitschaft auszubilden, sei immer noch vorhanden und, obwohl das Ausbildungsjahr bereits begonnen habe, sei der Start auch jetzt noch möglich.
Babyboomer im Rentenalter
Andere Gründe für den Rückgang der Ausbildungsstellen sieht er in der aus wirtschaftlicher Sicht aktuell nicht idealen Rahmenbedingungen, insbesondere seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine. Hinzu komme der demografische Wandel und der Fachkräftemangel. "Das alles sorgt für Unsicherheit in der Gemengelage", fasst er zusammen und skizziert wie Arbeitgeberservice, Berufsberatung, berufsvorbereitende Maßnahmen und andere Angebote beide Seiten im Zusammenfinden und -bleiben unterstützen. Zudem habe sich weiterhin bei jungen Menschen der Wunsch nach einem höheren Schulabschluss verfestigt, um danach ein Studium oder duales Studium zu absolvieren.
Dass die geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter kommen, ist keine Überraschung. Auch, dass jetzt schon in vielen Branchen Personal fehlt und Nachwuchs nicht zu finden ist. Für die aktuelle und zukünftige Situation findet Daniel Lips, Leiter der AA Ludwigshafen, drastische Worte: "Der Weggang der Babyboomer hat dramatische Auswirkungen. Das ist so noch nicht angekommen. Wir müssen an jeder kleinen Stellschraube drehen, um unseren Wohlstand halten zu können, denn darauf läuft es letztlich hinaus."
Zuzug aus dem Ausland nötig
Konrad Stephan, stellvertretender Leiter der AA Landau, stellt heraus, dass sich Arbeitgeber immer mehr einfallen lassen müssen, um junge Menschen für ihren Betrieb und die Ausbildungen zu begeistern. Er hält fest, dass das Thema Migration einen zunehmend gewichtigeren Stellenwert einnehme, um die Lücken zu schließen. "19,5 Prozent der Bewerber haben einen ausländischen Pass und 39 Prozent sind über 20 Jahre alt." 210 der abgeschlossenen Ausbildungsverträge gehen auf Bewerber aus acht Hauptflüchtlingsländern zurück. Stephan betont: "Es ist ein Gebot der Stunde und eine Notwendigkeit, in diese Menschen zu investieren."
Die HWK verzeichnet 1915 eingetragene Ausbildungsverhältnisse, was einem Minus von 337 oder 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Thorsten Requadt, Abteilungsleiter Ausbildung, berichtet, dass die Bereitschaft auszubilden nach wie vor hoch sei, auch wenn es zu gelösten Ausbildungsverträgen oder nicht angetretenen Ausbildungen aufgrund von Passungsproblemen – etwa Profil, Wohnort oder Lebenssituation – käme. Unversorgte Bewerber, deren Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 120 auf 535 angestiegen ist, unterstütze die HWK, damit sie im Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Dies geschehe beispielsweise durch das Nachholen der Berufsreife während der Ausbildung. Zudem gebe es viele Angebote und Projekte, um die jungen Menschen zu erreichen. Auch er sagt: "Wir brauchen den Zuzug aus dem Ausland als Auszubildende und spätere Fachkräfte."
Sprache häufig ein Problem
Ebenso sieht Roswita Golling, Teamleiterin Ausbildung IHK, angesichts des Ausscheidens der Babyboomer und den daraus resultierenden Folgen dringenden Handlungsbedarf. "Diese Lücke kann definitiv nicht nur durch Ausbildung geschlossen werden." 3992 neue Ausbildungsverträge konnten eingetragen werden – und damit 5,3 Prozent weniger als im Vorjahr. 45 Prozent der pfälzischen Ausbildungsbetriebe gaben an, nicht alle freien Lehrstellen besetzt zu haben. Laut einer Umfrage liege es daran, dass keine oder keine geeignete Bewerbung eingegangen sei. "Wir müssen sämtliche Kanäle ausspielen, um die jungen Menschen zu erreichen", unterstreicht sie.
Für Auszubildende mit ausländischen Wurzeln stelle die Sprache das größte Problem dar, berichtet Weißler. "Im Betrieb kommen sie gut zurecht, aber der Berufsschulunterricht und die Prüfung sind in Deutsch." Das bestätigen Requadt und Golling, die darauf hinweist, dass die IHK Programme zur Sprachförderung im Betrieb biete und sich Arbeitgeber bei Bedarf auch vernetzen, um sich gegenseitig zu unterstützen.
Unter die am häufigsten gemeldeten Ausbildungsstellen zählen Kaufleute in verschiedenen Sparten, zahn- und medizinische Fachangestellte, Fachkräfte für Lagerlogistik oder Industriemechaniker. Diese Liste der beliebtesten Berufswünsche enthält die Kfz-Mechatroniker, Fachinformatiker Anwendungsentwicklung und Systemintegration, Elektroniker Energie- und Gebäudetechnik oder auch Anlagenmechaniker Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik enthält; kurz, Berufe, die mit Klimaschutz sowie der Energie- und der Mobilitätswende zu tun haben. "Die Wahl der jungen Menschen ist auf die Zukunft ausgerichtet", folgert Weißler.
Autor:Monika Klein aus Kaiserslautern |
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