Modernisierung und Sanierung
Risiken beim Heizen mit Fernwärme
(VS/TRB) Rund 6 Millionen Haushalte werden hierzulande mit Fernwärme versorgt. Die Kunden gehen davon aus, gutes für die Umwelt zu tun. Das Heizwasser für Haus und Wohnung stammt dabei nicht selten aus Kohlekraftwerken oder Müllverbrennungsanlagen, die teilweise im Eigentum von Städten und Gemeinden stehen, zugleich Strom erzeugen und die für die Energieversorgung politisch als besonders effizient gelten sollen. Klingt gut und ist politisch auch gewünscht, doch für Bauherren und Verbraucher können dabei einige Nachteile entstehen, wenn es dabei keinen Wettbewerb gibt.
Monopolartige Stellung von Energieversorgern
Während die Politik bei Strom und Gas in den vergangenen Jahren für immer mehr fairen Wettbewerb gesorgt hat, können es sich die Fernwärmeunternehmen in einem unregulierten Markt bequem machen, klagt Thorsten Kasper, Justiziar bei der Verbraucherzentrale Bundesverband. Die Kunden, so sagt er im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, seien ihren Versorgern oft ohnmächtig ausgeliefert. Viele fühlen sich durch Knebelverträge gefesselt, die in der übrigen Energiewirtschaft undenkbar wären.
Dies betrifft vor allem laut der Allianz Freie Wärme auch die fehlende Transparenz bei der Preisbildung durch die Wärmelieferanten. Die Verbraucher befinden sich mit Fernwärmeverträgen oft über viele Jahre bei Preissteigerungen ohne Alternativen und Wechselmöglichkeiten in einer Kostenfalle. „Hausbesitzer, die dagegen ein modernes Heizungs-, Ofen- und Schornsteinsystem nutzen, haben die Option, die einzelnen Komponenten nach Bedarf effizient zu kombinieren, verschiedenste Angebote zu vergleichen, sowie die Energieträger frei zu wählen – auch unter Einbindung erneuerbarer Energien“, sagt Johannes Kaindlstorfer, Sprecher der Allianz Freie Wärme. Internet: https://www.freie-waerme.de
Schon vor sieben Jahren hegte das Bundeskartellamt den Verdacht, dass die Fernwärmepreise einer Reihe von Versorgungsunternehmen „missbräuchlich überhöht“ sein könnten, schreibt der Spiegel. Noch 2008 bewegten sich nach Vergleichen des Abrechnungsunternehmens Techem die Verbrauchskosten zwischen Fernwärme und Heizöl oder Gas auf ähnlichem Niveau. Heute liegen sie in der Regel um mehr als 30 Prozent darüber. In anderen Branchen laufen Versorgungsverträge höchstens 24 Monate, bei Fernwärmeverträgen sind es oft 10 Jahre, verbunden mit längeren Kündigungsfristen. Den Wärmeliefervertrag zu kündigen und auf individuelle Heizungstechnik umzustellen ist kaum möglich, wenn Kommunen einen Anschluss- und Benutzungszwang erlassen haben. Die freie Wahl der Heizungstechnik ist dann untersagt.
Fernwärmeverträge lassen sich schlecht kündigen
Die zunehmend in das Grundbuch eingetragene Verpflichtung zur Versorgung des Grundstückes ausschließlich mit Fernwärme – eine sogenannte Grunddienstbarkeit – erlischt nicht mit dem Versorgungsvertrag und kann vererbt werden. Faktisch blieb betroffenen Verbrauchern bisher nur die Möglichkeit, mit demselben Fernwärmeanbieter immer wieder einen neuen Vertrag abzuschließen. Lichtblick: Anders urteilte das Landgericht Gießen am 21. September 2017 (Az. 5 O 305/16). Es kam laut dem Bund der Energieverbraucher zu der erfreulichen Feststellung, dass die grundbuchrechtliche Verpflichtung gegenüber dem Fernwärmeunternehmen gegen § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV verstößt. Begründet haben die Gießener Richter dies mit der praktisch zeitlich unbegrenzt bestehenden Verpflichtung des Verbrauchers, ausschließlich mit Fernwärme zu heizen, sowie der damit fehlenden Kündigungsmöglichkeit. Das Fernwärmeunternehmen werde durch sein Recht aus dem Grundbuch ungerechtfertigt bereichert, sobald ein wirksamer Fernwärmeliefervertrag nicht mehr besteht. Entsprechend könne der Verbraucher vom Versorger gemäß § 812 BGB die Zustimmung zur Löschung der Grunddienstbarkeit in seinem Grundbuch verlangen. Abzuwarten bleibt allerdings, ob dieses Urteil allgemeine Anerkennung findet und auch den Eingang in die derzeitigen Planungen zur Neugestaltung der Fernwärmeverordnung findet.
Hintergrund: Kostenfalle Wärmenetz
Wissenschaftliche Studien (https://www.freie-waerme.de/politiker/kommunalpolitiker/) belegen darüber hinaus, dass hochinvestive Nah- und Fernwärmenetze meist nur dann wirtschaftlich sind, wenn eine hohe Anschlussdichte besteht, Subventionen zufließen und zusätzliche Energie, wie etwa industrielle Abwärme zugeführt wird. Dies ist bei der über viele Kilometer oft verlustreich unter der Erde geleiteten Wärme nur selten der Fall. Unter anderem deshalb werden von den Städten und Gemeinden auch die sogenannten Anschluss-, Benutzungszwänge und Verbrennungsverbote ausgesprochen.
Hausbesitzer sind verärgert
Manchmal rechnen Fernwärmelieferanten über den Grundpreis sogar mehr Kosten für Heizenergie ab als eigentlich nötig, nach dem Motto „je geringer der Wärmeverbrauch, desto höher die Kosten“, wie der aktuelle Fall des Leverkusener Hausbesitzers Henselmann im „Spiegel“ Nr. 30 zeigt. Für sein Eigenheim des Typs „Niedrigenergiehaus“, Dach und Wände gedämmt, Fenster dreifach verglast, seien in der Regel geringere Wärmeleistungen laut eines Hamburger Energieberaters ausreichend. Umso größer der Ärger, als die Heizkostenabrechnung mit fast 2.000 Euro gut fünfmal so hoch wie zuvor für das frühere zugige Reihenhaus ausfiel.
Gute Planung zahlt sich auf lange Sicht aus, um nicht blind in die Kostenfalle Wärmenetz zu tappen. Mit effizienter Gas- und Ölbrennwerttechnik, Wärmepumpen, KWK-Systemen, aber auch Holz- und Pellet-Systemen, kann man gegenüber früher genutzten Heizungsanlagen heute je nach Gebäudetechnik und Gebäudezustand in der Regel bis zu 30 Prozent Energie einsparen.
Verbraucher profitieren durch die freie Wahl der Heizungstechnik
Gerade in Neubaugebieten fühlen sich laut dem Hamburger Nachrichtenmagazin viele Verbraucher immer wieder einer „Unheiligen Allianz“ von Bauträgern, Versorgungskonzernen und Kommunalverwaltungen ausgeliefert. Häufig sind die Beteiligten auch noch gesellschaftsrechtlich miteinander verflochten, um sich Verantwortung oder Gewinne zuschieben zu können. Bauträger profitieren dabei von lukrativen Aufträgen der Kommunen, Kommunen von den stabilen Gewinnen der Versorger. Der Kreis schließt sich, wenn die Versorger von gut dotierten Verträgen mit den Bauträgern profitieren. Dabei sind zentrale Wärmenetze wie Nah- und Fernwärme mit meist nur einem Anbieter nicht automatisch immer am wirtschaftlichsten. Um langfristig Geld zu sparen und möglichst unabhängig zu bleiben lohnt es sich, die Wärmesysteme zu vergleichen. Das empfiehlt die Infoplattform Allianz Freie Wärme. Dezentrale, individuelle Heizungstechniken sind zum Beispiel effizient, miteinander kombinierbar und werden unter Einbindung erneuerbarer Energien staatlich gefördert.
Das regionale Fachhandwerk kennt sich aus
Bevor sich Immobilienbesitzer und Bauherren also hinsichtlich der Wärmeerzeugung für viele Jahre an einen monopolistischen Versorger zwangsweise binden, sollten sie im Vorfeld die Systeme eingehend miteinander vergleichen und dafür ausgewiesene Fachleute wie etwa aus dem SHK-Fachhandwerk oder Energieberater heranziehen. Die regionalen Experten kennen die örtlichen Begebenheiten aufgrund unterschiedlicher Gebäude und Wohngebiete genau und beziehen individuelle Wünsche und finanzielle Möglichkeiten in die Projektplanung mit ein. Wer dagegen Dauerkunde eines zentralen Wärmenetzes wie etwa einer Nah- und Fernwärmeversorgung ist, kann diese verbraucherfreundlichen Optionen meistens nicht nutzen und hat bei Preissteigerungen zurzeit kaum Alternativen und Wechselmöglichkeiten.
Autor:Vincent Schmitt aus Kaiserslautern |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.